Stadtflucht. Stephan Anderson

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Stadtflucht - Stephan Anderson

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Gesicht. Kein nervöses Zappeln mit den Extremitäten, ein gleichbleibender Lidschlag, Nicht zu viel Augenkontakt, als Zeichen der Selbstsicherheit, nicht zu wenig, als möglichen Beweis für seine Unehrlichkeit. Selbst bei der Schilderung der unverdorbenen Wahrheit, musste er schauspielern. Was ihm allerdings am schwersten fiel, war es seine immerwährende Impertinenz zu verschleiern und zu isolieren.

      „Für mich macht der internationale Handel und die Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden den Anreiz der Arbeit aus. Ich suche weder die Regionen, noch die Rohstoffe oder Lebensmittel aus. Ich arbeite nur im Innendienst. Das Unternehmen ist nur ein Miniplayer in der Welt. Jeden Tag kommen, arbeiten und wieder gehen. Kein Kundenverkehr, keine Fragen und keine Emotionen.“

      Auch für den routinierten Ulman waren das neue Erkenntnisse. Dieses Unternehmen machte es, durch seine Aktivitäten, vielen Menschen leicht es zu kritisiert, wenn nicht sogar zu hassen. Trotzdem interessierte ihn eine andere Frage mehr: „Wer sind die Opfer?“

      „Ich weiß es nicht, ich habe von Ihnen schon zwei Mal gesagt, dass ich nicht mehr weiß. Ich habe nichts gesehen. Erst beim Sanitätswagen habe ich erfahren, dass es einen oder mehrere Toten gibt“, schmollte Aaron.

      „Nun gut, ich habe genug Fotos“, stellte der alternde Ermittler fest und machte sich daran Tatortfotos der Leichen aus seinem Schnellhefter zu fischen.

      Mit einem lauten „Nicht!“, hielt ihm Rasch auf und ergriff Ulmans rechten Arm, um seinen Kollegen an sich heranzuziehen: „Ich habe es Ihnen gesagt. Keine Aggressivität“, flüsterte er ihm in sein schmalzgelbes Ohr.

      Ein Oberkommissar, der den, ihm schon bekannten, rüpelhaften und ungepflegten Kommissar in die Schranken wies. Für ihn war klar, an wen er sich in dieser Vernehmung zu halten hatte, um diese Szenerie so schnell als möglich zu verlassen und so wandte er sich wieder voller Freude Jakob Rasch zu, als wäre es ein Pokerspiel mit offenen Karten und einem Royal Flash, auf dem fettfilmverschmierten Tisch, vor ihm liegend.

      „Herr Oberkommissar“, wimmerte Aaron bemitleidenswert, „bitte sagen Sie mir endlich was genau passiert ist.“

      Der einfühlsame Bergländer nahm des Zeugen Jammertal auf und bat ihn seinerseits auf altruistische Art und Weise: „Bitte sagen Sie uns vorher was sich aus Ihrer Sicht ereignet hat.“

      „Mehr kann ich nicht sagen. Als ich hörte, dass der Eindringling nach dem Schuss und der kurzen Lauschphase, oder auch nicht, weiter in die Büroräume ging, reinigte ich mich schnell und kletterte auf den Spülkasten.“

      „Was!“, fuhr ihm Ulman mit tiefer, kratziger Stimme wieder in seine Erklärung, „Sie hören einen Schuss außerhalb des Klos und anstatt zu fliehen wischen Sie sich den Hintern aus? Das ist der größte Blödsinn, den ich je gehört habe! Und ich höre ihre Geschichte nun schon zum vierten Mal. Wer spricht hier eigentlich von Mord? Das hat noch keiner gesagt. Wie kommen Sie darauf?“

      „Mäßigen Sie sich Herr Kollege“, wies ihn Rasch wiederum in die Schranken, „warum sind Sie nicht gleich in aller Panik geflohen, Herr Röttgers?“

      „Ich weiß es nicht. Das ist wohl meine Art. Keine Ahnung. Als ich den zweiten Schuss hörte, gab ich die Säuberungsaktion ohnehin auf. Ich packte meine Jacke und meinen Rucksack, kletterte eben auf den Spülkasten und warf die beiden Dinge bei dem kleinen Fenster über der Toilette hinaus. Aja, und Mörder sage ich, weil ich im Morddezernat sitze und mit Ihnen spreche, da gehe ich vom Schlimmsten aus“, gab der niedergeschlagene Kronzeuge, schluchzend an. Selbsterziehend ertappte sich Aaron, wie er allmählich aus seiner Rolle fiel. Zu sicher war er sich geworden, den Oberkommissar auf seiner Seite zu wissen und mit gebrochenem Zustand seines Seins schnell der Situation entfliehen zu können. Daher legte er noch eine Schippe drauf und versteckte sein Gesicht in seinen Händen, hinter den noch immer leicht geschwärzten Fingerkuppeln seiner Abdruckabgabe und begann zu lamentieren: „Das ist mir alles zu viel.“

      In diesem Moment trat Isabella Krings in den Raum und deutete beiden Ermittlern sie mögen ihr vor die Türe folgen.

