Auf getrennten Wegen. Christian Linberg
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Читать онлайн книгу Auf getrennten Wegen - Christian Linberg страница 11
Droin teilte Phyria seine Überlegungen mit.
„Schaffen wir das?“
„Wenn es regnet oder schneit: Ja. Sonst wird es schwer.“
„Wegen des Wassers?“
Er nickte. Ganz ohne Verstand war sie also nicht: „Schnee ist besser. Zur Not tut es auch Regen. Verstehst Du nun, warum wir die Anderen nicht suchen können? Wir müssen los, sobald es geht.“
„Ist euer Leben immer so?“
Phyria fühlte sich ziemlich überfordert von der schieren Fülle an Möglichkeiten. Sie konnte alles tun, doch wie man daraus das Richtige auswählte, war ihr ein Rätsel.
„Du meinst abwechslungsreich?“
„Ich dachte eher an ungewiss.“
„Beides ist richtig. Das ist es, was dem Leben die Würze verleiht. Oder Du bleibst ein Schaf, dem man sagt, wo es grasen darf – bis man es schlachtet.“
Phyria musste an ihre Schafe denken, Sie waren sicher glücklich gewesen, besonders weil es bei ihnen nur um Wolle gegangen war – meistens zumindest. Geschlachtet werden, wollte sie selbst aber nicht.
Trotzdem, die Unbedarftheit hatte etwas Verlockendes.
„So denken Viele. Warte, bis Du mehr von den fantastischen Orten unserer Welt gesehen hast. Wer einmal von der Reiselust gekostet hat, wird niemals davon geheilt werden.“
Anscheinend hatte sie ihre letzten Gedanken laut ausgesprochen.
Sie war sich nicht sicher, ob sie dafür geschaffen war. Eine Wahl gab es für sie im Augenblick jedenfalls nicht.
Also tat sie, was sie in einem solchen Moment bisher immer getan hatte, wenn sie nicht weiterwusste: „Bring mir alles bei, was ich wissen muss.“
Droin nickte schlicht: „Lektion Eins: Wenn Du zu langsam lernst, bist Du tot. Und jetzt los.“
Er fasste seine Waffen fester: „Wir bekommen Gesellschaft.“
1 - 10 Nicht gestorben -
Überrascht registrierte Kmarr, dass er anscheinend nicht gestorben war. Dafür war er in einer undurchdringlichen Dornenhecke gefangen und ein kleines Feuer brannte neben ihm.
Der Ast, der ihn durchbohrt hatte, diente dabei als Brennholz. Zuerst wusste er nicht, was ihn geweckt hatte, doch dann ließ ihn das wütende Kreischen einer Horde Blutbäume zusammenzucken, die vergeblich an der Hecke rüttelte. Die winzige Bewegung sandte Wellen aus Schmerz durch seinen Körper. Ein Knurren war alles, was ihm entwich. Die Verletzung würde ihn noch immer töten, sobald er sich bewegte. Immerhin würden ihn die Bäume nicht bekommen. Doch das war kein sonderlicher Trost. Er würde verhungern oder vorher krank und schwach verenden, nicht stolz und aufrecht, wie ein Krieger. Er knurrte wütend. Dieses Mal so laut, dass sich auf einmal noch jemand bewegte.
Anaya hob soeben verschlafen den Kopf: „Gut, Du bist wach. Nicht bewegen, der Rest des Astes steckt noch drin.“
„Hab ich bemerkt“, keuchte er.
„Ich werde ihn glätten, damit er nicht bricht, oder sich Splitter lösen.“
„Du verstehst es, mir die angenehmen Seiten des Lebens schmackhaft zu machen.“
„Besser ich als Drakkan.“
Wieder besseren Wissen musste Kmarr lachen.
Schmerzen zuckten durch seinen Körper, die das Gelächter in ein abgehacktes Keuchen verwandelten.
„Du hast angefangen“, erwiderte Anaya, als er wieder halbwegs Luft hatte.
Sie kniete sich hinter ihn, eine Hand auf dem Ast, eine auf seiner Schulter.
Ein leiser Singsang lullte Kmarr in einen dämmrigen Halbschlaf, doch jede Bewegung des Astes rief wieder neue Agonie hervor, die sich immer weiter steigerte, ohne dass er etwas dagegen machen konnte. Seine Muskeln zitterten und was immer Anaya tat, es fühlte sich so an, als würde jemand ein Schwert in seinen Eingeweiden immer wieder hin und her drehen.
Bittere Galle sammelte sich in seinem Mund. Sein Fell klebte vom Schweiß und Dreck
Von seiner Position aus unsichtbar, spürte er trotzdem, wie Blut aus beiden Wunden rann.
Anaya arbeitete unterdessen konzentriert und schnell. Sie wusste, dass Kmarr nicht mehr lange durchhalten würde. Sie griff auf den enormen Vorrat an Lebenskraft zurück, den sie trotz der Hecke überall um sich herum spürte. Narfahel mochte als verlorene Provinz gelten, ohne Leben war sie deshalb keineswegs.
Der alte Ast ließ sich anfangs nur schwer wecken. Ein kleines Rinnsal neuer Lebenskraft fand nur langsam den Weg hinein. Im Rhythmus ihrer Herzschläge kehrte das Leben zurück. Aus dem Boden sog er sich schon bald mit Wasser voll. Dadurch wurde das Holz weicher und biegsam. Anaya nutzte dies, indem sie Sprösslinge entfernte. Abzweigungen zurück bildete und allmählich die gesamte Rinde glättete. Dabei beobachtete sie Kmarr genau. Beim ersten Anzeichen großer Schmerzen hielt sie inne, bis er sich wieder beruhigt hatte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit beendete Anaya ihre Arbeit. Kmarr bemerkte es jedoch nicht sofort. Er war in einem Dämmerzustand versunken.
„Fertig?“, mühte er sich zu sagen, als er endlich registrierte, dass sie längst dabei war, zwei Verbände vorzubereiten.
„Nö, keine Lust mehr.“
„Natürlich nicht. Der Ast ist doch noch da. Oder soll ich mal probehalber daran ziehen, damit Du das merkst?“
„Nicht lustig. Wie ist der Plan?“
„Ich ziehe Dich runter, dann verbinde ich die Wunden. Deine Aufgabe ist einfach: Du stirbst nicht.“
„Guter Plan.“
Anaya hielt nichts davon, die Wahrheit mit schönen Worten zu verschleiern, wenn es um Leben oder Tod ging. Während sie Kmarr antwortete, sah sie ihm daher direkt in die Augen.
„Wie?“
„Sieh zu und staune“, erwiderte sie schnippisch.
Sie stellte sich von ihn, genau an den Rand der Hecke, die sie beide umgab. Ihre Schuhe hatte sie bereits ausgezogen, so dass sie barfuß im eisigen Matsch stand.
Was sie vorhatte war schwierig und kraftraubend. Sich mit Tieren zu verbinden, war ihr stets leichtgefallen, doch Pflanzen waren etwas anderes. Sie waren ihr fremd, so dass sie nur selten auf deren Fähigkeiten zurückgriff.
Sehr langsam versenkte sie ihren Geist in den Erinnerungen an den Wald ihrer einstigen Heimat.
Mächtige Buchen, ehrwürdige Steineichen, langblättrige Uferweiden, Erlen, Ulmen, Eisenbäume, Dornstelzen mit ihren schmackhaften Wurzeln, Feuerblatt mit dem herrlichen Laub, das auch im Sommer in Rot und Orange zwischen den anderen Bäumen leuchtete. Sie fühlte ihre raue Rinde unter ihren