NICHT WIEDER ROSA MOOS. Gloria Fröhlich

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу NICHT WIEDER ROSA MOOS - Gloria Fröhlich страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
NICHT WIEDER ROSA MOOS - Gloria Fröhlich

Скачать книгу

Haus vorbei, klingelt kurz, und ich komme dann sofort heraus. Sie ist ziemlich schwatzhaft, so dass ich meistens diejenige bin, die zuhört. Und dann stelle ich mir vor, wie es sein wird, wenn sie demnächst ins Sauerland fahren. Mal etwas anderes sehen wollen, als immer nur Sylt. Das verstehe ich. Und die Einladung steht ja noch, wie sie erzählte. Sie ist eine ganz Taffe, immer so springlebendig, wirkt manchmal sogar überaus zappelig, was mir manchmal etwas auf die Nerven geht. Aber, sie kann den Gruß an die Sonne perfekt und wackelt dabei kein bisschen. Und sie wird nicht einfach losfahren. Ganz sicherlich wird sie sich gründlich vorbereiten. Wie zum Yogakurs. Auch da war sie zur ersten Stunde gut präpariert, denn sie turnt und entspannt sich auf einer perfekten Unterlage, die sich leicht zusammenrollen lässt und die sie mit einem breiten Gurt über der Schulter tragen kann. Meine trage ich als Rolle umständlich unter dem Arm. Und sie hat eine Designer-Wolldecke und ein Sitzkissen, das nicht die Form verliert, wie meins. Und dazu auch noch den teuersten Yogaanzug, der im Schritt keine Falten wirft. Alles ist perfekt und auch farblich aufeinander abgestimmt. Also wird sie es sich auch nicht nehmen lassen und eine Route für die Reise ausarbeiten, nach der sie sich richten, wenn es in Richtung Sauerland geht, beziehungsweise wenn sie fahren. Mit dem Mercedes in Silbergrau, den sie geleast haben. Sie nehmen immer das neueste Modell. Dann atmet sie tief den strengen Herstellungsgeruch ein, mit dem ein neues Auto die Luft des Innenraumes schwängert. Ganz tief, weil sie diesen Duft liebt, und ich denke nur, wie eklig! Aber es gibt tatsächlich ein Raumspray mit diesem Geruch. Habe ich ihr aber nicht erzählt, weil ich es überflüssig fand.

      Eigentlich ist es so, dass ich gar nicht weiß, was ich mit ihr auf dem Hin- und Rückweg zum Yoga und vom Yoga reden soll. Sie ist ziemlich oberflächlich, man könnte auch sagen, dass sie einfach gestrickt ist. Außerdem war sie auf dem Weg zum Yoga kurz vor Weihnachten ziemlich böse auf mich, als sie mir von ihrem Arzt vorschwärmte, der eine wahre Konifere auf seinem Gebiet wäre und ich ihr heftig widersprach, indem ich behauptete, dass das überhaupt nicht sein könne. Doch, doch, sagte sie mit Nachdruck, als ich lachend wiederholte, dass er garantiert keine Konifere wäre. Sie reagierte so empört, dass sie abrupt stehen blieb und mich anstarrte und schimpfte, ich würde ihn nicht kennen, um ihn mies zu machen, und sie könnte ihn mir nur empfehlen, warum ich ihr nicht glaubte und wieso es da etwas zu lachen gäbe. Ich habe mir verkniffen, sie zu kompromittieren, dass sie ihren Arzt, der vielleicht tatsächlich eine Koryphäe auf seinem Gebiet ist, zu einem immergrünen Gehölz degradieren würde und schwieg dann mit ernstem Gesicht.

