Ein fast perfekter Winter in St. Agnes. Bettina Reiter

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Ein fast perfekter Winter in St. Agnes - Bettina Reiter Liebesromanzen in St. Agnes/Cornwall

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deinen … Vater vermutlich wiedertreffen würde, da er aus diesem Ort stammt.“ Ihre Miene wurde frostig. „Schließlich erfuhr ich, dass ich schwanger bin. Ben tobte natürlich.“

      „Was man ihm nicht verübeln kann“, stellte sich Emma zum ersten Mal auf seine Seite. „Hast du meinen Dad bei der Zinn-Mine getroffen?“

      „Das Lesezeichen hat mich zu spät erreicht“, presste sie hervor. „Wie das Buch.“

      „Dornenvögel“, kombinierte Emma.

      „So ist es. Im Buch wird eine aussichtslose Liebe beschrieben, wie es die unsere war. Aus vielerlei Gründen. Mitsamt der Tatsache, dass wir beide gebunden waren.“ Sie schaute gedankenverloren an Emma vorbei. „Nie wieder habe ich etwas von ihm gehört. Ich will es auch nicht, denn es würde alles an die Oberfläche zerren. Für Ben war es schwierig genug.“

      „Nicht nur für ihn, Mom.“

      Sie senkte den Blick. „Ich weiß, Emma. Es tut mir leid, dass du das ausbaden musstest. Aber jedes Mal, wenn ich dich ansehe, habe ich ihn vor Augen. Ben geht es vermutlich ähnlich, obwohl wir das Thema bis heute totgeschwiegen haben.“

      „Wie heißt mein … Vater?“

      Ein flehender Blick richtete sich auf sie. „Lass die Vergangenheit ruhen, Emma. Ich bitte dich von ganzem Herzen.“

      „Wie kannst du das von mir verlangen?“, zürnte Emma ihr. „Ist dir eigentlich bewusst, was das für mich bedeutet? Ihr habt mich jahrelang angelogen und mir die Wahrheit vorenthalten. Nun sei wenigstens so fair und nenne mir den Namen meines Vaters!“

      „Hast du nicht zugehört?“, geriet ihre Mom außer sich. „Ich möchte es nicht!“

      „Was ist hier los?“ Mit zorniger Miene stapfte plötzlich Emmas Dad … Ben … auf sie zu. „Regst du deine Mutter schon wieder auf?“ Als er sich drohend vor Emma aufbaute, richtete er sich die obligatorische Melone, unter der sein dichtes rattengraues Haar hervorquoll. Der exklusive Mohair-Mantel wölbte sich über seinem stattlichen Bauch. Auf den edlen Schuhen glänzten Tropfen und einige abgebrochene Grashalme klebten daran. Unweigerlich musste Emma an die Eiche denken. An ihre Träume. An die vielen Entbehrungen. Sollte ihr erneut alles versagt werden? Etwas, das ihr zustand wie nichts auf der Welt? „Du scheinst in letzter Zeit nicht ganz bei dir zu sein“, ließ Ben seinen Unmut an Emma aus. „Tiffany hat mich angerufen. Hätte sie dich nicht gefeuert, würde ich es veranlassen. Du bist eine Schande für die ganze Familie! Von deiner Ehe mit Brandon will ich erst gar nicht anfangen. Ihm und Tiffany eine Affäre anzudichten ist die Höhe! Wie kann man nur so hinterhältig sein?“

      „Frag das deine Tochter“, blieb Emma ruhig. Er konnte sie nicht mehr verletzen. Nie mehr. Weil er nicht ihr Vater war. Nur Ben. „Wie so oft ist die Wahrheit eine völlig andere. Du hinterfragst sie nicht. Das hast du nie getan. Deswegen bin ich heilfroh, dass ich nicht deine Tochter bin.“ Ihre Mom zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Es lag auf der Hand, dass sie lieber weitergemacht hätte wie bisher. Den Gefallen konnte Emma ihr nicht tun. „Sonst wäre ich vermutlich so wie Tiff.“

      „Sie weiß es?“, brüllte Ben mit puterrotem Gesicht. Emmas Mom nickte unter Tränen. „Was haben wir vereinbart, Claire? Ich akzeptiere deinen Bastard, aber …“

       Bastard!

      Emma konnte seinen Anblick nicht länger ertragen. Darum drehte sie sich um und ging. Sie merkten es nicht einmal, sondern stritten weiter. Den Sinn der Worte verstand sie nicht, hörte nur ihren feindseligen Ton. Zwei Menschen, die viel zu lange geschwiegen hatten. Die weiter schweigen würden. Deswegen musste sie sich eigenhändig auf die Suche nach ihrem Dad begeben und sie würde ihn finden. Koste es, was es wolle!

