Hinter verborgenen Pfaden. Kerstin Hornung

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Hinter verborgenen Pfaden - Kerstin Hornung Der geheime Schlüssel

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sichtlich erleichtert. Das erste Kind, tippte Philip im Stillen.

      »Wenn es spät wird, bring die Kleinen ins Bett. Und achte darauf, dass sich auch Jacob, Josua und Johann die Füße waschen, bevor sie ins Bett gehen. Bleibt nicht zu lange wach!«

      »Ja, Mutter«, versprach Philip seufzend.

      Seine Mutter schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. Obwohl ihm deutlich anzusehen war, wie sehr ihm die Aussicht, auf seine Geschwister aufzupassen, missfiel, wusste sie, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Mit seinen fast sechzehn Jahren, war er schon beinahe erwachsen. Dass er immer noch zur Schule gehen durfte, war ein Privileg. Nur wenige seines Alters hatten die Möglichkeit, das zu tun. Er verdankte es zu einem Großteil seiner Mutter und dem Geld, das sie als Hebamme verdiente.

      »Wird Vater rechtzeitig zu Hause sein?«, fragte Philip.

      Seine Mutter band sich eine Haube um und griff nach ihrer Tasche. »Wahrscheinlich nicht. Er hat wieder viel zu tun.« Sie zwinkerte ihm zu.

      Damit war Philip klar, dass sein Vater am Morgen zum Jagen in den Wald gegangen war. Das tat er öfter, um die Vorräte in der Speisekammer zu ergänzen, aber dadurch würde er länger brauchen, um sein Tagwerk in der Schmiede zu vollbringen.

      Philip war also auf sich allein gestellt. Er sah seiner Mutter nach, wie sie mit energischem Schritt den hageren Mann einholte und das Tempo für den weiteren Weg vorgab. Als sie um die Ecke bog, drehte er sich leise brummend um und ging zurück ins Haus.

      Ein Blick in den Garten machte Philip klar, dass die vierjährigen Rabauken-Zwillinge, die Gunst der Stunde genutzt hatten, um zu türmen. Da sein mittlerer Bruder Josua vermutlich mit seinem Freund am Teich spielte, war anzunehmen, dass Jaris und Jaden ihm gefolgt waren.

      Philip machte sich auf den Weg, sie dort einzusammeln. Erst schlüpfte er zwischen zwei Gartenzäunen hindurch und folgte dem ausgetretenen Pfad, der an einem kleinen Mäuerchen entlangführte. Dann lief er ein paar Schritte bergan über die Streuobstwiese. Von der leichten Erhebung aus konnte er die Trauerweide am Ufer des Teiches sehen. Es war ein mächtiger Baum, dessen Äste bis ins Wasser hingen und die dadurch ein wunderbares Versteck vor neugierigen Blicken boten.

      Früher war er selbst gerne dort gewesen und hatte sich eingebildet, dass ihn niemals jemand dort finden könnte. Doch dann war Jacob zur Welt gekommen, nur ein Jahr später Johann. Beide hatten sich an seine Fersen geheftet, sobald sie laufen konnten, und mit der Ruhe war es vorbei. Wenn Philip aus der Schule kam, warteten die beiden schon auf der Türschwelle und ließen ihn nicht mehr aus den Augen, bis sie abends im Bett lagen. Er hatte sie geärgert, bis sie heulten, oder war ihnen, so schnell er konnte, davongerannt. Sie ließen sich einfach nicht abschütteln.

      Mit der Geburt von Josua änderte sich einiges. Winzig klein kam er an Philips achtem Geburtstag zur Welt. Eine Frühgeburt. Die Mutter brauchte lange, um sich von den Strapazen zu erholen. Da sie sich kaum um Josua kümmern konnte, bedurfte der Kleine die Aufmerksamkeit der gesamten Familie.

      Oftmals wimmerte er den ganzen Tag über und ließ sich durch nichts und niemanden davon abbringen. Während Philips andere Brüder jedes Mal, wenn man in ihr Körbchen sah, wieder ein Stückchen gewachsen waren, blieb Josua winzig. Oft weinte Mutter, wenn sie ihn stillte.

      Doch eines Tages begann auch Josua seine Umgebung genauer zu beobachten, versuchte sein Köpfchen zu heben, und an seinem ersten Geburtstag stand er plötzlich im Bettchen.

