DER ABGRUND JENSEITS DES TODES. Eberhard Weidner

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DER ABGRUND JENSEITS DES TODES - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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dachte an das letzte Telefonat, das sie mit ihrer Tochter geführt hatte. Nadine hatte ihr erklärt, dass es ihr gutginge und das Schmerzmittel die Schmerzen linderte. Mona hatte sofort gespürt, dass Nadine sie belog. Sie hatte es jedoch dabei belassen. Schließlich hatte sie nicht ahnen können, wie schlimm es wirklich um ihre Tochter stand. Woher auch? Außerdem hatte sie darauf vertraut, dass Nadine ihr demnächst alles erzählen würde. Genau so, wie sie es auch in der Vergangenheit immer getan hatte.

      Jetzt, im Nachhinein, machte sie sich heftige Vorwürfe, nicht sofort nachgefragt zu haben, warum Nadine sie belog und wie es wirklich um sie stand. Aber jetzt war es dafür zu spät!

      Tränen liefen ihr übers Gesicht, während sie wie eine Statue regungslos im Flur stand. Denn nach allem, was sie nun wusste, gab es nur eine einzige logische Erklärung, warum Nadine so überraschend und spurlos aus ihrer gewohnten Umgebung verschwunden war. Angesichts des inoperablen Tumors in ihrem Gehirn und der geringen Heilungschancen musste Nadine beschlossen haben, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen!

      IV

      Sobald ihre Tränen versiegt waren, erinnerte sich Mona an die Worte des Polizeibeamten bei ihrem gestrigen Telefonat. Er hatte davon gesprochen, dass die dritte Voraussetzung, die Gefahr für Leib und Leben der vermissten Person, beispielsweise durch eine suizidale Absicht, in Nadines Fall nicht gegeben wäre. Doch die Information des Neurologen veränderte diese Einschätzung grundlegend. Deshalb musste jetzt auch viel intensiver nach Nadine gefahndet werden. Sofern es nicht – Gott bewahre! – zu spät war und sie schon viel zu viel Zeit vertrödelt hatten. Aber daran wollte Mona lieber nicht denken.

      Sie legte auf und nahm den Zettel, auf dem sie die Durchwahlnummer des Polizeibeamten notiert hatte, von der Pinnwand. Daran heftete sie normalerweise nur ihren Einkaufszettel, die Postkarten von Bekannten oder Rechnungen, die bezahlt werden mussten.

      Polizeiobermeister Tim Fischer meldete sich nach dem zweiten Klingeln, als hätte er auf ihren Anruf gewartet. Allerdings war es vermutlich eher so, dass er gegenwärtig an seinem Schreibtisch saß und der Telefonapparat in Reichweite war.

      Sie hatte damit gerechnet, dass er genervt reagieren würde, weil sie ihn schon wieder anrief und belästigte. Doch das Gegenteil war der Fall. Er schien sich zu freuen, von ihr zu hören. Oder zumindest gelang es ihm, bei ihr diesen Eindruck zu erwecken.

      »Ist Ihre Tochter wieder aufgetaucht?« Seine sympathische Stimme klang erwartungsvoll.

      Das konnte Mona leider nur verneinen. Auch wenn es ihr ebenso wie ihm lieber gewesen wäre, sie hätte bessere Neuigkeiten.

      »Wir haben sie ebenfalls nicht gefunden.« Mona konnte aus seiner Stimme deutlich die Enttäuschung heraushören. »Den Funkstreifen ist keine Person aufgefallen, auf die Nadines Beschreibung gepasst hätte. Und meine Anrufe bei den Krankenhäusern und Rettungsleitstellen waren ebenfalls erfolglos. Niemand, auf den die Personenbeschreibung zutrifft, wurde in den letzten 48 Stunden gefunden oder irgendwo eingeliefert.«

      Nachdem sie beide für ein paar Sekunden bedrückt geschwiegen hatten, fragte er: »Haben Sie mich aus einem speziellen Grund angerufen? Oder wollten Sie nur nachfragen, ob es Neuigkeiten gibt?«

      Da erzählte ihm Mona von der niederschmetternden Diagnose nach der Untersuchung. Sie schloss mit der Befürchtung, Nadine könne vorhaben, sich das Leben zu nehmen, um dem Tumor zuvorzukommen.