      Und natürlich will sie von der Reise noch andere Eindrücke mitnehmen und viele Fotos machen, die sie sich an Regentagen immer wieder anschaut und in der Vergangenheit hängen bleibt. „Die ist bei ihr immer viel, viel schöner als die Gegenwart“, wie sie mir verriet, weil sie ständig unter Fernweh leidet. Ihr Gatte, ich weigere mich, ihn Schmusi zu nennen, hat nur genickt, als sie ihm davon erzählte, dass sie ins Sauerland fahren würden, und sie meinte etwas verschmitzt, dass er vielleicht nicht glaubt, dass sie tatsächlich Ernst macht mit Lüdenscheid. Und ich stelle mir jetzt vor, dass sie demnächst den großformatigen Bertelsmann Hausatlas aus dem Regal holt, der im Gästezimmer mit allen anderen wichtigen Büchern zur Verfügung steht und sucht in dem umfangreichen Inhaltsverzeichnis unter „L“ nach Lüdenscheid. Sie hat es schnell gefunden und ruft ihrem Gatten trällernd zu: „Lüdenscheid liegt gleich hinter Ludendorf, Seite 122 F 2“. Der Mann schüttelt den Kopf und sagt: „Ludendorf, wo soll das sein? Das wüsste ich doch, aber davon habe ich noch nie gehört. Lüdenscheid liegt in der Nähe von Remscheid und Wuppertal, da haben wir einen Kunden“. Sie hat irgendwann durchblicken lassen, dass ihr Gatte mit Küchengeräten aller Art zu tun hat. Mit Pürierstäben, Bestecken, Sparschälern, Drahtschwämmen aus Edelstahl und mit beschichteten Bratpfannen in allen Größen und Brätern auch aus Edelstahl, und er kommt daher beruflich viel herum und scheint die Gegend gut zu kennen. Aber die Frau zwitschert: „Aber hier steht es doch. Ludendorf! Und Lüdenscheid kommt gleich als nächstes unmittelbar dahinter. Sie schaut in seine Richtung und drückt die Spitze ihres Zeigefingers auf die Stelle des Inhaltsverzeichnisses. „Hier, hier, mein Lieber, hier steht es doch, schwarz auf weiß, ich kann doch lesen“. Der Mann legt genervt die Zeitung beiseite, steht auf, ist mit drei Schritten bei ihr und beugt sich über den aufgeschlagenen Atlas. Sie muss den Kopf zur Seite biegen, damit sie beide über der Seite vom Atlas Platz haben. Der Mann sagt: „Hier, lies, Lüdenscheid ist auf Seite 130-131 E 4, das sind acht Seiten weiter. Er blättert jetzt aber erst einmal die Seite 122 auf und rutscht mit dem Finger auf F 2. „Da ist es doch, Ludendorf, da siehst du es! Ludendorf ist ein Ort direkt am Kurischen Haff und in diesem alten Atlas unter sowjetischer Verwaltung, das war vor dem Krieg noch Ostpreußen“. Er blättert die ersten Seiten im Atlas auf und sagt: „Der Atlas ist von 1960, kein Wunder. Du musst auf die angegebenen Seitenzahlen gucken und dich nicht nach der alphabetischen Reihenfolge richten, meine Güte, das ist doch wohl logisch“. Die Frau beißt sich auf die Unterlippe und wimmert entschuldigend: „Stimmt, wieso habe ich denn nicht, ach, gut, dass ich dich habe, jeder von uns kann etwas. Und weißt du, ich kann uns jetzt mal eine schöne Reiseroute zusammenstellen und nachher gibt es Spiegeleier“. Sie konzentriert sich und findet den Gebirgszug Schneifel und den Zitterwald und beschließt, dass sie zuerst über Arloff in Richtung Köln fahren, sich dann nach rechts schlagen und Rast in Halver machen und dann schwupps, geht es ab ins Sauerland. „Das ist gar nicht so weit, wie ich dachte“, spricht sie zu sich selbst. Penibel schreibt sie alles auf ein DINA5 Papier. „Schade, dass die nicht in Heidelberg