Wie schaffen das die Schwäne?. Katja Pelzer

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Wie schaffen das die Schwäne? - Katja Pelzer

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      „Soll ich vorbeikommen, Mama?“ Allein die Stimme ihrer mittleren Tochter, die als einzige noch in der Nähe wohnt, beruhigt Gila.

      Die anderen beiden Töchter leben mit ihren Familien in anderen deutschen Großstädten weit entfernt. Sie sehen sich selten.

      „Du bist lieb. Danke, aber ich glaube, ich schaffe es jetzt“, antwortet Gila. „Es tat einfach gut, deine Stimme zu hören. Ich melde mich, sobald ich etwas weiß.“

      Noch bevor Hannah etwas erwidern kann, hat Gila schon aufgelegt und beginnt alle Krankenhäuser in der Umgebung abzutelefonieren.

      Gottseidank hat keines einen Patienten namens Enno Gerstner aufgenommen.

      Als Gila gerade eine der letzten in Frage kommenden Nummern wählt, klingelt es an der Wohnungstür.

      Gila läuft den kurzen Weg bis zur Tür so schnell, dass sie völlig aus der Puste ist, obwohl sie eigentlich sehr fit ist für ihre sechsundsiebzig Jahre.

      Vor der Tür stehen zwei Polizisten. Sie haben Enno in ihrer Mitte und halten ihn an je einem Arm fest, während er versucht sich loszureißen.

      „Enno“, ruft Gila und streckt einen Arm nach ihm aus.

      „Sind Sie Frau Gerstner?“, fragt der eine Polizist, ein junger Typ mit kantig-ebenmäßigem Gesicht.

      „Wer sollte ich denn sonst sein?“, entgegnet Gila gereizt und schämt sich im selben Moment für ihre ungeduldige Art. Woher soll der Knilch das auch wissen? Er kennt sie ja nicht. Aber sie will, dass die beiden jetzt sofort Enno los- und ihre Wohnung ver-lassen.

      „Wir haben Ihren Mann vor dem Rathauscenter gefunden. Er irrte dort umher und hat scheinbar nach Ihnen gesucht. Uns hat dann eine junge Frau benachrichtigt, die er wohl mit Ihnen verwechselt hat.“ Nach diesen Worten macht er eine Pause und schaut ein wenig belustigt.

      Dass diese jungen Kerle einen immer und immer wieder daran erinnern müssen, dass man alt geworden ist. Sie wundert sich doch selbst allmorgendlich über diese fremde Frau mit ihrem feinziselierten Gesicht und den müden Augen, die ihr aus dem Spiegel entgegen schaut. Die hat ja nun wirklich nichts mit der Gila zu tun, die sie einst war.

      Wenn der Polizist wüsste, was für eine Schönheit sie gewesen ist. In ihrer Jugend hätte sie jeden Mann haben können. Aber sie hat sich für Enno entschieden. Und hat es an nur sehr wenigen Tagen ihres Ehelebens bereut. Er ist immer ein guter Mann gewesen.

      Bis jetzt.

      „Danke, dass Sie meinen Mann nach Hause gebracht haben“, sagt Gila, streckt wiederum ihren Arm nach Enno aus und hofft, dass die Sache jetzt erledigt ist.

      „Gern geschehen“, sagt der andere Polizist, er ist etwas älter als sein Kollege, etwas weniger attraktiv, aber dafür etwas freundlicher. Dein Freund und Helfer, denkt Gila. Da scheint manchmal ja doch noch etwas dran zu sein.

      Sie würde ihnen an einem besseren Tag vielleicht noch einen Kaffee anbieten. Aber den Jüngeren mag sie nicht und nach dem Schrecken ist sie ohnehin zu erschöpft. Sie will, dass die Beiden verschwinden.

      Energisch zieht sie ihren Mann in die Wohnung und der lässt es geschehen. Dann schließt sie die Tür vor den Nasen der beiden Beamten. Sollen die doch denken, was sie wollen! Gila hat sich schließlich nichts zu Schulden kommen lassen. Und auch Enno nicht.