      »Ich stimme Ihnen zu. Diese Information verändert die Sachlage natürlich grundlegend. Wir müssen jetzt sehr wohl von einer Gefahr für das Leben oder zumindest die körperliche Unversehrtheit Ihrer Tochter ausgehen. Deshalb werde ich den Fall umgehend an die Spezialisten der Vermisstenstelle bei der Kripo weiterleiten. Die Kollegen dort sind für solche Fälle ausgebildet. Sie haben die notwendige Erfahrung und wissen genau, wie man am besten nach vermissten Personen sucht. Ich werde sofort alles Erforderliche in die Wege leiten und die Vermisstenanzeige per Kurier an das Kommissariat 14 schicken. Dabei werde ich auf die besondere Dringlichkeit des Falls hinweisen. Dann kann der zuständige Ermittler sofort alle notwendigen Fahndungsmaßnahmen einleiten.«

      Mona befürchtete insgeheim jedoch, dass sämtliche Maßnahmen zu spät kamen. Nadine war schon immer sehr zielstrebig gewesen und hatte wichtige Aufgaben nie auf die lange Bank geschoben, sondern sofort erledigt. Dennoch war sie zutiefst dankbar, dass der Polizist ihre Ängste ernst nahm und die erforderlichen Schritte unternahm, um ihre Tochter zu finden.

      »In Kürze wird sich ein Ermittler der Vermisstenstelle mit Ihnen in Verbindung setzen«, sagte der Beamte. »Und geben Sie bitte auf keinen Fall die Hoffnung auf, Ihre Tochter lebend und wohlbehalten wiederzusehen.« Dann verabschiedete er sich, um augenblicklich in die Tat umzusetzen, was er ihr zuvor versprochen hatte.

      Obwohl sich an der Situation zunächst einmal nichts geändert hatte, fühlte sich Mona nach dem Telefonat trotzdem viel optimistischer. Und obwohl sie eigentlich zum Einkaufen hätte gehen müssen, weil der Kühlschrank fast leer war, blieb sie zu Hause, um den nächsten Anruf nicht zu verpassen. Allerdings wartete sie nicht länger auf einen Anruf ihrer Tochter, sondern stattdessen auf den eines Ermittlers der Vermisstenstelle.

      V

      Der Polizist hielt Wort. Bereits eine knappe Stunde später landete die Vermisstenanzeige auf Anja Spangenbergs Schreibtisch.

      Sie legte den Altfall zur Seite, den sie bearbeitet hatte und las zunächst das Begleitschreiben des Polizeiobermeisters von der Polizeiinspektion 41 in Laim. In diesem gab er das letzte Telefonat mit der Anzeigenerstatterin in Stichpunkten wieder. Außerdem wies er auf die besondere Dringlichkeit des Falles aufgrund der Suizidgefahr hin.

      Anja konnte ihm nur zustimmen. Nach der schrecklichen Diagnose und dem unmittelbar darauf erfolgten Verschwinden der Frau musste davon ausgegangen werden, dass die Diagnose ursächlich für ihre Abwesenheit war. Und da Nadine Weinharts Verschwinden nach Angabe der Mutter eindeutig ihrem bisherigen Lebensrhythmus widersprach, war ernsthaft zu befürchten, dass sich die Frau etwas angetan hatte oder noch antun würde. Es war daher höchste Zeit, alle notwendigen Fahndungsmaßnahmen einzuleiten, um die Frau, sofern sie noch lebte, zu finden, bevor sie ihre mögliche Absicht in die Tat umsetzte. Während Anja die Vermisstenanzeige bis zum Ende aufmerksam durchlas, dachte sie schon über die konkreten Maßnahmen nach, die sie ergreifen und in die Wege leiten wollte.

      Der Polizeiobermeister hatte bereits die Personendaten der Vermissten mit den polizeilichen Datenbanken abgeglichen. Außerdem hatte er Krankenhäuser und Rettungsleitstellen kontaktiert. Damit konnte sich Anja all das sparen. Fischer hatte zwar auch schon mit Nadines Mutter gesprochen, dennoch wollte Anja die Frau persönlich befragen. Zudem hatte sie vor, mit weiteren Bezugspersonen zu reden, die Fischer noch nicht kontaktiert hatte. Das waren Angehörige, Freunde und Arbeitskollegen. Und schließlich wollte sie so schnell wie möglich die Wohnung der vermissten Frau durchsuchen.

      Doch vordringlich war zunächst die unverzügliche Ausschreibung von Nadine Weinhart im Informationssystem der Polizei, kurz auch INPOL genannt. Auf diese Datei beim Bundeskriminalamt haben sämtliche deutschen Polizeidienststellen Zugriff. Sie enthält alle als vermisst gemeldeten Personen, deren Zahl derzeit knapp unter 10.000 liegt. Durch die Eingabe aller fahndungsrelevanten Daten einer vermissten Person in INPOL werden sie quasi über Nacht auch automatisch in die Datei über Vermisste, unbekannte Tote und unbekannte hilflose Personen übernommen. Für den Fall, dass eine unbekannte Tote auftauchte, auf die Nadines Personenbeschreibung und ihre besonderen Merkmale passten, konnte somit eine rasche Identifizierung erfolgen.

      Volljährige Vermisste wurden im Gegensatz zu Minderjährigen grundsätzlich nur zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Anschließend wurden sie befragt, ob sie mit der Weitergabe ihres Aufenthaltsorts einverstanden

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