Lady Hamilton. Alexandre Dumas
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Am nächstfolgenden Sonntage gingen wir wie gewöhnlich und zu derselben Stunde wie am Sonnabende vorher auf's Land. Das Pferd erhielt die drei gewohnten Peitschenhiebe und nach Verlauf von zwei Stunden zehn Minuten stiegen wir aus. Ich hatte Amy's Ratschläge nicht vergessen. Ich hatte meine sieben Pfund mitgenommen, zu welchen mittlerweile noch die zwölf Schillinge gekommen waren, welche Mr. Thomas Hawarden mir am Tage vorher ausgezahlt. Nur bedurfte ich nicht eines Koffers, um meine Garderobe zu verwahren, sondern eine mit den vier Zipfeln zusammengebundene Serviette genügte vollkommen. – Es wäre schwierig, die Gefühle auszudrücken, welche in mir erwachten, als ich das Haus betrat, welches ich jetzt vielleicht zum letzten Male wiedersah, wo ich wahrscheinlich meine letzte Nacht verbrachte, um mich dann in der folgenden als Flüchtling davon zu entfernen, ohne zu wissen, wohin ich ginge und in welche neue und unbekannte Welt ich mich unter der Obhut jener launenhaften Gottheit hineinwagte, welche man den Zufall nennt. Ich überlegte für den Fall, daß meine Flucht fest beschlossen wäre, worin die Hindernisse bestünden, die ich zu überwinden haben würde. Unglücklicherweise waren dieselben nicht von der Art, daß ein so überspannter Kopf wie der meinige dadurch hätte aufgehalten werden können. Die Kinderstube, welche auch zugleich mein Zimmer war, befand sich im Erdgeschosse und ging in den Garten. Die Tür des Gartens führte auf den Strand und auf diesem Strande konnten Amy und Dick, welche ihrerseits keiner Überwachung unterworfen waren, mich erwarten. Am nächstfolgenden Tage zu der verabredeten Stunde war ich mit am Strande. Dick und Amy erwarteten mich gerade an der Stelle, wo ich einen Monat vorher Mr. Romney und Miß Arabella begegnet war. Sie hatten, wie ich nun hörte, Park Gate schon vor drei Wochen verlassen. Wohin sie gereist waren, konnte man nicht sagen; da sie sich aber nach Chester hatten fahren lassen, so stand mit Wahrscheinlichkeit zu vermuten, daß sie nach London gegangen waren.
Amy war der Meinung, daß wir auf alle Fälle abreisen müßten. Es war dies auch die Meinung Dicks, dem noch mehr als seiner Schwester daran zu liegen schien, sich von der irischen Küste so bald als möglich zu entfernen. Da sonach von drei Stimmen zwei sich für die Abreise erklärten, so trug die Majorität den Sieg davon. Die Personenpost ging am nächstfolgenden Tage früh sechs Uhr ab und Amy war so vorsichtig gewesen, unsere zwei Plätze im Inneren und den ihres Bruders auf dem Dache zu bestellen. Um Mitternacht – eher fortzukommen war mir unmöglich – sollten Amy und ihr Bruder an der Tür des Gartens sein. Ein Boot sollte uns erwarten und uns nach Chester bringen, wo wir wenigstens eine Stunde vor Abgang der Personenpost anlangen mußten. Nachdem diese Verabredung getroffen war, entfernten sich Amy und Dick. Der Tag verging mit seiner gewöhnlichen Regelmäßigkeit. Ich habe oft bemerkt, daß nichts schneller vergeht als die regelmäßigen Tage oder vielmehr, wenn sie einmal vorbei sind, nichts schneller zu sein scheint, weil, da sie durch kein hervorragendes Ereignis bezeichnet werden und nur unbestimmte Erinnerungen zurücklassen, diese Erinnerungen in der grauen, monotonen Färbung eines Lebens ohne Freude und ohne Schmerzen sich vermischen.
Der Abend kam. Man brachte die Kinder zur gewohnten Stunde zu Bett. Ich aß mit Mr. und Mistreß Hawarden zu Abend und kehrte dann Schlag zehn Uhr in mein Zimmer zurück. Ich hatte die Vorsicht gebraucht, mir vorher Feder, Tinte und Papier hineinzutragen, denn ich hatte zwei Briefe zu schreiben, den einen an Mr. Hawarden, den andern an meine Mutter. Ich schrieb an Mr. Hawarden, um ihm für die Güte zu danken, die er mir bewiesen, und um ihm zu sagen, daß ich niemals das Jahr vergessen würde, welches ich so glücklich gewesen, in seinem Hause zu verleben. Infolge eines Wunsches, der mächtiger wäre, als mein Wille, würde ich jedoch nach jenem Lande der Chimären gelockt, welches man London nennt. Ich ginge, mich seinem Gebet und dem seiner Gattin empfehlend, fort wie ein Seefahrer, der in ein gebrechliches Fahrzeug steigt und in ein ihm unbekanntes Meer hineinsteuert. An meine Mutter schrieb ich, daß ich, weil ich in London bei einer reichen Dame – anderweite Auseinandersetzungen fügte ich nicht hinzu – einen ganz ausgezeichneten Platz gefunden hätte, der mir zehn Pfund Sterling monatlich eintragen würde, nach dieser Stadt abreiste. Wenn der Platz, fügte ich hinzu, wirklich so wäre, wie man mir gesagt, so würde ich nicht säumen, ihr meine Dankbarkeit für die Mühe und Sorgfalt zu beweisen, welche sie auf meine Erziehung verwendete. Ich sagte noch – und dies war auch beinahe wahr – wenn ich ihr noch nichts von diesem Platze gesagt, und wenn ich nicht persönlich von ihr Abschied nähme, so läge der Grund darin, daß ich, wenn sie mich einmal wieder in ihren Armen hielte, nicht mehr den Mut haben würde, mich von ihr zu trennen. Nachdem ich diese Briefe geschrieben, versiegelte ich sie, schrieb die Adressen darauf und fühlte mich nun ein wenig ruhiger. In einem anderen Hause hätte ich fürchten können, daß die Herrschaft sich vielleicht später zu Bett legte als gewöhnlich, oder daß ein verspäteter Arbeiter mir im Garten begegne. In Mr. Hawardens Haus herrschte aber zu große Pünktlichkeit, als daß mir ein Unfall dieser Art hätte begegnen können.
