Heidesilber. Herbert Weyand

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Heidesilber - Herbert Weyand

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kann ich sowieso nichts tun«, sie fasste an ihre verletzte Seite, die komplikationsfrei verheilte. Die Ärzte des Krankenhauses hatten gute Arbeit geleistet und die Wunde mit einigen Stichen verschlossen. Der Wundrand färbte sich nicht einmal rot. »Ich muss nach Den Haag, mit einem befreundeten Professor sprechen. Willst du mitzukommen? Du hast doch Zeit.«

      Erschrocken schaute er sie an. Er lebte nun ungefähr ein dreiviertel Jahr, mit sich beschäftigt, zurückgezogen. Sollte er das aufgeben? Die letzten Tage gefielen ihm. Die Reste des Selbstmitleids bröckelten. Die, ansonsten um die Krankheit kreisenden Gedanken, fielen in sich zusammen. Im Grunde ging es ihm gut und er fühlte sich gesund. Er konnte alles tun. Zwar langsam und mit Überlegung, weil er sonst meinte, sein Unterbauch zerplatze, aber er konnte, wenn er wollte. Warum eigentlich nicht?

      Sie beobachtete, wie er sein Gehirn zermarterte und las von seinem Gesicht, dass er eine positive Entscheidung traf.

      »Klasse. Ich freue mich, dass du mit mir kommst.«

      »Woher willst du das wissen?«

      »Ich lese Gedanken. Nein, dein Gesicht ist wie ein Buch.«

      »Na ja. Daran muss ich arbeiten. Wann geht es los?« Er grinste, wie ein übermütiger Junge.

      Pauls Haus lag am Rande eines kleinen Dorfs. Idyllisch versteckte sich der Ort in einer langgestreckten Mulde. Im Winter ragten die Dächer heraus, die, die anderen Jahreszeiten mit Vegetation verbargen. Er liebte diesen Flecken und die Menschen. Vom Typ kamen sie Rheinländern am nächsten, also herzlich und doch eigenwillig. Zugezogene blieben ihr Leben lang Fremde, wenn sie nicht die ungeschriebenen Gesetze beachteten.

      Paul arbeitete bis zum Beginn seiner Krankheit als Elektronikingenieur in Düsseldorf. Die Ehe ging nach acht Jahren zu Ende. Gott sei Dank hatte er keine Kinder aus der Verbindung. Vor fünf Jahren erbte er sein Elternhaus und hatte seitdem keine finanziellen Sorgen mehr. Den alten Bauernhof, in dem er die Kindheit und Jugend verbrachte, betrieb er als Hobby. Mit Liebe zum Detail ließ er ihn modernisieren und restaurieren. Seit drei Jahren lebte er, nach zehnjähriger Abwesenheit, wieder im Dorf.

      Es fiel ihm schwer, Fuß zu fassen. Die alten Kontakte waren abgerissen und er hatte keine Lust, sie zu erneuern. So lebte er zurückgezogen und genoss die morgendlichen Spaziergänge. Natürlich traf er hier und da, den ein oder anderen. Doch mehr als Belanglosigkeiten tauschte er nicht aus.

      Mit der agilen Holländerin kam Leben ins Haus. Am ersten Tag ihrer Bekanntschaft, also an dem Tag, wo sie verletzt wurde, bettete er sie am frühen Abend fürsorglich in einen Liegestuhl auf der Terrasse. Sie stießen mit Stubbis an und prosteten einander zu.

      »Ich möchte dir eine Geschichte erzählen«, begann sie mit dem bezaubernden Akzent und wandte ihm das interessante Gesicht zu.

      Paul nickte lediglich bestätigend.

      »Du wirst mich für verrückt halten, aber aufgrund dieses jungen Kelten, von dem du jetzt hören wirst, wurde ich Anthropologin.« Sie schloss die Augen für einen Moment und musterte ihn geheimnisvoll. »Also dann … aber zuvor noch ein Satz von Caesar.«

      *

       drei

      

       Griet erzählt:

       »Den Druiden obliegen die Angelegenheiten des Kultus, sie richten die öffentlichen und privaten Opfer aus und interpretieren die religiösen Vorschriften. Eine große Zahl von jungen Männern sammelt sich bei ihnen zum Unterricht, und sie stehen bei den Galliern in großen Ehren.«

       (Caesar: De bello gallico)«

      Kendric der sechzehnjährige junge Mann wurde, seit dem zweiten Lebensjahr, von Labhruinn, dem Druiden, darauf vorbereitet, ein mächtiger Zauberer des Volkes zu werden, dem er angehörte. Labhruinn, ein finsterer Mann, flößte ihm mehr Angst als Respekt ein. Der Druide führte die Schule mit harter Hand. Die alt überlieferten Bräuche und Riten wurden getreu der Worte und Bewegungen gelebt und auswendig gelernt. Abweichungen und Interpretationen gehörten nicht zum Lehrplan. Labhruinn predigte, dass die Seelen der Menschen und die Welt unvergänglich seien. Durch Feuer und Wasser erneure sich alles. Die Menschen starben nicht, sondern lebten in ihren Verwandten weiter. Deshalb brauche auch niemand Angst zu haben, ehrenvoll im Kampf zu sterben. Er wurde wiedergeboren.