      Dreieinhalb Jahre später stellte die Geburt der Zwillinge noch einmal den Familienalltag auf den Kopf.

      Inzwischen hatte er die Weide erreicht, aber er konnte weder Josua noch die Zwillinge sehen. Plötzlich sprang ihm etwas auf den Rücken, während gleichzeitig seine Beine umklammert wurden. Philip strauchelte und fiel kopfüber in den Teich.

      »Seid ihr vollkommen verrückt geworden?«, schimpfte er los, kaum, dass er seinen Kopf aus dem Wasser gezogen hatte. Die braunen Haare hingen ihm nass ins Gesicht, und er funkelte Jaris und Jaden aus seinen grünen Augen wütend an. »Wenn Mutter erfährt, dass ihr weggelaufen seid, zieht sie euch den Hosenboden stramm!«

      »Sie ist sowieso nicht zu Hause«, antwortete Jaris frech.

      »Ach ja! Was du alles weißt.«

      »Da kam dieser Hinkebein-Mann, der wollte, dass sie mitgeht und da …«

      »Habt ihr euch gedacht, dass dies die beste Gelegenheit ist, was Verbotenes zu tun?«, beendete Philip den Satz. »Habt ihr zwei Josua gesehen?«

      »Nööö!«

      »Jaaa!«, antworteten die Zwillinge im Chor.

      Ach so, dachte Philip bei sich, den haben sie also vertrieben.

      »Dann müsst ihr mir helfen, ihn zu suchen.«

      Jaris und Jaden wollten gerade damit beginnen, sich jammernd über diese Ungerechtigkeit zu beschweren, als Philip sie barsch unterbrach.

      »Ansonsten erzähle ich Mutter, wo ich euch gefunden habe«, drohte er.

      Missmutig fügten sich die Zwillinge.

      Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück zum Haus, denn sie brauchten alle erstmal trockene Kleidung.

      Philip vermutete, dass er Josua, nachdem die Zwillinge ihn am Teich verscheucht hatten, im alten Turm finden würde.

      Der verfallene Turm war der einzige noch übrig gebliebene Wehrturm der alten Stadtmauer.

      Stand man ganz oben, konnte man über die Mauer hinweg den Alten Wald sehen und hatte gleichzeitig einen atemberaubenden Blick auf die Stadt.

      Das war jedoch nicht der Grund, warum Josua und sein Freund Lennart sich hierher zurückgezogen hatten.

      Für die beiden Siebenjährigen bedeutete der Turm ein sicheres Versteck, wo sie ungestört waren. Die unterste Stufe war hoch genug, so dass Jaris und Jaden sie nicht erreichen konnten, und Lennarts Schwestern machten um den Turm einen großen Bogen, seit sie gehört hatten, dass es darin spukte.

      Philip schwang sich auf die unterste Stufe des Turmes und kletterte die bröckelnden Treppen nach oben. Er fand Josua und Lennart im alten Wächterhäuschen, wo sie völlig versunken waren in ihr Spiel mit Holztieren und Rittern.

      »Was los?«, fragte Lennart.

      Josua antwortete an Philips Stelle. »Er schaut bloß, wo ich bin.«

      »Sieh zu, dass du pünktlich zum Abendessen zu Hause bist«, forderte Philip seinen Bruder auf und ging. Nach den zwei Älteren Jacob und Johann musste er nicht suchen. Die konnten überall sein, aber wenn er schon mal hier war, wollte er den Rückweg über den Kirchenanger nehmen. Auf dem Platz stand ein alter Kirschbaum, der jede Menge Früchte trug. Dass der noch nicht leergeplündert war, lag einzig und allein an seiner stattlichen Größe. Philip beschloss, sich mit den Zwillingen ein paar Kirschen zu holen.

      Schon von Weitem sah er, dass sich eine Horde Kinder um den Baum drängte, und als er dort ankam, erreichte sein Bruder Jacob gerade den untersten Ast des Kirschbaums. Johann saß bereits in einer höhergelegenen Astgabel und angelte nach Kirschen. »Was sagst du dazu?«, rief Johann stolz.

      »Toll«, knurrte Philip. »Jetzt werde ich nie mehr rechtzeitig hier sein, um auch nur eine Kirsche abzubekommen.«

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