Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser - Gerstäcker Friedrich страница 6
„Herr Gott von Danzig,“ mischte sich der Schuster, der bis dahin ziemlich still und vor sich hinbrütend gesessen hatte, mit in das Gespräch, „Was die Kerle da oben an Deck herumtrampeln und einen Spektakel machen, als ob sie die Planken durchtreten wollten. Das tun sie uns doch nur justament zum Possen, gerad' über unseren Köpfen hin.“
„Ich will einmal hinaufgehen und zuschauen, wie's oben aussieht,“ sagte der Schneider, indem er aufstand und seinen Hut hinter sich von der Kiste nahm; „wenn der Koch nur noch heiß Wasser in der Kombüse hätte, dass man sich einen Grog machen könnte – auf den Schreck und die Nässe wär' der famos.“
„Donnerwetter, ja, Heidelberger, versuchen Sie's einmal“, rief der Schuster, von dem Gedanken ergriffen, „wenn Sie dem Burschen ein paar Groschen in die Hand drücken, tut er's auch, und nachher legen wir zusammen.“
Der Schneider stieg mit dem doppelten Auftrag an Deck, und das Gespräch drehte sich unten indessen um allerlei häusliche Angelegenheiten, umgestoßene Senfbüchsen, ausgelaufene Milch- und Essigkrüge, zerbrochene Flaschen und Tassen und durchweichten Zwieback. Nur die Frauen drängten sich noch einmal ängstlich heran, wenn das Schreien und Stampfen der Matrosen an Deck gar zu arg wurde, und wollten wissen, ob der Sturm wieder angefangen hätte zu wehen. Von den Männern wurden sie aber gewöhnlich kurz abgefertigt, und die meisten waren auch durch das erneute Schaukeln zu unwohl geworden, sich in lange Gespräche einzulassen – wenn die Matrosen an Deck nur nicht gar solch' entsetzlichen Spektakel gemacht hätten!
Oben an Deck wurde jetzt die große, vorn hängende Schiffsglocke in regelmäßigen Schwingungen angezogen, während zugleich Heidelberger, der Schneider, wieder nach unten kletterte, mit dem einen Fuße von der Leiter ab vorsichtig nach seiner Kiste fühlte und dabei sagte:
„Herr du meine Güte, ist das eine Finster und ein Nebel da oben; keine Hand kann man vor Augen sehen.“
„Vierzehn, fünfzehn, sechzehn, siebzehn, achtzehn –“ zählte der Lohgerber – „an was schlagen die denn da oben an? Die Uhr ist wohl mit ihnen durchgegangen.“
„Nein“, sagte der Schneider, der an Deck zufällig gehört hatte, wie der Befehl dazu gegeben wurde, „das ist immer bei Nebel und soll nur ein Zeichen sein, dass wir mit keinem andern Schiff zusammenrennen.“
„Wie sieht es denn oben aus, Herr Heidelberger?“ fragte die Frau des Instrumentenmachers, ein junges, blühendes Weibchen, die eben ihr Kind beruhigt hatte, aber aus Sorge selber nicht schlafen konnte.
„Stockpechrabenschwarze Dunkelheit, verehrte Madame Halter“, erwiderte Heidelberger achselzuckend, „man kann nicht einmal bis dahin an die Masten hinauf sehen, wo die Stücken abgebrochen sind; kein Stern am Himmel, keine Ecke Mond, kein Leuchtfeuer mehr zu sehen – blos noch Licht in der Kombüse und am Kompass –“
„Nun, kriegen wir heiß Wasser?“ fragte der Schuster schnell.
„Der Koch bringt's selber herunter“, lachte Heidelberger, „der trinkt auch gern einen Schluck und will die Gelegenheit nicht unbenutzt vorüberlassen. Sie sind gleich fertig mit ihren Arbeiten, und dann hat er „seine Wacht zur Koje“, wie er sagt. Es geht übrigens kein Lüftchen mehr oben, und die Segel hängen wie Lappen am Mast herunter.“
„Das wär' bös!“ sagte Meier, jetzt zum ersten Mal wieder aus seiner Ecke aufstehend und ebenfalls an Deck kletternd.
