Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser. Gerstäcker Friedrich

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Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser - Gerstäcker Friedrich maritime gelbe Buchreihe

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Maul zu halten“.

      „Hol' euch doch der Henker hier mit eurem ewigen Brüllen!“ knurrte er dabei; „muss es denn immer gleich das ganze Schiff wissen, wenn man euch einmal einen Gefallen tun will? – Und dann werdet ihr überdies nicht mehr lange zu hurrahen haben – beten wär' euch besser und nützlicher.“

      Der Koch war ein mürrischer, finsterer Gesell, trotzdem aber mit einem ziemlichen Teil trockenen Humors begabt, der ihn schon bei seinen Passagieren sehr beliebt gemacht hatte. Auch kochte er nicht übel und verstand die Behandlung einer Auswanderungsküche aus dem Fundament. Nur mit der Reinlichkeit sah es nicht besonders aus, und das in tausend kleine bewegliche Falten gezogene Gesicht ließ ihn dabei immer noch schmutziger erscheinen, als er vielleicht wirklich war. Der einzige Fehler nur klebte ihm an: er trank und ließ sich auch deshalb mehr und intimer mit den Passagieren ein, als das auf der langen Reise für den Koch nützlich und den Offizieren des Schiffes angenehm ist. Die Auswanderer führten aber eine Menge spirituöser Getränke bei sich, und denen konnte er, da an Bord selber kein Branntwein verabreicht wurde, nicht widerstehen.

      „Beten? Hallo, was ist nun im Wind?“ lachte der Schneider, der ihm indessen das Wasser abgenommen hatte und einen Teil desselben in eine große Blechkanne auf die darin schon vorbereitete Mischung von Rum und Zucker goss; „weil die paar Stücken Holz und Ellen Leinwand über Bord gegangen sind?“

      „Der Klabautermann ist fort!“ flüsterte aber der Koch dem Schneider heimlich zu, und sah sich dann scheu im Kreise um, die Wirkung zu beobachten, die diese Worte auf die Umstehenden machen würden.

      „Der Klabautermann?“ rief der Schneider erstaunt und lachend, denn es war das erste Mal in seinem Leben, dass er den Namen auch nur erwähnen hörte – „wer heißt Klabautermann? Nennt Ihr einen von euern Masten so?“

      „Kennt Ihr den Klabautermann nicht?“ rief der Koch, aufs Äußerste erstaunt – „na, Gott sei Dank, weiß nicht einmal, wer der Klabautermann ist, und geht zur See; ihr Passagiere seid noch schrecklich dummes Volk.“

      „Na, Donnerwetter, woher sollen wir denn in Preußen erfahren haben, wer der Klabautermann ist?“ brummte der Schuster – „heraus mit ihm denn, was ist mit ihm los, und wo ist er hin?“

      „Fort ist er“, sagte der Koch wieder mit unterdrückter Stimme – „fort und vom Schiff, und nun ist die Geschichte aus.“

      „Aber wer ist der Klabautermann?“ rief der Lohgerber, jetzt auch ungeduldig werdend – „schwafelt der Mensch da in den Tag hinein, dass keine Seele daraus klug wird, und antwortet auf keine vernünftige Frage. Was haben wir mit dem Klabautermann zu tun?“

      „Was Ihr mit dem Klabautermann zu tun habt?“ wiederholte der Koch, „das wird euch bald klar werden. Der Klabautermann ist der Schiffsgeist, ein kleines kurzes Männchen, ganz wie ein Matrose angezogen, der unten im Raum der Fahrzeuge seine Wohnung hat und das Schiff, wenn ihm ein Unglück bevorsteht, warnt, sobald es aber nicht mehr zu retten ist, von Bord geht und nicht wiederkommt. Wenn die Ratten und der Klabautermann ein Schiff verlassen, dann gnade Gott der Mannschaft!“

      „Na, die Geschichte muss uns der Koch nachher einmal ein bisschen näher auseinandersetzen“, sagte der Instrumentenmacher, der ungemein gern Geschichten erzählen hörte, „jetzt macht nur, dass ihr mit eurer Mischung fertig werdet, denn der Schreck vorhin und die Nässe sind mir dermaßen in die Glieder geschlagen, dass mich's ordentlich wie im Fieber schüttelt. Dagegen ist ein guter Grog die beste Medizin, und ich habe hier auch noch eine famose Flasche Rum.“

      „Bravo“, sagte Heidelberger, „solche milde Beiträge lassen wir uns gefallen – der Wohltätigkeit werden keine Schranken gesetzt, und eure Becher her, ihr Leute. Wer ist denn da hinten noch so seekrank? Herr du meine Güte, würgt der Mensch –“

      „Das ist der Nadler aus Nummer Sieben“, lachte der Lohgerber; „so wie sich das Schiff anfängt zu bewegen, liegt der auf der Nase.“

      „So gebt ihm einen Schluck von der Mischung hier“, meinte der Instrumentenmacher gutmütig, „das wird ihn wieder auf die Beine bringen.“

      Des Nadlers Frau wurde gerufen, um ihrem Mann etwas von dem Grog zu bringen, der aber stöhnte und ächzte, weigerte sich zu trinken und bat, man solle ihn lieber über Bord werfen. Die anderen lachten und nahmen weiter keine Notiz von dem Seekranken.

