Der Bogen in die Zukunft. Helmut Lauschke

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Der Bogen in die Zukunft - Helmut Lauschke

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diese Zeit hatte Dr. Ferdinand seine Füße und Gedanken gesetzt. Sollte doch die Renaissance auch für ihn gelten, der nicht in Afrika geboren und aufgewachsen war, sondern vom Gesicht und der Haut ein Europäer war. Er hat seit über zehn Jahren sein Leben und Können für die kranken und verletzten Menschen im Norden des Landes eingesetzt, wo er als Arzt und Chirurg an einem Krankenhaus etwas mehr als dreißig Kilometer südlich der angolanischen Grenze arbeitet. Dr. Ferdinand hat die letzten Jahre der weißen Apartheid und die letzte Entscheidungsschlacht miterlebt, die die Arbeit an den schwarzen Menschen sehr erschwert hatten. Er erinnert sich an den Ausspruch des südafrikanischen Brigadiers in einer Morgenbesprechung im Dienstraum des Superintendenten, dass bei der Entscheidungsschlacht für die Weißen viel auf dem Spiel stehe. Der Brigadier sagte auch, dass er wie alle Weißen auf dem Pulverfass säßen, das jederzeit hochgehen könne.

      Die Entscheidungsschlacht war vorüber, und das weiße Kommandoschiff war gesunken. Das neue Schiff mit den schwarzen Masten und der schwarzen Besatzung hatte angelegt. Ob im Bauch dieses Schiffes alles aufgeräumt war, ließ sich nicht sagen. Es sind die Aussagen ehemaliger Freiheitskämpfer, die an Bord des Schiffes zurückgekehrt waren. Sie sagten, dass da noch manches herumlag. Es sind jene Kämpfer, die im Exil waren und aus dem Exil heraus die Freiheit Quadratmeter für Quadratmeter ins Land hinein gekämpft hatten. Dr. Ferdinand hat die letzte Entscheidungsschlacht durch die verschmierten, eingeschlagenen und sonstwie aus den Rahmen gesprungenen Scheiben des Hospitals verfolgt. Er hatte die Schlacht mit den Vibrationen und großen Erschütterungen aus der Nähe miterlebt, wenn er an den Krankenbetten stand und nach den Patienten sah oder bei den Operationen war, als ihm nicht nur einmal ein mächtiger Knall auf die Trommelfelle schlug. Dabei fielen ihm die Instrumente aus der Hand, und der Instrumententisch rollte mit den klappernden, auf- und abspringenden Instrumenten vom OP-Tisch davon.

      Die Nähe zum Geschehen bei der täglichen Arbeit blieb, als die neue Mannschaft an Land gegangen und in die Zentren der Macht geeilt war. Sie nahm die Entscheidungshebel schnell aus den weißen Händen und hielt sie seitdem fest im Griff. Viele, die da auf dem Weg zur Macht und den hohen Positionen waren, unterbrachen für kurze Zeit die Fahrt mit dem Auto und statteten dem Hospital einen Erkundungsbesuch ab. Dort wurden sie vom ärztlichen Direktor und dem Superintendenten, beide vom Übermaß an Melanozyten gesegnet, brüderlich begrüßt und über den letzten Stand der Dinge informiert. Der Wunsch nach einer afrikanischen Renaissance im Sinne der schwarzen Wiedergeburt war zu spüren. Dem Beobachter der Besuche fiel die Zielstrebigkeit und Zielsicherheit der Männer und Frauen auf, die auf ihrer Fahrt zur Machtzentrale den Abstecher zum Hospital machten.

      Bei der Betrachtung ihrer Gesichter gab es keine Zweifel, dass es ihnen um Macht und ein besseres Leben ging. Ob sie beim Trachten nach dem besseren Leben auch an die Menschen im Lande dachten, die nicht im Exil waren, dafür aber die Armut und das grenzenlose Leid im Lande erlebt und durchlitten hatten, das war ihren Gesichtern weder anzusehen noch aus ihren Worten herauszuhören.

      Dr. Ferdinand verschließt die Bauchdecke eines Mannes, der nicht alt war, aber von einem Tumor verzehrt wird, der vom Magen ausgeht und den angrenzenden Querdarm befallen hat. Wie schon so vielen Patienten davor würde ihm das Schicksal in naher Zukunft den Schlussstrich des Lebens ziehen. Da konnte man chirurgisch nicht gegen ankommen. So ist die Operation nicht mehr als ein Öffnen und Schließen der Bauchdecke. Beim Schließen der Bauchdecke geht ihm der alte Mann mit dem fortgeschrittenen Magenkarzinom durch den Kopf, der nach der Operation mit der Hand über den Bauch streicht und spürt, dass sich nichts verändert hat. Von diesem Moment an hat der alte Mann mit dem Leben abgeschlossen und hält die Augen geschlossen. Er will sich am Ende seines Lebens von niemandem mehr stören lassen, auch nicht vom Arzt, dem er sich vergeblich anvertraut hatte.

