Der Ruf des Kojoten. Regan Holdridge

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Der Ruf des Kojoten - Regan Holdridge

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war, der Tag der Aufnahme, viele Jahrzehnte, lange vor diesem heutigen Tag. Damals, als er noch jung gewesen war und vor Energie und Kraft gestrotzt hatte.

      Bedacht schlugen seine Hände das Album auf. Die Seiten waren verblichen, zerknittert vom unzähligen Blättern und Anschauen, Ergänzen und Hinzufügen von Daten und Namen, die in ihrer Familienchronik eine Rolle gespielt hatten. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Fast glaubte er, die Stimme seiner Schwester zu hören, die jetzt sagen würde: „Schau nicht zurück auf das, was vorbei ist! Wir sind nie eine richtige Familie gewesen und ich...ich habe auch nicht gerade meinen Teil dazu beigetragen, dass wir es werden. Also, schau nach vorn und lass das Vergangene hinter dir!“

      ‚Genauso wenig habe ich dazu beigetragen‘, sagte eine Stimme in ihm und er schlug die nächste Seite um. Seine blauen Augen flogen über die Zahlen hinweg, die Namen, die Stammbäume – bis zum heutigen Tag, penibel notiert und für die Nachwelt hinterlassen – dort stand sein Name, die seiner Geschwister und darüber...er schluckte, die Sicht verschwamm unter den Tränen, die ihm in die Augen schossen und er konnte nicht verhindern, dass eine davon auf seinen Handrücken hinabtropfte.

      Durch das offene Fenster des Arbeitszimmers drang der starke, durchdringende Geruch der braunen Farbe herein, die er zwei Tage zuvor an die Außenfassade gestrichen hatte. Hämmern erklang von irgendwoher und laute, vertraute Männerstimmen – sie schienen sich uneinig über etwas zu sein.

      Er richtete sich auf und trat ans Fenster, vor dem der zartgelbe Rosenstrauch blühte. Sein Blick wanderte hinauf zu dem kleinen Wäldchen am oberen Rand des Hügels, wo er unter den ausladenden Zweigen der über hundertjährigen Fichten und Pinien die Gräber seiner Familie wusste. Auch sie existierten bereits seit einem Jahrhundert und mehr und jetzt, da er hinüberschaute und sich ihre Existenz ins Bewusstsein zurückrief, überkam ihn die Wucht der Wahrheit: Alles hatte seinen Anfang und sein Ende, seinen Sinn und seine Berechnung. Es gab ein Morgen und ein Übermorgen, von dem niemand wusste, was darin geschehen würde, welch unerwartete Vorfälle ihn übermannten und erdrückten. Nur vom Gestern konnte er sagen, ob es richtig oder falsch, schön oder hässlich gewesen war und daraus schöpfte er seinen Mut. Das Gestern, das schon Jahre zurücklag und doch immerfort in ihm allgegenwärtig war. Diese Unrast, die in ihm brannte, genau wie in seinen Vorfahren, die kam und ging, jedoch nie völlig versiegte. Sie war da und sie war sein Erbe, das er an die beiden jungen Männer weitergeben konnte. Dieses Verlangen und Streben nach Neuem und Schönem, es ließ ihn nicht zur Ruhe kommen, würde es niemals und eines Tages würde er draußen auf der Veranda sitzen und ihnen davon erzählen...

      Gegenwart

      Als ich die Ranch zum ersten Mal betrat, brannte die Sonne Kaliforniens heiß und unerbittlich auf uns herab.

      „Wenn du Recherchen betreiben möchtest, wie es auf einer richtigen Ranch zugeht, dann bist du hier genau richtig“, hatte meine Freundin Myrtle mir erklärt, nachdem ich sie Zuhause, in San Francisco von Deutsschland aus angerufen hatte. „Sie führen die Ranch in der ich weiß nicht wievielten Generation und wenn die dir nichts erklären und zeigen können, dann fällt mir auch niemand ein!“

      Für mein neues Buch wollte ich vorher unbedingt eine Weile auf einer Ranch mitarbeiten – gar nicht so einfach, wie sich herausstellte. Von Europa aus hatte ich versucht, jemanden ausfindig zu machen, der mir eine Möglichkeit bot, hautnah dabei zu sein. Ich wollte die Realität kennenlernen, nicht die romantische Vorstellung, die sich durch zu viele Stunden vor dem Fernsehgerät meiner Großeltern eingebrannt hatte. Die erste Ernüchterung folgte auf dem Fuß, als ich – abgesehen von herkömmlichen Touristenranches – niemanden auftreiben konnte, der bereit war, eine ahnungslose Deutsche bei sich aufzunehmen und ihr die Grundlagen des Rancherdaseins zu offenbaren. Ich wollte jedoch nicht irgendwo auf eine Ferienanlage, wo unzählige Leute umherrannten, die tatsächlich vorher noch niemals ein Pferd gesehen hatten. Ich konnte reiten und das nicht einmal ganz schlecht, ich war auf dem Land groß geworden, besaß landwirtschaftliche Grundkenntnisse und sah mich durchaus in der Lage, bei entsprechend harter Arbeit zuzupacken. Doch erst der Anruf bei meiner Freundin Myrtle brachte die Lösung.