      Die Becher wurden indes fleißig gefüllt und geleert; der Schreck von heut Abend war manchem in die Glieder geschlagen, und von allen Seiten kamen Flaschen und Krüge mit Rum gefüllt aus den verschiedenen Kojen vor, dass der Koch noch zweimal in die Kombüse musste, mehr heißes Wasser herbeizuholen. – Der Steuermann trank ebenfalls gern ein Glas, und wenn es ihm auch nicht einfiel, das mit den Zwischendecks-Passagieren zu tun, ließ er es doch geschehen, dass ihnen der Koch gefällig sein durfte – noch dazu an dem heutigen Abend. Auch Meier hatte sich bei der Bowle eingefunden, von der er aber oft fort und nach oben ging, um nach dem Wetter und Wind zu sehen.

      Der Koch, der dem Grog fleißig zugesprochen, übrigens eine sehr bedeutende Quantität davon vertragen konnte, hatte indes den aufmerksam und vergnügt lauschenden Passagieren die Sage vom Klabautermann ausführlich erzählen müssen. Es war ein kleiner gemütlicher Geist, ein Überbleibsel noch der alten Heinzel- oder Wichtelmännchen, der im Innern des Schiffes, aber immer nur einzeln und einsam, sein Quartier aufgeschlagen und die weitesten Reisen mit dem einmal erwählten Fahrzeug machte. Bei gutem Wetter ließ er sich dabei weder hören noch sehen, und kam nicht vor; wenn aber dem Schiff Gefahr drohte, rief er aus den Masten herunter den Leuten zu, zu reefen, oder warnte sie auch wohl vor drohenden Klippen und Bänken, und nur, wenn das Schiff rettungslos verloren war, nahm er sein kleines Matrosenkistchen, das er, wie jeder andere Seemann, bei sich führte, unter den Arm und zeigte sich gewöhnlich noch einmal, ehe er ging, denen an Bord, die er während seiner Anwesenheit am liebsten gehabt. Nachher war er fort, und was aus ihm wurde, konnte niemand sagen.

      Heut Abend aber war er fortgegangen. Er, der Koch, der ihm immer die gebührende Ehrfurcht erwiesen, und dem er deshalb auch gut geblieben war, hatte ihn mit eigenen Augen gesehen, und wenn einer von ihnen wieder das Land sehe – meinte der Mann mit leiser, unheimlich flüsternder Stimme – sei es ein Werk des Himmels.

      Die Passagiere, die den Koch dicht umdrängten, hatten im Anfang über das „Märchen“ gelacht und ihren Spaß damit gehabt; als der Mann aber so gar ernsthaft dabei blieb und das überdies finstere und faltige Gesicht noch weit mehr zusammenzog und die Kunde, die auch sie so nahe betraf, so geheimnisvoll flüsterte, dass man ihm wohl ansehen konnte, wie er selber jede Silbe glaube, wurden doch auch manche der vorher noch ganz Beherzten und Ungläubigen stiller – das Lachen verstummte, und die noch immer unheimlich durch die Nacht tönenden Schläge der Schiffsglocke über ihren Häuptern mahnten sie dabei, dass allerdings nicht alles an Bord sei, wie es eigentlich sein solle.

      „Aber es gibt doch keine Geister“, sagte endlich der Instrumentenmacher, der das ihm fatale Grausen zuerst abzuschütteln suchte mit einem allgemeinen Beweisgrund gegen jede derartige Erzählung.

      „So? – gibt es nicht?“ erwiderte ihm der Koch, ohne von seinem Becher aufzuschauen – „und mich haben sie wohl nicht einmal an der Weser drüben zehn Meilen ins Land hinein gesetzt, ohne dass ich wusste wie?“

      „Zehn Meilen ins Land?“ rief der Schneider erstaunt.

      „Zehn Meilen ins Land“ bestätigte der Seemann, den Becher jetzt bis auf den letzten Tropfen leerend und wieder zum Füllen gegen Heidelberger vorstreckend, „und die Geschichte war merkwürdig genug. Wir lagen mit der „ROBERT FULTON“, einem andern deutschen Schiff, auf dem ich damals meine Reise als Koch machen sollte, unter Bremerhaven vor Anker und warteten auf

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