      “Haben Sie mal etwas von dem freundlichen Kollegen gehört, der hier in Leutnantsuniform der südafrikanischen Streitmacht seinen Dienst getan hatte?” Das fragt die Schwester hinter dem Instrumententisch, als Dr. Ferdinand den Nähfaden nach Verschluss der Faszienblätter der Bauchdecke knüpft. “Meinen Sie Dr. van der Merwe?” Es ist ein Name, den Dr. Ferdinand nicht vergessen wollte. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein hervorragender junger Mensch und Arzt, der auf seine Uniform keine Rücksicht nahm, wenn er am Patienten arbeitete. Dazu kommt, dass Dr. van der Merwe wie ein Freund gewesen war, als Dr. Ferdinand unsicher die Füße auf den afrikanischen Boden setzte. Oft hat er seine Hilfe angeboten, damit Dr. Ferdinand als Neuling der afrikanischen Verhältnisse keine weichen Knie bekam. Es war der schonungslos wütende Krieg mit der Vielzahl an Verletzten und die internen Querelen und Intrigen, die die Sicht des Dr. Ferdinand getrübt hatten. An manchen Tagen war die Trübung so stark, dass ihn die Depression erdrückte und er nicht wusste, wo vorn und hinten war. “Dr. van der Merwe ist kurz vor dem Abschluss der Spezialisierung als orthopädischer Chirurg. Er ist glücklich verheiratet mit seiner lieben Frau, mit der er zwei Kinder in die Welt gebracht hat. In seinen Briefen erwähnt er jedes Mal das Hospital, in dem er viel gelernt habe, und richtet Grüße an die Schwestern aus, mit denen er zusammengearbeitet hat.”

      Ein Lächeln glättet das Gesicht der Schwester, die diesen Arzt in guter Erinnerung behalten hat, weil er für die Menschen in der schweren Zeit des Krieges ein Arzt mit menschlichem Antlitz war. “Dieser Arzt war anders als die anderen Ärzte in Uniform. Alle haben ihn geachtet, weil er ein gutes Herz für die Menschen hatte und voll in der Arbeit an ihnen aufging. Bei ihm störte es nicht, dass er die Uniform der Besatzer trug, weil unter der Uniform der gute Mensch zu spüren war.” Das sagt die Schwester hinter dem Instrumententisch, bevor sie Pinzette und Nadelhalter mit Nadel entgegennimmt.

      Als Dr. Ferdinand das ‘theatre’ verlässt, war Mitternacht überschritten. Er zieht sich die verschwitzte OP-Kleidung vom Körper, reibt den Schweiß mit einem trockenen OP-Hemd ab, zieht das Zivile an, fährt mit den Fingern durchs nasse Haar und macht sich auf den Rückweg zur Wohnstelle. Er hofft, für die letzten Stunden noch etwas Schlaf zu finden.

      Die Anstrengung soll für sich selbst sprechen

      Demut macht Menschen zu Engeln (Augustin von Hippo). Manchmal müssen Menschen Dinge von niederem Wert verlieren, um etwas von höherem Wert zu bekommen. Ohne ein Wort sollte deine Anstrengung für sich selbst sprechen. Tue gut ungeachtet ob schwach oder hell, du musst nicht angeben mit großen Worten. Die Jüngeren wünschen Vertrauen, die Älteren suchen nach Weisheit in der Demut. Zwei Dinge im Kontrast: Deine Geduld, wenn du nichts hast, und deine Haltung, wenn du alles hast.

      Wenn Menschen etwas von niederem Wert verloren haben, dann wird gehofft, dass sie etwas von größerem Wert gewinnen. Denn es ist verständlich, dass nichts ist frei erhältlich, aber der Verlust großer Werte ist, wie die Zeit zeigt, die Katastrophe, die mit derzeitigen intellektuellen Instrumenten kaum hantiert werden kann, weil die mentalen Störungen aufgrund des mangelnden Wissens aus der Hand gehen.

      Es ist die Anstrengung dis Arbeit zu tun, die die Wahrheit sprechen sollte, denn die verbleibende Stille ist oft näher zur Bedeutung, dass der Geist der Absicht seine Sprache der Stärke und Erfüllung der Aufgabe spricht, die ihm der große Schöpfer gegeben hat. So berührt Zeit den zeitlosen Raum in der Gestaltung des Vorgangs, die mit dem Anlegen der Asymptote an den Kreis des Glücks einhergeht.

      Weisheit ist in der Demut und das mehr als im gesprochenen Wort, was Grund ist, dass du nicht durch Hörkontrolle dich wichtig nehmen must, was Demut zu sein hat, weil das eine groß ist, während du klein bist, um eine Rede über diese Größe abzugeben. Denke mehr und sprich weniger, dann gehst du in die richtige Richtung in den universalen Raum der endlosen Dimensionen.

      Nicht weit vom Kreis des Glücks ist der andere Kreis der gegenteiligen Dinge wie Unterdrückung, Schmerz, Trauer und Einsamkeit. Häftlinge kamen zurück von den Arbeitslagern im Zustand der schwersten Erschöpfung und von Hunger, viele fühlten sich verloren und nahmen sich das Leben. Diese Menschen haben die Sprache verloren, um von den Gräueltaten zu berichten, durch die sie

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