Sahra und Malek. T.D. Amrein
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Doktor Holoch wurde regelmäßig gerufen, um beispielsweise Hämatome, die von Schlägen stammen konnten, zu beurteilen. Und selbstverständlich bei jeder Art von Stich- oder sogar Schussverletzungen.
Bei Sahra handelte es sich zwar um eine Brandwunde. Allerdings, eine so tief greifende Schädigung hatte Elke noch nie gesehen. Es konnte sich möglicherweise um eine Schweißflamme gehandelt haben, vermutete sie. Aber woher stammten dann die vielen Einschlüsse, die eher auf Schwarzpulver schließen ließen? Das kannte Elke vorwiegend von Feuerwerk. Oder als Streuspur bei Verletzungen durch Vorderlader. Jedoch eine Bleikugel hätte die Hand vermutlich durchschlagen.
Der eintretende Pathologe unterbrach ihre Gedanken. „Ach Sie sind schon hier, Frau Doktor Steiger. Wie schön, Sie wieder mal zu sehen!“
Elke erwiderte den Gruß und erhob sich. Sie kannte das Verhalten von Doktor Holoch. Er war äußerst charmant, ließ sich jedoch niemals auch nur im Geringsten auf eine andere Person wirklich ein. Jedenfalls nicht auf ein lebendiges Exemplar. Er beschränkte sich auf Komplimente und schmeichelte sehr gern. Dahinter lag eine unsichtbare Grenze. Elke war nicht die Erste gewesen, die sich Hoffnungen hingegeben hatte, den Eisblock Holoch antauen zu können. Seine Kompetenz als Pathologe schmälerte das jedoch nicht. Tröstlich blieb höchstens, dass es offenbar auch noch keiner anderen gelungen war, zu ihm durchzudringen.
Holoch musterte kurz die Patientin, bevor er nach ihrer Hand griff. „Weiß man, wer sie so verunstaltet hat?“, brummte er als Erstes.
Elke schüttelte den Kopf. „Sie ist nie aufgewacht seit ihrer Einlieferung. Der Mann, der sie gebracht hat, ist offenbar nur ein Bekannter. Sie soll einen Sohn haben, aber der ist auf hoher See.“
„Flamme mit konzentrierter Wirkung, würde ich sagen. Praktisch direkt aufgesetzt. Jedoch die Sprenkel stammen mit ziemlicher Sicherheit von Pulverpartikeln. Möglicherweise ist die Verletzung nicht auf einmal entstanden. Und sie wurde anfangs nicht fachgemäß versorgt, denke ich.“
Elke nickte. „Genau meine Interpretation. Bloß, verschiedene Ursachen hatte ich nicht vermutet. Aber Sie haben wahrscheinlich recht. Die ganze Zeit zerbreche ich mir den Kopf, welche Explosion eine so konzentrierte Hitze nur auf einen Punkt erzeugen könnte.“
„Na ja, wenn sie die Hand über einen Feuerwerksvulkan gehalten hätte?“, überlegte Holoch laut.
Elke verzog das Gesicht. „Daran hatte ich erst auch gedacht. Aber dann müsste die Streuung doch größer sein. Und ohne irgendwo sonst, am Handgelenk oder wo auch immer, kleine Verbrennungen durch Spritzer zu erleiden, scheint mir das kaum möglich.“
„Wenn sie nicht durch Schutzkleidung bedeckt war“, warf Holoch ein.
„Natürlich, Herr Doktor“, gab Elke nach.
Holoch betrachtete weiter die Wunde. „Was könnte ganz ähnlich sein, aber deutlich mehr Brisanz entwickeln?“
„Ich habe Ihnen eine ganz frische Probe für ihr Labor abgenommen, Herr Doktor.“ Sie zeigte ihm eine Schale mit den Rückständen, die sie gerade abgeschabt hatte. „Vielleicht hilft das weiter.“
„Danke, das ist nett, Frau Steiger. Aber ich überlege gerade …“ Er wog den Kopf. „Ich habe da einen Fall auf dem Tisch, in dem eine Rauchpetarde, also eine richtige, so ein Teil aus dem Krieg, eine Rolle spielt. Zeitlich, hm, vor gut zwei Tagen. Könnte hinkommen.“
Plötzlich hatte Holoch es eilig. „Sie hören von mir, Frau Kollegin, danke sehr für die Probe!“
***
Am nächsten Morgen, Kommissar Krüger erwartete eigentlich Michélle zu der geplanten Besprechung, klopfte Doktor Holoch bei ihm an.