wohnen, da waren wir noch nie. Da ist es sicherlich netter als in Lüdenscheid. In Heidelberg haben schon viele Studenten ihr Herz verloren und darüber gibt es doch auch ein Lied“, zwitschert sie und weiß schon, dass sie keine Antwort bekommt. Der Mann antwortet tatsächlich nicht, er liest in der Zeitung. Und die Frau sagt: „Und was hat Lüdenscheid zu bieten, das musst du doch wissen“. Der Mann legt seine Zeitung auf die Knie, sein leerer Blick wandert nach oben zum Gardinenbrett, als er sagt: „In Lünsche, so sagen die Westfalen, hat Graf Zeppelin seine Luftschiffe bauen lassen, viel mehr weiß ich auch nicht. Ja, da gibt es auch noch eine Fußgängerzone mit Läden und einen Italiener, da war ich mal Pizza essen, eine Stadt eben, wie überall mit Kino und Rathaus und so“. Und dann stelle ich mir weiter vor, wie sie an einem sonnigen Morgen aufbrechen mit Butterbroten in Frischhaltefolie, hart gekochten Eiern und einer großen Thermosflasche mit einem Heißgetränk und einer Plastikdose mit Apfelspalten. Alles ordentlich sortiert in der alten, blauen Kühltasche mit Lillifee auf der einen und mit der Eisprinzessin Elsa auf der anderen Seite. Die Frau ist in großer Vorfreude, der Mann lässt sich nichts anmerken, dass er sauer ins Sauerland fährt, weil er das Fußballspiel von Schalke Null Fünf heute Nachmittag nicht im Fernsehen verfolgen kann und konzentriert sich auf die stark befahrene Strecke, auf der an diesem Morgen nur Idioten unterwegs sind, wie er feststellt. Sie fahren durch und machen keine Rast in Halver. Die Frau holt auf der Fahrt eine Klappstulle mit Pfeffermettwurst aus der Frischhaltefolie und reicht sie dem Mann. Bei Apfelspalten winkt er genervt ab. Für sich schält sie ein extrem hart gekochtes Ei. Der Dotter ist olivgrün und krümelig. Zusammen mit dem Dottergelb sieht es so schön aus, dass sie heimlich in Erwägung zieht, sich in den Farben ein Paar Stulpen für den Winter zu stricken. Steif gesessen kommen sie in Lüdenscheid an. Die Adresse stimmt noch. Das Navi hat sie ohne Schwierigkeiten hingeführt. Natürlich ist die Frau jetzt noch viel aufgeregter, als noch vor einer halben Stunde und zieht noch mal ihre Lippen mit dem kussechten, blutroten Lippenstift nach. Sie nehmen die erste Parklücke und gehen den Rest zu Fuß. Ihre Augen suchen die Häuser nach der Hausnummer ab. Und dann stehen sie vor der Tür eines vierstöckigen, altrosa Mietshauses in einer öden Straße. „Hier ist nicht ein Baum“, stellt die Frau mit heruntergezogenen Mundwinkeln fest und schaut skeptisch nach rechts und nach links. „Wie die wohnen, das hätte ich nicht gedacht“, flüstert sie gedehnt und abwertend. „Psscht“, raunt der Mann. Und sie erinnert sich noch ganz genau an die wahnsinnig lustigen und netten Leute in ihrem Urlaub auf Sylt, als wäre es erst gestern gewesen. Die wollten eigentlich am FKK-Strand bleiben, einfach mal so ausprobieren und auch mal nahtlos braun werden, erzählte das Ehepaar ihnen, als sie am Eisstand aufeinander trafen und ins Gespräch kamen. Aber da waren ihnen dann doch zu viele Nackte, die nicht dezent auf ihren Wolldecken blieben, sondern herumhampelten, Rad schlugen, Federball spielten und so, wie sie das unangenehm berührt ausdrückten, als wäre das äußerst unanständig. Na, ja, entschuldigten sie sich, wir sind durchaus nicht prüde, aber wir haben es ja heute

Скачать книгу