„Bös?“ brummte der Schuster hinter ihm drein. „Jetzt seh' einer den Holzkopf an; ärgert sich, weil es still geworden und der Sturm nicht gekommen ist, den er prophezeit hat – alter Barometermacher, der.“
„Ach, lass ihn gehen,“ sagte aber Heidelberger, „wir wollen lieber unterdessen alles zum Grog zurechtmachen, bis der Koch mit dem Wasser kommt – er meinte, der Kapitän müsste nur erst von Deck sein, dass er nicht etwa 'was merkte. Vor dem Alten hat er einen heillosen Respekt.“
Oben an Deck wurde es jetzt ruhig – es war wirklich so dunkel, dass sie keine weitere Arbeit vornehmen konnten. Was sich von den abgeschlagenen Spieren und dem Takelwerk bergen ließ, lag an Deck, die Segel, die jetzt angebracht werden konnten, standen, den geringsten wiederkehrenden Luftzug zu fangen, und alles Weitere musste bis zu dem dämmernden Tag verschoben werden, wo sich der erlittene Schaden dann freilich erst ordentlich übersehen ließ. Nur die eine Beruhigung hatten sie, dass sich kein Wasser im Raum fand. Der Schlag, der die Stengen über Bord jagte und das ächzende Schiff bis in seinen Kiel hinab erschütterte, hatte nicht vermocht, die Nähte zu trennen oder zu lockern, und sie durften hoffen, am nächsten Tag einen Hafen irgendwo an der englischen Küste anzulaufen um dort den erlittenen Schaden wieder auszubessern. Freilich musste das die Reise um Wochen lang verzögern.
Wie still und unheimlich das auf dem Wrack jetzt aussah, mit den an Bord geholten gebrochenen und zersplitterten Hölzern, den zerrissenen Segeln und wirr durcheinander geschlungenen Tauen, und wie das klappte und schlug von noch locker hängenden Enden und losgegangenen Blöcken, die mit dem faulen Schlingern des Schiffes, das keinen Widerhalt im Wind mehr fand und auf den Wogen herüber und hinüber taumelte, an die Maststumpfe und großen Rahen klopften. Dick und schwer lag dabei ein dicker Nebel auf dem Wasser, dass man nicht einmal von Bord zu Bord des eigenen Schiffes sehen konnte, und was dabei das Schlimmere war: Er verdeckte auch das Licht der Leuchttürme, das Einzige, wonach der Kapitän im Stande gewesen wäre den Platz jetzt zu bestimmen, wo er sich gerade befand, und die Strömung zu erfahren, die ihn, wie er fast fürchtete, dem südlich gelegenen flachen Lande zu setzte. Hierüber mussten sie sich aber Gewissheit verschaffen, und die war auch außerdem durch das Senkblei zu bekommen.
Mit dem kleinen Lot erreichten sie allerdings noch keinen Grund, das größere ergab jedoch eine Tiefe von fünfzig Faden, und als sie das Senkblei einige Sekunden auf dem Boden liegen ließen, fanden sie ihre Befürchtung der Strömung wegen allerdings begründet, denn das Schiff trieb über die Leine hin, nach Südosten zu. Trotzdem ließ sich für den Augenblick nichts weiter tun, denn das Wasser war zum Ankern zu tief und das Ankern selber auch für sie gefährlich. Die Brise konnte nicht mehr lange ausbleiben, dann verzog sich auch aller Wahrscheinlichkeit nach der Nebel, und ihr einziges Streben musste jetzt sein, so rasch als möglich einen Hafen zu erreichen. Das Schiff selber war dicht und unbeschädigt, und die paar Hölzer und Segel ließen sich dann bald wieder herstellen.
Fortgang machten sie indessen fast gar nicht, höchstens vielleicht eine oder zwei englische Meilen die Stunde; nichtsdestoweniger wurde vorn am Bug die Glocke zeitweilig angeschlagen, ein mögliches Zusammenstoßen mit einem andern Schiff, dem sie kaum hätten ordentlich ausweichen können, zu vermeiden.
Der Kapitän hatte jetzt seine Wacht zur Koje und ging nach unten. Was geschehen konnte, war geschehen, und sie durften ihre Kräfte nicht vor der Zeit aufreiben, da man allerdings nicht wissen konnte, was dem arg beschädigten Schiff noch bevorstand. Der Steuermann, der mit seiner Wache an Deck blieb, hatte aber strenge Ordre, das Senkblei von Zeit zu Zeit auswerfen zu lassen, sowie bei einer Veränderung der Witterung, oder sonst etwas Auffälligem, den Kapitän augenblicklich zu wecken und davon in Kenntnis zu setzen.
„Na, da kommt er endlich!“ rief unten im Zwischendeck Heidelberger, als der Koch, ein eben nicht besonders reinlich aussehender Bursche, mit einem großen dampfenden Blechgefäß in der Hand, rasch die schmale Treppe, die in der Vorderluke lehnte, herabstieg, sich die Mütze dann abnahm und den Schweiß von der triefenden Stirn mit einem rotbaumwollenen Tuche abtrocknete.
„Hurrah,