„Einen besonders schönen guten Morgen!“ Holoch schien bester Laune.
Der Kommissar nickte bedächtig. „Ihnen auch, Herr Doktor. Ich bin aber noch nicht ganz so weit. Gerade erwarte ich Frau Guerin, um ihre Meinung anzuhören.“
Der Doktor winkte ab. „Darüber können wir uns später unterhalten. Ich habe eine völlig neue Spur. Ich gehe davon aus, ein weiteres Opfer in der Sache Hahnloser gefunden zu haben!“
„Wie, ein weiteres Opfer? Eine andere Leiche?“
„Eine Verletzte, Herr Kommissar, keine Tote.“
„Setzen Sie sich doch Herr Doktor! Haben Sie mit der Zeugin oder der Verletzten sprechen können?“
„Ja, danke. Also nicht direkt.“
„Nicht direkt?“, wiederholte Krüger. „Was darf ich mir darunter vorstellen, Herr Doktor?“
Krüger konnte seine Skepsis kaum verbergen.
„Ich wurde zu einer Beurteilung in die Uniklinik gerufen“, begann Holoch. „Dabei ist mir eine Verbrennung aufgefallen. Diese Brandwunde stammt mit Sicherheit von der gleichen Rauchpetarde, die wir im Wagen von Hahnloser gefunden haben. Ich verfüge zwar erst über die vorläufigen Ergebnisse des Labors. Aber die Umstände sind klar. Frau Kruse war vor Ort, als die Petarde abbrannte!“
„Frau Kruse“, wiederholte Krüger. „Sie verweigert die Aussage?“
„Nein, wieso?“
„Sie haben nicht direkt mit ihr gesprochen, sagten Sie zu Anfang, Herr Doktor.“
„Hatte ich nicht erwähnt, dass die Patientin im Koma liegt?“
„Nein, hatten Sie nicht, Herr Doktor“, erklärte Krüger freundlich.
Inzwischen hatte sich Michélle eingefunden und hörte, im Türrahmen stehend, zu.
Holoch hatte sie noch nicht bemerkt. „Leider sind ihre Aussichten nicht besonders erfreulich“, fuhr er fort. „Erstens ob sie überhaupt wieder aufwacht und zweitens in welchem Zustand. Sie könnte durch die schwere Blutvergiftung Hirnschädigungen erlitten haben, und die Hand wird man ihr wahrscheinlich amputieren müssen.“
„Das ist ja schrecklich!“, meldete sich Michélle. „Die arme Frau. Ohne Hand ist man nur ein halber Mensch.“
„Guten Morgen, Madame Guerin.“ Holoch nickte ihr aufmunternd zu. „Die Amputation ist wahrscheinlich das kleinste aller Übel, die Frau Kruse drohen, Madame“, stellte er fest. „Bedauerlicherweise!“
„Können Sie uns noch etwas genauer erläutern, wie Sie zu Ihren Schlussfolgerungen gelangt sind, Herr Doktor“, bat Krüger.
„Aber gern. Da war gleich die Erkenntnis, dass eine solche Verbrennung kaum eine übliche Ursache haben kann. Ich zog deshalb mehrere Möglichkeiten in Betracht …“
***
Krüger machte sich mit Michélle und Erwin Rohr auf den Weg zu der Adresse von Frau Kruse, die Holoch schließlich auch noch herausgerückt hatte. Natürlich erst nach Beendigung seines Vortrages. Den Doktor hatte er mit Nachdruck gebeten, sich zur Verfügung zu halten, aber nicht direkt mitzukommen.
Dass es sich um eine Bestattungsfirma handelte, stellten Krüger und seine Begleiter erst fest, als sie den Ort erreicht hatten. Schon fast zu idyllisch gelegen,