      Emma schluckte ihre Tränen hinunter, doch als Grant ihr mit besorgter Miene entgegenkam, warf sie sich an seine Brust und weinte bitterlich. Bastard! Es stimmte nicht ganz. Ben konnte sie sehr wohl verletzen.

Grafik 32

      „Und wenn du mich noch zehnmal fragst, ich will nicht mit dir zur Bucht hinunter“, wimmelte Roger Doris ab und verkniff sich ein Lachen. Mit einem pinkfarbenen Neoprenanzug und einer Schwimmhaube in derselben Farbe stand sie vor ihm. Fehlte nur ein Surfbrett unter den Achseln.

      „Wieso nicht?“ Sie blinzelte gegen die Sonne an, die über die Kälte hinwegtäuschte. Zwar fehlte wie üblich der Schnee, doch winterliche Temperaturen hatten sie auch hier, obwohl sie nie unter den Gefrierpunkt fielen. Die fünf, sechs Grad fühlten sich trotzdem so an. „Ganz St. Agnes trifft sich am Strand. Nur du glänzt erneut mit Abwesenheit.“

      „Weil mir nichts an Weihnachten liegt. Schon vergessen?“

      „Wie könnte ich?“, höhnte Doris und rollte mit den Augen. „Ich brauche nur rüber zu schauen auf das Elend, das du dein Zuhause nennst.“

      „Hast du so viel Zeit, um dir ständig mein Cottage anzusehen? Ich dachte, du könntest dich vor Gästen kaum retten“, stellte er sie auf die Probe. „Komisch, dass nie ein Auto zu sehen ist.“

      „Meistens kehren Rucksacktouristen bei mir ein“, behauptete sie und wirkte nicht anders als zuvor. Entweder war sie die beste Lügnerin aller Zeiten oder wurde dement und glaubte selbst daran. „Die haben keine großen Ansprüche und zahlen bar.“

      „Aha.“ Mehr fiel Roger nicht mehr dazu ein.

      „Tja, ich muss los“, wurde Doris hektisch. „Und was machst du heute am Heiligen Abend? Fährst du zu deinen Eltern?“

      „Da war ich bereits. In aller Früh.“ Genauer gesagt um halb sieben. Da keiner aufmachte, hinterließ er einen Zettel. Im Wissen, dass seine Eltern zu den Langschläfern gehörten. Aber die gute Absicht zählte. Sein Soll hatte er somit erfüllt und war dem jährlichen Dilemma durch diese kleine List erfolgreich ausgewichen. „Gegen Abend brutzelt ein saftiges Hähnchen in meinem Backofen, das ich mir mit einem guten Glas Wein schmecken lassen werde.“

      „Das ist alles?“, mokierte sie sich. „Keine Gäste? Oder ein Besuch in den Lokalen?“

      „Ich bin müde und werde früh schlafen gehen.“

      „Irgendjemand von der NASA muss dich vertauscht haben. Das ist kaum auszuhalten. Allmählich wirst du vereinsamen.“

      „Die Gefahr besteht mit Sicherheit nicht. Ich möchte nur mein Leben ordnen und genüge mir momentan selbst.“ Diesen Satz hatte er gestern in einer Liebesschnulze aufgeschnappt.

      „Jesus Maria, vom Casanova zum Papst! Wie ich sagte: Die NASA ist schuld. Die müssen irgendein schlimmes Experiment mit dir durchgeführt haben. Aber dem kann Abhilfe geschaffen werden. Wann soll ich zum Essen bei dir sein?“

      Jetzt wurde Roger einiges klar! Doris hatte die ganze Zeit auf seine Einladung gewartet, weil sie ebenfalls niemanden hatte, mit dem sie feiern konnte. Außer den Hunderten von Verrückten, die in Neoprenanzügen oder hartgesotten mit Badekleidung in der Trevaunance Bucht in die Fluten sprangen. Roger hatte keine Ahnung, warum sie das taten, doch seit Jahrzehnten gehörte dieses gemeinsame Schwimmen am Morgen des Heiligen Abend zu St. Agnes wie das Meer. „Um sechs würde es mir passen.“

      „Ich werde sehen, ob ich es einrichten kann“, meinte sie allen Ernstes, als hätte sie sich nicht gerade selbst eingeladen. „Bis dann, Kleiner.“ Mit der Langsamkeit einer alten Frau - die trotz Neopren

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