NICHT WIEDER ROSA MOOS. Gloria Fröhlich

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NICHT WIEDER ROSA MOOS - Gloria Fröhlich

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Haut zuletzt gebraten wird, damit sie kross bleibt und nicht in dem flüssigen Fett wieder aufweicht, wenn ich dann erst die Seite ohne Haut brate. Ist doch klar! Labbrig ist sie so ein richtiger Hautlappen, wie zum Implantieren und drückt den Appetit auf Null. Es gibt Lachs auch ohne Haut.

      4. Kapitel

      Neben der Tür, durch die es auf den Flur geht, befindet sich ein hoher Nachtschrank aus Weichholz unter Farbe. Er ist größer als normale Nachtschränke und die Bezeichnung kann ich tolerieren. Nun kommt wieder meine Fantasie ins Spiel.

      Ich stelle mir eine Idylle weit draußen auf dem Land vor. Goldgelbe Kornfelder bis zum Horizont. Dazwischen Knicks aus Weißdornhecken und wildem Flieder, in denen Rotkehlchen nisten. Uralte, knorrige Eichen oder Kastanien, die ein altes Bauernhaus mit einem tief heruntergezogenen, moosbedeckten Reetdach unter ihre Fittiche nehmen.

      In meiner Vorstellung ist es etwa fünfzehn Uhr. Außer ein paar Hühnern, die nach Futter scharren oder Flügel schlagend in Staub gehüllt, ein Sandbad nehmen, rührt sich außer dem imposanten Hahn, der seinen Harem bewacht, nichts auf dem Hof. Das riesige, in tiefgrüne Farbe getauchte Scheunentor ist einen Spalt weit geöffnet. Aus dem Dunkel kriecht hin und wieder ein heimeliges Schweinegrunzen. Schwalben haben ihre Nester unter das Dach geklebt oder nisten in der Tenne und fliegen durch den Spalt in dem Tor elegant ein und aus. Sie haben eine Horde Schwälbchen zu füttern. Eine leere Schubkarre steht herum. Man ist auf den Feldern, das Vieh auf den Weiden, der Misthaufen ist riesig, wenn der Hof einem Großbauern gehört. Und es ist windstill und friedlich in der warmen Nachmittagssonne. Mein Nachttisch steht jetzt noch lange nicht bei mir, sondern noch in diesem Bauernhaus in einem dämmrigen, schlecht gelüfteten Schlafzimmer neben einem bedrohlichen, breiten Ehebett aus schwerem Eichenholz und üppig geschnitztem Kopfteil, mit bauschigen Federbetten in weißen Leinenbezügen. Zwei Paradekissen, zwei außerordentlich gelungene Handarbeitsbeweise aus der Aussteuer der stolzen Bauersfrau, mit aufwendigen Lochmustern, Hohlsäumen und gestickten Monogrammen, thronen am Kopfende. Die Wände sind mit einer tristen, hellbraunen, klein bedruckten Blümchentapete beklebt. Über dem Bett hängt ein ovales Bild mit einer Schar graziöser Elfen, die sich bei den Händen halten und in durchsichtigen, bunten Gewändern barbusig und barfüßig im taufeuchten Gras in der Vollmondnacht tanzen. Sie werden von einem gehässig grinsenden Teufelchen, das im Gebüsch kauert, beobachtet. Von der Decke hängt eine schlichte, dreiarmige Lampe aus dunklem Holz. Am Ende eines jeden Arms ist eine milchiggelbe Schale aus Glas, das mit braunen Schlieren durchzogen ist. Die Lampe gibt ein schauriges Licht, wie bei einer vollständigen Sonnenfinsternis.

      Die gesamte Einrichtung wird an die Generationen weitervererbt, die in diesem Bett, eine verpflichtende Ehewerkstatt des Paares, das sich dem Zwang gefügt und aus gut gemeinten, vernünftigen und wirtschaftlichen Gründen vor dem Traualtar die Ringe tauschte, gezeugt wurden. Und all diese Nachkommen führen nacheinander verantwortungsvoll den Hof und die Erbfolge weiter, bis niemand mehr das alte Zeug haben will. Bett und Nachtschränke, und ganz sicher gibt es auch eine passende Frisierkommode, die dann als Erinnerung erst einmal auf dem Dachboden untergebracht werden. Irgendwann landen die einzelnen Teile schließlich für’n Appel und n Ei in irgendwelchen Trödelläden. So könnte es gewesen sein. Und vielleicht gibt es den zweiten Nachtschrank ja noch, wenn er inzwischen nicht schon vollkommen verwurmt war, deswegen zertrümmert und verheizt wurde. Dann hat er für kurze Zeit wohlige Wärme gespendet. Lange vorher aber, haben beide Nachtschränke immer wieder die Farbe gewechselt, wenn sie nicht dem Zeitgeist entsprachen und die Harmonie in dem Schlafzimmer der Nachkommen oder später die neuen, fremden Besitzer störten. Die Nachtschränke haben Bäder in ätzenden Laugen hinter sich, um auch die kleinsten, störenden Farbreste aus Poren und Ritzen gründlich zu entfernen. Experten haben sie danach perfekt abgeschliffen, bis es keine Unebenheiten mehr gab und kein Splitter in eine Hand stach, von der sie gut behandelt wurden. Sie waren nicht nur Wachs in den Händen, sie wurden auch gründlich damit eingerieben und mit weichen Lappen auf Hochglanz poliert. Und dann gingen sie weg wie geschnitten Brot als begehrte Weichholzmöbel. Und schließlich, wenn sie erneut den Besitzer wechselten, dem das rohe Holz zu nackt war, bekamen sie einen neuen Farbanstrich, um zu gefallen und geliebt zu werden. Mein Nachtschrank hat eine Schublade und darunter ein Bord und auch noch ein ziemlich hohes Fach. Ich kann mir vorstellen, dass dort der Toiletteneimer untergebracht wurde, der häufig aus Porzellan war und aus triftigem Grund einen Deckel hatte.

