Hinter verborgenen Pfaden. Kerstin Hornung

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Hinter verborgenen Pfaden - Kerstin Hornung Der geheime Schlüssel

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ein Streit, der wie eine klaffende Wunde im Fleisch des elbischen Volkes war.

      Die Eissee war in der Zwischenzeit, bis auf wenige Wochen im Jahr, vollständig zugefroren und ließ somit keine Schiffe durch. Obwohl an eine Heimreise nicht mehr zu denken war, ließen sich einige Elben auf der Insel im Engelsee nieder. So entstand die Stadt Lac’ter.

      Nach Mar’lea zog es die, denen der weite Ozean fremde, friedvollere Länder versprach. Alle anderen besiedelten das Land und teilten es mit den wenigen Menschen, die zu der Zeit hier wohnten. Doch nicht alle Elben waren mit dem Zusammenleben zufrieden. Vielen waren die Menschen zu unzuverlässig, und sie zogen sich daher in Gebiete zurück, die abgeschiedener lagen. Manche wählten die schwindelnden Höhen, andere die Wüste oder das ewige Eis.

      Sechs Städte entstanden so, und lange Zeit sprach niemand davon, Ardea’lia zu verlassen. Der Schatten aus Nordarea’lia gehörte der Vergangenheit an. Neue Generationen von Elben folgten. Selbst Ala’na, als eine der Ältesten in Pal’dor, war schon auf der Warte geboren worden.

      Sie war so tief in ihren Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass Leron’das eingeschlafen war.

      Sie strich ihm sanft eine blonde Strähne aus der Stirn und verließ den Raum.

      »Iri’te, er schläft. Ich danke dir, dass du so gut für ihn gesorgt hast. Er war sehr tapfer.«

      Iri’te senkte nur leicht den Kopf, um sich ihrerseits für Ala’nas freundliche Worte zu bedanken.

      Als Ala’na nach draußen trat, schimmerte durch die Bäume das Licht der frühen Mittagsstunde.

      Es war ein wunderbar warmer Frühsommertag. Ala’nas trübe Stimmung hellte etwas auf. An Tagen wie diesen konnte eigentlich gar nichts Schlimmes geschehen. Und doch hatten Menschen vor den Toren von Pal’dor gelauert, und Rond’taros bereits angeschlagene Truppe angegriffen. Pures Glück hatte Leron’das vor dem Tod bewahrt.

      Nicht auszudenken, wenn es plötzlich für all die unwissenden Menschen einen leibhaftigen Beweis für das Vorkommen von Elben im Blauen Wald gegeben hätte. Und dazu noch den Beweis, dass auch sie – wie die Menschen – bluteten und starben.

      Seit tausend Jahren lebten die Elben verborgen vor der Welt dort draußen und zeigten sich nur auserwählten Menschen, die ihnen freundlich zugetan waren. Trotzdem hielten sich die Schauergeschichten über Dämonen und Erntenvernichter, die einst von den Zauberern in die Welt gesetzt wurden, standhaft. Von dem freundschaftlichen Verhältnis zu den Menschen, die hier lebten, bevor die Eroberer aus dem westlichen Nachbarland Mendeor die Berge überwanden, wusste heute kaum einer.

      Nach dem großen Krieg wurden sie von den neuen Besatzern gejagt und die wenigen Menschen, die noch ihre Freunde waren, lebten zu kurz, um die Erinnerungen wach zu halten. Heute gab es, wenn überhaupt, nur noch eine Handvoll Menschen, die eingeweiht waren und die wahren Geschichten der Elben, den Herzen der anderen näherbrachten. Es war eine kleine Hoffnung, dass nicht alles verloren war.

      Oder war es Rond’taro, der diese Hoffnung in Ala’nas Herz wachhielt?

      Er hatte die Hoffnung nie aufgegeben. Nicht nach dem großen Krieg, als die alten Gräben zwischen den Elben wieder aufbrachen und viele das Land verlassen wollten, und auch später nicht, als er Generation für Generation die Nähe der Schriftgelehrten suchte, die die letzten Geheimnisse von Ardea’lia bewahrten.