      Kendric dachte eigene Gedanken. Hatte er doch häufiger erlebt, dass Labhruinn den Stamm, nicht selten mit einem kleinen Trick, auf seine Seite brachte. Die Menschen lebten in Angst vor ihm. Unbestreitbar stand Labhruinn mit den Göttern in Verbindung. Weshalb gebrauchte er dann Scharlatanerie? Er besaß ein Pulver, welches Nebel erzeugte, aus dem er, bei großen Festen, mit erhobenen Händen heraustrat. Der Stamm und auch alle anderen Menschen liebten ihn nicht. Der Druide lebte als notwendiges, aber geachtetes Übel unter ihnen.

      Kendric gehörte mit der hochgewachsenen Gestalt zu den Größten des Stammes. Schlank wie eine Tanne, und trotz des jungen Alters mit tanzenden Muskeln auf dem Körper, wirkte er mehr wie ein Krieger, als ein angehender Druide. Aus dem ansprechenden Gesicht sahen kühle, auffallend blaue Augen auf die anderen nieder. Häufig spielte ein Lächeln um die Lippen, dessen er sich nicht bewusst war.

      Heute ging er in den Wald. Nur zu diesem Vollmond im Jahr bestand die Möglichkeit, eine bestimmte Pflanze zu sammeln. Sie bewirkte einen Zauber. Zu Heffyn, dem Eichenfest, wurde daraus ein Trank zubereitet. Nur wenigen Menschen gestattete der Druide, diese Kräuter zu ernten. Sie wurden einem Ritual unterzogen, das sie reinigte. Er hatte davon jetzt noch die Striemen auf dem Rücken. Labhruinn schlug die bösen Gedanken mit Weidenruten aus ihm heraus. Kendric verschwieg mittlerweile immer häufiger, wenn er selbstständig dachte, auch auf die Gefahr hin, auf immer verdammt zu sein.

      Doch Labhruinn ließ immer Vorsicht walten und reinigte auf Verdacht.

      Falls Kendric heute die Zauberpflanze finden sollte, würde sie so oder so keine Wirkung haben. Als er am frühen Abend losging und nicht wie vorgeschrieben die Augen senkte, begegnete ihm Bronwyn, die fünfzehnjährige Tochter des Stammesführers. Sie warf ihm einen kecken Blick zu, der ihm bis in Fußspitzen fuhr. Der Verstand, eine besonders große Sünde, und sein Körper gerieten in Aufruhr. Von diesem Zeitpunkt an dachte er an nichts anderes mehr. Bronwyn stand vor seinem inneren Auge. Die Grübchen ihrer Mundwinkel lockten versprechend. Ihre schlanken Beine zeichneten sich unter dem Gewand deutlich ab.

      Das Chaos in seinem Kopf lenkte ihn ab. Mit Macht versuchte er, die unreinen Gedanken zu verdrängen, aber es gelang ihm nicht. Nicht auszudenken, wenn der Energiefluss der Eiche durch seine fehlende Disziplin nicht auf die Menschen überging. Er störte das Gleichgewicht. Labhruinn würde ihn schlagen und unter Umständen verstoßen. Der Baum des Lebens hielt die Welt zusammen.

      Er ließ sich auf dem Boden nieder und sammelte die Gedanken, wie er es gelernt hatte. Alles glitt von ihm ab. Sein Inneres wurde leer. Gott Cernunnos erschien ihm. Das mächtige Geweih wogte über dem Hirschkopf. Schemenhaft und schwerelos glitt das mächtige Tier durch den Wald. Die Konturen strahlten in hellem Licht. Kendric versank in den Augen des Traumtieres und folgte den Bildern, die sich einstellten. Vor ihm lag eine andere, unbekannte Welt. Die Anderwelt. Er machte den kurzen Schritt hinein, dorthin wo die mächtigen Geister über die Menschen wachten. Undurchdringliche Nebelwolken empfingen ihn. Ein Lichtstrahl drang aus der dunstigen Masse und ließ die Sterne zum Greifen nah erscheinen. Eine Spirale geriet in Drehbewegung und zog ihn hinein. Plötzlich stand er inmitten der Rotation der Planeten und erkannte ihre Umlaufbahnen. Die Zusammenhänge des Lebens offenbarten sich ihm. Alles gehörte zusammen. Die

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