      Der wirkt ebenfalls ganz erschöpft. Sagt die ganze Zeit kein Wort. Aber jetzt tappt er zu seinem geliebten Wohnzimmerohrensessel und lässt sich seufzend hineinplumpsen. Er schließt die Augen und atmet tief durch. Dann öffnet er seine Augen wieder und lässt sie durch den Raum schweifen, wie Suchscheinwerfer, bis sie Gila gesichtet haben.

      Gila setzt sich Enno gegenüber aufs Sofa. Sie ringt sich ein Lächeln ab, nach dem ihr nicht ist. „Ich hatte dich doch längst gefunden. Warum tust du mir das an? Jetzt, wo unsere gemeinsamen Tage gezählt sind, muss ich dich wieder suchen“, sagt sie. Ihr ist zum Heulen. Trotzdem lächelt sie tapfer weiter.

      Enno schaut sie nur emotionslos an, als verstünde er den Sinn ihrer Worte nicht. Er sagt noch immer nichts. Aber in seinem Kopf ist jede Menge los.

      Lena

      Zum ersten Mal ist er ihr bei einer dieser Fridays-for-Future-Demos aufgefallen. Der lange, etwas schlaksige Typ mit den dunklen Haaren, dessen Strähnen ihm immer wieder in die dunklen Augen fallen.

      Hin und wieder hat sie seinen brennenden Blick auf sich gespürt. Wenn sie zu ihm geschaut hat, hat er schnell weggeguckt.

      Er ist in Patricks Klasse. Glaubt sie zumindest.

      Aber ihr ist lieber, dass ihr Bruder nicht weiß, dass er ihr gefällt, also kann sie ihn nicht fragen.

      Sie haben ein gutes Verhältnis, Patrick und sie, aber wenn er etwas davon mitkriegt, hat sie keine Ruhe mehr. Und außerdem wird er es dem Typen sicher weitersagen. Da ist er eben doch der nervige große Bruder.

      Seit Mama und Papa sich getrennt haben, ist er manchmal komisch und irgendwie schräg drauf.

      „Ich finde natürlich total doof, dass die Beiden nicht mehr zusammen sind. Klar! Aber wenn sie sich schon trennen, dann soll auch einer gehen“, sagt er jedoch auch. Aber nur zu Lena.

      Mama und Papa gegenüber würde er das natürlich so deutlich nicht sagen.

      Lena und Patrick kennen das ja schon von ihren Klassenkameraden und -kameradinnen. Viele Eltern sind geschieden.

      „Davon geht die Welt nicht unter,“ sagt Patrick immer. „Dass sie in den gemeinsamen vier Wänden eigene Wege gehen, finde ich voll krank. Ein klarer Cut wäre echt besser!“

      Lena hat ihn nur erstaunt angeschaut, als er das gesagt hat. Er ist so erwachsen, dachte sie, als sie zum ersten Mal ausführlicher darüber gesprochen haben, er und Lena.

      „Das muss die beiden doch krass viel Kraft kosten, sich immer noch täglich zu sehen, obwohl sie nicht mehr zusammen sind! Es gab ja offensichtlich einen Grund, warum sie sich getrennt haben. So ist es doch echt bescheuert. Nichts Halbes und nichts Ganzes“, das hat er auch noch gesagt.

      Patrick ist halt Schulsprecher. Er ist lösungsorientiert und pragmatisch veranlagt. Rational.

      Das kann Lena nur teilweise nachvollziehen.

      „Ich finde es eigentlich ganz schön, dass wir alle zusammenbleiben. Ich mag es natürlich auch nicht, wenn Mama und Papa streiten. Klar ist es schöner, wenn es zu Hause friedlich und harmonisch ist und Mama und Papa sich lieben und zusammenhalten, so wie sie sich das mal versprochen haben, als sie geheiratet haben. In guten wie in schlechten Zeiten halt.“

      Patrick nennt das „Blütenträume“. Und das nimmt Lena ihm schon übel. Sie ist ja nicht doof und auch kein kleines Kind mehr.

      Aber egal.

      Sie mag ihn trotzdem, ihren großen Bruder. Sie ist stolz auf ihn. Auch weil er Schulsprecher ist. Alle ihre Freundinnen sind in ihn verknallt:

      „Er ist so gediegen, voll fame“, hat ihre beste Freundin Matilda mal gesagt.

      Wie

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