      „Wir sind gleich wieder da. Sammeln Sie sich einstweilen“, sprach ihm Rasch gut zu.

      Der starrblickende Ulman machte keinerlei Anstalten seinen scharfen Blick vom Kronzeugen abzuwenden und folgte seinem Vorgesetzten mit seinen Unterlagen erst aus dem Raum, als dieser ihn herbeiwinkte.

      „Meine Herren“, begann Krings die forensischen Ergebnisse der Untersuchung von Ihrem weißen Schreibbrett abzulesen, „die Schnelltests haben nichts ergeben. Weder auf der Haut, noch an der Kleidung des Zeugen sind Schmauchspuren festzustellen. Wir haben seine Fingerabdrücke durch die Datenbank laufen lassen. Es gibt einen Treffer, aber da wurde er vor acht Jahren zum Tod seiner Mutter vernommen. Die Beweissicherung vom Tatort haben wir noch nicht vorliegen, aber, wenn er dort arbeitet werden wohl überall seine Fingerabdrücke zu finden sein. Der DNA-Test dauert seine Zeit. Auch die genaue Untersuchung seiner Kleidung und Wertsachen dauert ebenfalls noch.“

      „Utensilien“, hakte der nunmehrige leitende Ermittler Rasch verwundert nach.

      „Er hatte einen Rucksack bei sich. Dazu ein Mobiltelefon, Geldbörse und Schlüssel. Seine Ausweiskarten habe ich vom Empfang bekommen.“

      „Das ist ja lächerlich“, stellte der witzlose Oberkommissar fest „wie haben Sie den Zeugen hereingebracht Ulman? Musste er nicht durch den Check-In?“

      „Ja, Herr Magister. Immer nach Vorschrift“, antwortete dieser hämisch.

      „Sind irgendwelche Blutspuren darauf?“, hakte Rasch bei Krings nach.

      „Nein. Zwei Kollegen haben im Schnellverfahren Kleidung und Rucksack unter die Lupe genommen. Keinerlei Hochgeschwindigkeitsspritzer. Trotzdem würde ich, zumindest die Kleidung, noch gerne für weitere Tests behalten.“

      „Wenn es darauf keine Blutspritzer gibt und das Gepäckröntgen und der Metallscan nichts ergeben haben, dann geben Sie ihm zumindest den Rucksack und die Wertsachen wieder retour“, ordnete der großherzige Bergländer.

      Der murrende Ulman war fassungslos: „Was? Der Typ hat doch ordentlich Dreck am Stecken! Die Show glauben Sie ihm? Das ist ja alles unrealistisch.“

      „Dieser Mann ist um ein Haar dem Tod entronnen und wenn Sie die Vorschriften kennen würden, dann wüssten Sie, dass wir einen Durchsuchungsbefehl für den Rucksack benötigen, wen wir ihn öffnen wollen. Er ist nicht dringend tatverdächtig. Noch nicht.“

      „Da hat er Recht Ulman“, pflichtete Krings bei.

      „Kein Richter stellt einen Durchsuchungsbefehl nun aus. Der Mann steht unter Schock, er ist eingeschüchtert und komplett fertig. Wenn die Röntgen- und Metallscanner im Erdgeschoss schon nichts ergeben haben, was sollen wir ihn noch länger quälen. Keine Waffe, keine Hülsen, keine Projektile, kein Blut. Die Kleidung bleibt, den Rest kann er mitnehmen“, stellte der Oberkommissar unmissverständlich klar.

      Unter des Mittsechzigers hohem Stirnansatz und seinen mit Fett nach hinten gekämmten, zu einen Zopf gebundenen Haaren, kochte es: „Warten Sie noch das Verhör ab!“, krächzte er und wollte mit der Befragung fortfahren.

      „Gut“, willigte Rasch gestresst ein, „Krings, stellen Sie die bis jetzt bekannten Untersuchungsergebnisse in die Cloud, von dort können alle Beteiligten darauf zugreifen. Ich melde mich dann bei Ihnen.“

      Cloud? Der alternde Ermittler hoffte, dass man die Ergebnisse von dort auch ausdrucken konnte. Irgendwie würde dies schon möglich sein. Vorrangig quälte ihm mehr, wie es sein konnte, dass der Kronzeuge,

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