Ich hörte es elf und dann halb zwölf in der Uhr im Speisezimmer schlagen, die ebenso genau gestellt wurde wie die Mr. Hawardens in der Stadt, ausgenommen daß sie anstatt Sonnabends mittags erst Sonntags zu derselben Stunde aufgezogen wurde. Ich ließ noch ziemlich zehn Minuten vergehen. Ich küßte die beiden Kinder, welche durch die Regelmäßigkeit, womit sie schliefen, ihre unbestreitbare Abkunft verrieten. Dann öffnete ich das Fenster und stieg in den Garten hinaus, worauf ich die beiden Flügel, wenn auch nicht wieder zu schließen, doch möglichst fest anzudrücken suchte. Am Fuße des Fensters mußte ich einen Augenblick stehen bleiben. Obschon ich nicht viel zu fürchten hatte, so pochte mir das Herz doch gewaltig. Übrigens war die Nacht dunkel und seitdem ich Hawarden bewohnte, hatte ich mir wieder die kindische Furcht angewöhnt, welche die Finsternis einflößt; eine Furcht, die ich, als ich auf dem Pachthofe war und ganze Tage im Gebirge zubrachte, niemals empfunden hatte. Nach einigen Sekunden schwand diese Furcht, welche ihren Grund mehr in dem Schritt, den ich tat, als in den Verhältnissen hatte, unter welchen er geschah, aus meinem Gemüt hinweg. Meine Augen gewöhnten sich an das Dunkel. Dank dem Kies, womit der Weg bestreut war, sah ich denselben sich vor mir hinschlängeln wie ein langes graues Band.
Dieses Band führte gerade nach der Gartentür, durch welche hinaus man auf den Meeresstrand gelangte. Ich begann auf diese Tür zuzueilen. Als ich an derselben angelangt war, blieb ich stehen. Es war mir, als hätte ich auf der andern Seite der Wand sprechen hören. Es war dies jedoch durchaus nicht zu verwundern, da ja Dick und Amy mich hier erwarten sollten. Ich atmete wieder auf und fragte leise: »Bist du es, Amy?« Amys Stimme antwortete mir bejahend. Überdies hörte ich dieselbe Stimme, welche zu Dick sagte: »Sie ist es; sie ist da.« Es war augenscheinlich, daß trotzdem, was diesen Morgen verabredet worden, die beiden Geschwister gefürchtet hatten, ich würde nicht Wort halten. Ich öffnete die Tür und brauchte zu diesem Zwecke bloß den Schlüssel umzudrehen. In der Tat war wohl nie eine Flucht, welche so seltsame Resultate zur Folge haben sollte, von so wenigen romantischen Abenteuern begleitet. Hinter der Tür standen Dick und Amy. Ich bemerkte, daß Dick mit einer Kugelbüchse und mit einem Paar Pistolen bewaffnet war. Er war jetzt ein großer, starker Bursche von achtzehn Jahren, und schien viel Mut und Entschlossenheit zu besitzen. Wir machten die Tür wieder zu. Dick, der sich des Schlüssels bemächtigte, verschloß sie von außen, damit, wenn wir fort wären, niemand in den Garten gelangen könnte, und warf den Schlüssel über die Mauer. Ein kleines Boot erwartete uns, auf dem Strand liegend, in einer Entfernung von wenigen Schritten. Wir, Amy und ich, stiegen hinein. Dick schob es in das Wasser und sprang in dem Augenblick, wo es sich auf dem Meeresspiegel zu schaukeln begann, ebenfalls mit hinein. Dann bemächtigte er sich der Ruder und begann dieselben kräftig zu handhaben.
Es war, wie ich mich entsinne, in einer schönen Nacht des Jahres 1777, in der Nacht vom 15. zum 16. Juli, wo ich dieses friedliche Haus, welches ich nicht wieder sehen sollte, verließ und von allen meinen Erinnerungen der Jugend und Unschuld schied, die sich mir hinfort nur noch im Traume vergegenwärtigen sollten, so daß ich wie Francesca von Rimini sagen konnte: »Die bitterste Erinnerung im Schmerz ist die Erinnerung an die Tage des Glücks.«
Siebenunddreißig Jahre sind seit jener Nacht vergangen, aber wenn ich die Augen schließe und mich in meine Gedanken versenke, so ist es mir, als wäre es erst gestern gewesen, und ich sehe alle jene Gegenstände wieder, welche in jenem Augenblick mir ins Auge fielen und mein