      Als das Grab meiner Mutter aufgelöst wurde, habe ich von dem riesigen Lebensbaum, der unmittelbar an ihrem Grabstein stand, einige Zweige abgeschnitten und mit nachhause genommen. Da sie nicht verbrannt, sondern beerdigt wurde, bin ich mir sicher oder möchte es sein, dass in dem Baum etwas von ihr in einer anderen Dimension weiterlebt. Die Zweige in den Händen zu halten, war ein sonderbares, aber ein so beruhigendes Gefühl, das kaum zu beschreiben war. Seitdem gibt es den großen, ovalen, schwarzen Rahmen mit dem gewölbten Glas, den ich vor vielen Jahren aus Belgien mitbrachte. In ihn habe ich den kleinen Strauß, der sich nach und nach braun verfärbte, zusammen mit einer Fotografie von meiner Mutter in einem kleinen silbernen Rahmen so arrangiert, dass der Vers, den ich für sie geschrieben habe gut zu lesen ist. Es war mir ein Bedürfnis, sie in der Form zu ehren und ihr dafür zu danken, dass sie mir das Leben geschenkt hat. Und dieses etwa vierzig Zentimeter hohe Bild wird mich stets begleiten und hängt auch in diesem Haus in meinem Zimmer über dem Nachtschrank. Und ich denke, meine Mutter weiß, dass sie nicht vergessen ist.

      5. Kapitel

      Lüdenscheid liegt im Sauerland, und ich frage mich, was die da wollen. Es muss einen Grund geben, denn die wären doch sonst nie auf die Idee mit Lüdenscheid gekommen. Mir wurde ziemlich aufgeregt und mit einem verschmitzten Lächeln erzählt, dass es eine Überraschung werden soll. Also nehme ich an, dass sie dort jemanden kennen. Ich bin gar nicht dazu gekommen, sie danach zu fragen, weil sie in ihrem Redeschwall von einer Frau unterbrochen wurde, die uns zufällig über den Weg lief. „Wir kennen uns aus dem Landfrauenverein“, wurde ich sofort aufgeklärt. „Mit der möchte ich mich anfreunden, weil die so gut aussieht“, sagte sie. Das ist ja unglaublich, dachte ich und fragte, ob sie Doria Gray kennt. Woraufhin sie fragte, ob der auch hier in der Gegend wohnt und woher ich ihn kenne, sie hätte noch nie von ihm gehört. Da habe ich mir einen Spaß erlaubt und gesagt, dass der den Oskar Wilde sehr gut kennt. Sie zuckte nur mit den Schultern und sagte gelangweilt: „Den kenne ich auch nicht, wir haben wenig Kontakt zu Ausländern, denn das hört sich total Englisch an. Und was ist mit dem?“. Ich zögerte zunächst, doch dann sagte ich: „Ach, es gibt Zitate in dem Roman Das Bildnis des Dorian Gray. Zum Beispiel, ich wähle meine Freunde nach dem guten Aussehen, meine Bekannten nach ihrem guten Charakter und meine Feinde nach ihrem guten Verstand“. „Ach, so, der hat was geschrieben, darum kenne ich den nicht. Ja, das mit dem Verstand, das würde auch noch passen, denn clever ist die auch, ich lade sie einfach mal ein, denn wir kennen uns nur oberflächlich“. Wir waren damals endlich vor meiner Haustür angelangt und ich sagte nur: „Dann bis zum nächsten Mal“.

      Aber nun glaube ich, dass die, die überrascht werden sollen, vielleicht Leute von Sylt sind, die sie kennen gelernt hat, als sie mit ihrem Schmusi, so nennt sie ihren Mann, im Urlaub war. Sonne, Strand, Meer und Wein. Man ist ausgelassen, in einer unbedarften, redseligen Stimmung. Und da rutscht einem schon mal so ein Satz heraus wie: „Wenn ihr mal im Sauerland seid, dann kommt doch einfach mal vorbei“. So könnte es gewesen sein, denn sie fahren doch schon jahrelang immer wieder nach Sylt. Ich meine dieses Ehepaar, das ich kenne. Besser gesagt, kenne ich eigentlich nur diese Frau. Sie arbeitet in einem Frisörsalon mit integriertem Nagelstudio im Empfang und wohnt ein paar Straßen weiter in so einem spießigen Sechzigerjahre-Bungalow. Da nützt es auch nichts, wenn sie den gelben Klinker mit einer Kletterhortensie bewachsen lässt, die ewig braucht für ein paar Zentimeter mehr an Größe und Volumen im Jahr, um das zu kaschieren, wofür sie sich mit einem Krisengesicht immer wieder zu entschuldigen versucht. Ich habe Efeu gelobt, aber es hat nichts genützt, die Kletterhortensie bleibt. Wir sind nicht befreundet. Nein, wir gehen lediglich seit einem halben

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