      „Ich bin beruflich doch sowieso ständig mit irgendwelchen Cowboys unterwegs! Warum fragst du eigentlich nicht gleich?“

      Ein wenig kleinlaut musste ich zugeben, dass ich zunächst gar nicht auf den Gedanken gekommen war. So setzte ich mich also eines sonnigen Frühsommertages in den Flieger mit dem Endziel San Francisco und freute mich auf hoffentlich äußerst erlebnisreiche drei Monate irgendwo im Nichts der dortigen Wildnis. Der Flug selbst gestaltete sich als Herausforderung, da ich nicht an Reisetabletten gedacht hatte und nach vierzehn Stunden Dauerübelkeit meine Gedärme kräftig zu rebellieren begannen. Mit zittrigen Knien und einem brennenden Gefühl oberhalb des Bauchnabels verließ ich die Gepäckabfertigung, selten so glücklich, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.

      Myrtle holte mich vom Flughafen ab. Wir verbrachten zuerst noch einige Tage bei ihr in San Francisco, wo sie mir jeden Tag andere Sehenswürdigkeiten und Museen zeigte. Wir besuchten eine Vorstellung in einem alten Kino aus den 50er Jahren, die nur Streifen aus der goldenen Nachkriegsära zeigten. An diesem Abend ritten die glorreichen Sieben in Übergröße an uns vorbei – was für ein Unterschied zu dem kleinen Fernsehbildschirm Zuhause! Horst Buchholz, mein Landsmann, damals noch jung und schön, neben dem nicht minder attraktiven, glatzköpfigen Yul Brynner. Mir wäre die Entscheidung zwischen den beiden schwergefallen.

      Schließlich kam der Tag, an dem ich von Myrtles Haus auf die Ranch ziehen sollte. Ich hatte in der Nacht zuvor kaum schlafen können und ständig verfolgte mich das Gefühl, irgendetwas in Deutschland vergessen zu haben, was ich nun dringend brauchen würde. Mein dickes, noch fast leeres Notizbuch und mehrere Kugelschreiber lagen bereit. Die ersten Seiten hatte ich mit allerlei Informationen aus dem Wells-Fargo-Museum bekritzelt. Nun wollte ich auch noch auf einer Postkutsche mitfahren, was bei Myrtle lediglich Kopfschütteln auslöste.

      „Davon kann ich dir keine besorgen. Die fahren nicht mehr und die paar wenigen, die noch irgendwo herumgeistern, sind maximal im Schritt unterwegs für die Touristen, aus Sicherheitsgründen.“

      „Mist! Ich wollte unbedingt einmal wissen, wie das ist, wenn man da oben im Galopp mitfährt.“

      Myrtle starrte mich einen Moment an, als hielte sie mich für verrückt.

      „Damit du dir den Hals brechen kannst? Nein, nein! Ich werde dafür sorgen, dass du heil und gesund nach deinem Abenteuer da draußen wieder zurückfliegen kannst! Deine Familie köpft mich sonst!“

      „Ach, Unsinn! Die kennen mich! Die würden dir nie die Schuld dafür geben, wenn ich von einer Postkutsche falle!“

      „Dann kann ich mich ja mal erkundigen...“

      Ich schlurfte meinen Kaffee, während meine Freundin vier Toastscheiben im Toaster versenkte.

      „Ich sollte dich vielleicht lieber gleich vorwarnen...“

      „Wozu? Ich kann mich im Sattel halten, auch auf verrückten Pferden. Ich habe weder Angst vor Rindviechern, noch vor Grizzlybären oder Pumas, auch nicht vor Spinnen, Mäusen oder anderem Viechzeug. Und schießen lernen wollte ich schon lange!“

      „Davon bin ich ausgegangen. Nein, das ist nicht der Punkt. Es geht um einen der Juniorrancher dort.“

      „Was ist mit ihm?“

      „Nun ja, du musst wissen, er ist einer der begehrtesten Junggesellen weit und breit. Alle Frauen in der Gegend sind hinter ihm her!“

      Ich prustete in meinen Kaffee und verschüttete dabei die

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