Hinter verborgenen Pfaden. Kerstin Hornung

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Hinter verborgenen Pfaden - Kerstin Hornung Der geheime Schlüssel

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sah hoch zu Johann.

      »Wirf deinen kleinen Brüdern mal ein paar von den Kirschen ’runter.«

      »Wir sind nicht klein!«, brüllten die Zwillinge im Chor.

      »Dann klettert doch selbst hier hoch, ihr Zwerge.«

      Das brauchte Johann nicht zweimal sagen, denn schon versuchte Jaris sich am Baumstamm hochzuziehen, während Jaden von unten kräftig schob.

      »Ihr seid mutig, das muss belohnt werden«, beschloss Jacob, hangelte sich noch ein paar Äste weiter nach oben und zupfte für jeden seiner kleinen Brüder eine Handvoll Kirschen ab.

      Doch statt auch Philip ein paar Kirschen zuzuwerfen, stopfte er alle weiteren Früchte, die er pflückte, sofort in sich hinein. Das Wasser lief Philip im Mund zusammen.

      Wenn er Kirschen wollte, musste er sie sich selbst holen. Er sprang, griff den untersten Ast des Baumes und zog sich an ihm hoch. Eichhörnchenflink stieg er den sonnenreifen Köstlichkeiten entgegen, pflückte sich so viele wie möglich in den Mund und verstaute einige in seinem Hemd, ehe er vom Baum heruntersprang.

      »So ihr beiden«, rief er seinen kleinen Brüdern zu, »jetzt geht’s ab nach Hause.«

      Jaris maulte, Jaden jammerte, bis Philip versprach, zuhause eine Geschichte von den Waldfeen zu erzählen.

      »Ich will die mit den Schiffen und dem Meer!«, bestimmte Jaden energisch.

      »Ihr wollt also die Geschichte hören, wie die Elben ihre Schiffe bauten und mit ihnen über das Meer fuhren, um sich die ganze Welt zu unterwerfen?«

      Die Zwillinge nickten eifrig.

      Philip hatte diese Geschichte schon hundert Mal erzählt und sie hing ihm zum Hals heraus. Es gab so viele Geschichten über die Feen, die auch Elben genannt wurden. Viele dieser Geschichten standen in engem Zusammenhang mit dem Alten Wald. Diese liebte Philip am meisten. Der Alte Wald, das Geheimnis vor der Haustür, faszinierte ihn und er beneidete seinen Vater, der der Einzige in der Familie war, der den Wald betreten durfte. Die Geschichten, die man sich in der Stadt über den Wald erzählte, hatten es allerdings alle in sich und so verstand er auch, warum seine Mutter das Betreten des Waldes absolut verboten hatte. Zu viele Menschen, die in den Wald gegangen waren, waren nie wieder gesehen worden, und Gründe dafür gab es so viele, wie Leute, die davon erzählten. Selbst jene, die sich vor der langen Hand des Königs versteckten, hielten sich nur in den Randgebieten auf.

      Philip überlegte, wie er seine Brüder davon überzeugen konnte, eine echte Waldelbengeschichte hören zu wollen. Das alte Volk der Elben hatte laut Sage einst überall hier in Ardelan gelebt, bevor die Menschen das Land für sich beanspruchten. Es gab viele Geschichten, die erzählten, dass die Elben seither ein Dasein im Verborgenen führte. Und welcher Ort wäre dafür geeigneter als der Alte Wald? Mehr als einmal hatte Philip von seinem Lehrer Theophil wissen wollen, ob zumindest manche dieser Geschichten auch tatsächlich mit in der Geschichte des Landes zusammenhingen, doch er hatte nie eine befriedigende Antwort erhalten. Nur immer wieder neue Bücher und weitere Fragen.

      Seine Gedanken schweiften zu dem Buch, das jetzt gut versteckt auf dem Dachboden wartete. Noch so ein Geheimnis, von dem niemand wissen durfte und wieder ging es um Elben und eine Elbenstadt im Wald. Der Schreiber behauptete, das Buch beruhe auf Tatsachen, aber Philip fiel es schwer, das zu glauben. Andere Bücher, die Theophil ihm geliehen hatte, erzählten von wagemutigen Menschen, die den gesamten Wald durchwandert hatten. Da war jedoch nie davon die Rede, dass jemand auch nur auf die kleinste Spur einer Besiedlung gestoßen wäre. Nicht einmal auf Ruinen. Diese Bücher hatte der Lehrer Theophil jedoch bereitwillig auch anderen Schülern ausgeliehen. Ob das Buch, das Philip jetzt hütete, wohl von größerem Wert war, und der Lehrer Beschädigungen fürchtete? Oder fürchtete er möglicherweise, dass sich …

      Philip wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als ihm sein Vater vor dem Haus entgegentrat.