      Rond’taro – Ala’na lächelte verträumt, als sie daran dachte – war kaum hundert Sommer alt gewesen, als er sich nach dem großen Krieg im Rat erhob, um für den Erhalt seiner Heimat zu kämpfen

      »Dies ist auch unser Land. Viele von uns sind hier geboren. Wir dürfen uns nicht von den Eindringlingen, deren Leben im Vergleich zu unserem nur einen kurzen Augenblick dauert, verscheuchen lassen. Viele Menschen, die hier leben, sind unsere Freunde. Die Opfer, die wir und sie in diesem Krieg gebracht haben, wiegen schwer. Ich bin nicht bereit, meine Eltern und Geschwister zu verraten, die ihr Leben für dieses Land geopfert haben.« Mit seinen Worten hatte er Ala’na aus der Seele gesprochen, und sie war in heftiger Liebe zu ihm entbrannt. Eine Liebe, die heute nach zehn Jahrhunderten immer noch glühte.

      Jetzt stand Ala’na vor ihrem Haus. Sie war so überwältigt von ihren Gedanken und der Erinnerung an den Anfang ihrer großen Liebe, dass sie nun ihre Schritte beschleunigte, um schneller bei Rond’taro zu sein. Beinahe musste sie über sich selber lachen, denn es war nun bereits das zweite Mal an diesem Tag, dass sie ihrem Mann entgegenlief.

      Etwas außer Atem trat sie in das Zimmer, in dem Rond’taro geschlafen hatte. Er stand am Fenster und drehte sich nun zu ihr um.

      »Du warst in Gedanken, meine Liebe.« Er lächelte.

      »Die Menschen, Rond’taro, ich verstehe sie nicht. Was tun sie hier im Wald? Wir hatten Freunde unter ihnen …«

      Rond’taro strich ihr sanft mit der Hand über das Haar.

      »Die Freunde, die du meinst, meine Liebe, sind seit tausend Jahren tot. Selbst Peredur, der wie ein Sohn für uns war, lebt seit siebenundneunzig Jahren nicht mehr. Er war ein alter Mann, als er starb«. Der Schmerz dieses Verlustes ließ ihn heute noch atemlos zurück. Leise und bedauernd fügte er hinzu: »Ala’na, es gibt dort draußen niemanden, der uns kennt, und wir kennen die Menschen nicht mehr.«

      Ala’na senkte den Kopf. »Manche fehlen mir heute noch, und ich wünschte, ihre Zeit wäre nicht so kurz gewesen.« Langsam ließ sie ihre Stirn an Rond’taros Brust sinken. »Ich bin froh, dass du zurückgekehrt bist.«

      Er legte seine Arme um sie, und eine Weile standen sie so da, schließlich löste sie sich von ihm und blickte ihn an.

      »Der Rat«, begann sie. »Ich weiß, dass wir nichts besprechen können, ehe die Versammlung beginnt, ich will nur wissen: Waren es Menschen, die euch in den Quellenbergen angegriffen haben?«

      Er sah sie an. Lange blieb sein Gesicht bewegungslos. In seinen Augen konnte Ala’na sehen, wie er sich im Stillen über ihre Neugier amüsierte. Sie wollte sich gerade abwenden, als er sagte:

      »Keine Menschen. Keine Menschen, bis auf jene vor Pal’dor.«

      3. Die Falkenburg

      Am frühen Nachmittag kam Agnus von Wildmoortal auf dem steilen Weg, der hinauf zur Falkenburg führte, eine große Gruppe berittener Krieger entgegen, so dass er ausweichen musste.

      Verwundert bemerkte er, während er auf seiner Stute langsam den Berg hoch ritt, dass die Krieger, kaum im Tal angekommen, die Straße verließen und auf den Wald zuritten. Müde und durstig, wie er war, machte er sich jedoch darüber keine weiteren Gedanken.

      Als er kurz darauf das erste Burgtor erreichte, lag der Vorhof dahinter wie ausgestorben. Die Gatter der Pferdekoppeln standen weit offen und Wachen konnte er keine entdecken. Agnus sprang aus dem Sattel und lief zu Fuß weiter, sein Pferd folgte ihm am Zügel. Auch das zweite Tor passierte er, ohne dass er nach seinem Anliegen gefragt wurde. Er schritt durch das gewaltige Torhaus in die Vorburg und stand unvermittelt im größten Chaos, das er sich vorstellen konnte.

      Als er verwirrt stehen blieb und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen, stieß ein Knecht, der mit einem schweren Sack beladen war, mit ihm zusammen. Die unfreundlichen Worte, die dieser hervorstieß, wurden von dem Sack verschluckt.

      Agnus sprach den nächsten

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