      »Wo ist Phine …, äh … eure Mutter?«, fragte er aufgeregt.

      »Was machst du so früh hier?«, wollte Philip mit einer Gegenfrage wissen, aber Feodor Gordinian antwortete ihm nicht.

      »Die Elvira bekommt ein Kind«, rief Jaris und lief seinem Vater in die Arme. Jaden stürzte sofort hinterher. Feodor fing seine kleinen Söhne auf und nahm jeden auf einen Arm, dabei sah er Philip erwartungsvoll an. In seinen Augen brannte Ungeduld aber auch Ratlosigkeit und er wirkte hilflos und erschöpft. Philip hatte ihn noch nie so gesehen. Der Vater war kein Mann vieler Worte. Er tat, was er tun musste, ohne jemals ungeduldig oder gar wütend zu werden und er hatte immer eine Lösung zur Hand. Selbst wenn einer seiner Söhne sich an einem Werkstück versuchte und alles schiefging, konnte er gelassen danebenstehen und trotzdem so weiterhelfen, dass es am Ende gut wurde.

      Heute war er jedoch alles andere als ein ruhender Fels.

      »Mutter ist erst vor einer Stunde gegangen. Soll ich nachfragen, ob sie dort kurz entbehrlich ist?«, fragte Philip.

      Sein Vater schüttelte den Kopf. »Bring die Kleinen zu Gertraud und komm dann sofort in die Schmiede. Ich brauche deinen Rat.« Damit setzte er die Zwillinge auf den Boden, strubbelte ihnen noch einmal durch die Haare und eilte Richtung Schmiede davon. Philip sah ihm ratlos nach.

      Jaris und Jaden brüllten um die Wette.

      »Ich geh nicht zur Nachbarin!«

      »Ich will Papa wiederhaben!«

      »Du hast uns eine Geschichte versprochen!«

      »Ihr habt gehört, was Vater gesagt hat!« Philip ging zwischen seinen Brüdern in die Hocke. »Ich muss jetzt gehen und Vater helfen. Ihr wartet solange bei Gertraud. Keine Widerrede!«

      »Aber unsere Geschichte …?«

      »Die werde ich nicht vergessen«, versprach Philip.

      Der Weg zur Schmiede führte Philip wieder am alten Turm vorbei, dann rechts die Straße hinunter. Nach etwa dreißig Schritten auf der schmalen, abschüssigen Gasse überquerte er die neue Hauptstraße, die vom Waldtor in die Stadt führte. Im Schatten der südlichen Stadtmauer stand die Schmiede.

      Philip bog in die leicht gewundene Sackgasse, die von der Hauptstraße zur Schmiede hinunterführte ein. Sein Vater war nirgendwo zu sehen, ebenso wenig Ruben, sein Gehilfe. Tür zur Schmiede war zu, so, als wäre niemand da.

      »Vater?« Philip zögerte, und drückte vorsichtig die Klinke hinunter. Abgesperrt!

      »Vater?«, rief Philip nun etwas lauter. Drinnen bewegte sich etwas, dann wurde am Schloss gerüttelt, und schließlich erschien Feodors Gesicht im Türspalt. Seine Hand packte Philips Arm, zog ihn zur Tür hinein und sperrte rasch hinter ihm zu. Nach dem warmen und hellen Sonnenschein draußen war es in der Schmiede düster. Der Schmiedeofen, der sonst immer ein angenehmes Licht verbreitete, war kalt. Aus dem Dunkel hörte Philip ein leises Geräusch, das entfernt an das Maunzen eines Kätzchens erinnerte.

      »Komm mit.« Feodor führte seinen Sohn in den hintersten Winkel der Schmiede.

      Langsam gewöhnten sich Philips Augen an das Dunkel, und er konnte erkennen, dass auf dem Handwagen, den Vater immer benutzte, um sein Werkzeug zu transportieren oder eben um ab und zu Wild aus dem Wald ohne größeres Aufsehen in die Stadt zu bringen, etwas lag, das seltsame Töne von sich gab.

      Ein

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