B wie Beziehungswelt. Dieter Lüders
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Macht man einen Treffpunkt aus, dann kommt oft niemand. Zu Hause ist es eben doch gemütlich, und wenn man sich mal ausgesprochen hat, dann ist der Drang, jemanden kennen zu lernen, nicht mehr da. Öffentliche Verkehrsmittel sind nachts auch nicht mehr so viele unterwegs. Da sollte man schon mobil sein oder in einer Großstadt wohnen. Möglicherweise bestellen Frauen den Mann in ihre Nachbarschaft, und sie sehen ihn sich erst einmal von weitem an. Am Telefon kann man ja viel erzählen.
Es gibt nur ein Problem, das schwieriger ist, als Freunde zu gewinnen: sie wieder los zu werden.
Mark Twain
Zeitungsinserat
Es ist gar nicht mal so falsch. Vielleicht sogar ist das ganz gut. Man schreibt einige Worte, jemand liest diese Worte, und er denkt sich dabei etwas. BBB. Brille, Bart, Bauch. Kontaktlinsen, Haaransatz und Feinkostgewölbe. Worte kann man so und so sehen. Man kann sie abkürzen, und, noch schlimmer, man kann sie weglassen. Was da nicht steht, das ist viel. Warum es da nicht steht, das ist entscheidend.
In abgezählter Menge hat man Platz in einer Zeitung zur Verfügung. Locken will man und soll man. Zuschriften gibt es nur, wie bei jeder anderen Brautwerbung auch, bei vollmundiger Selbstbeweihräucherung. Alle Münzen werden von ihrer schönsten Seite gezeigt. Nachfragen und Zweifel sind unerwünscht. Der erste Briefkontakt oder das Telefonat kommt nur zustande, wenn überhaupt reagiert wurde. Aber wann und vor allem warum wird reagiert?
Warum bekommt man eine Zuschrift oder mehrere, warum inseriert man? Inseriert wird vor allem, weil man seinen Schmerz in die Welt hinausposaunen möchte. Und es sollen viele vom Herzschmerz erfahren. Und das unter Chiffre. Wer dahinter steckt, das soll aber dann doch lieber niemand erfahren. Auch hier ist es das Normalste der Welt, dass man sich auf der Partnersuche unters Volk mischt, und zwar anonym.
Sein Gesicht braucht man gar nicht zu zeigen. Es gibt Tageszeitungen, da geht das auch mit einem Foto. Der oder die Richtige zu finden, das scheitert an verschiedenen Dingen. Wer diesen Weg aber weiter beschreitet, der hat entweder Glück gehabt, oder er will einfach gar nicht. Wer seine zukünftige Partnerschaft boykottieren möchte, der sollte Inserate schalten. So kann man jahrelang sich selbst und andere belügen.
Es fängt schon damit an, dass nicht Hunderte von Zuschriften zurückkommen. Ist der eigene Markwert zu gering, wenn man nur eine Antwort bekommt? Und was ist, wenn kein Foto dabei liegt? Hat dieser Antworter etwas zu verbergen, oder befürchtet er, dass sein Foto morgen im Internet bloßgestellt wird? Zweifel kommen auf, wenn nicht alles nach Wunsch verläuft. Die Handschrift, falls nicht der Computer benutzt wurde, wie lang ist die Zuschrift? Ist das Foto aus besseren Zeiten?
Man muss schon sehr wohlwollend vorgehen, wenn man auf diesem Weg zum Ziel kommen möchte. Das Problem bei dieser Art der Partnerfindung ist, dass man mit Worten nicht alles beschreiben kann. Und die wenigen Worte, die man zur Verfügung hat, an denen hängt die ganze Beziehung hinterher. Du hast doch geschrieben, dass du tolerant bist? Bin ich ja auch, aber nur mir selbst gegenüber. Ich darf alles, und du darfst gar nichts. Oder umgekehrt - das Selbstunterschätzen: Du darfst alles, und ich fordere gar nichts. Diese Art der Toleranz führt ins Nichts. Wer nach allen Seiten offen ist, der ist nicht ganz dicht.
Wer wiederum zu engstirnig ist, der ist zwar ganz dicht, aber auch geradezu vernagelt und verkorkst. Nicht nur den Begriff der Toleranz kann man wie eine Münze von zwei ganz unterschiedlichen Seiten sehen. Jedes Charaktermerkmal kann man negieren. Kinderlieb? Was für Kinder? Alle Kinder? Nur die guten oder auch die ungezogenen? Die eigenen oder nur die eigenen nicht mehr? Häuslich: Stubenhocker und Sofapantoffel oder Inneneinrichtungsgenie? Treu: Wem oder was? Dem Esszwang und dem Nikotin treu?
Schnell wird man sich den Charaktereigenschaften des anderen in den seltensten Fällen nähern. Jeder bringt schon Begriffsmerkmale mit. Und jeder wird seiner Ansicht treu bleiben wollen. Es wird lange dauern, bis beide mit denselben Worten auch dasselbe meinen. Es gibt viel zu entdecken; so ist das mit den Annoncen. Es ist mehr eine Entdeckungsreise für Reisefreudige. Aber eine Partnersuche ist das gewöhnlich nicht.
Es ist Neugier und Widerstand gegen den Stillstand. Echte Partnersuche sollte eher etwas mit Menschenfreundlichkeit zu tun haben. Da macht man nicht zwei Häufchen: A-Körbchen und B-Körbchen. Bei A gleich anrufen oder bei B später melden.
Bei Zuschriften hat man sich eine ganz schöne Herausforderung aufgeladen. Diese Worte kann man nicht richtig deuten, weil sie geschrieben und nicht gesprochen wurden. Wenn ich zu jemandem sage, dass er ein Schwein ist, dann ist das schlimm. Wenn ich es ihm schriftlich gebe, dann ist das noch schlimmer. Aber wenn ich das zu einem Hund sage, dann freut er sich. Wenn ich es einem Hund schriftlich gebe, dann frisst er den Zettel, oder er hebt sein Beinchen darauf.
Gesprochene Worte wirken anders als geschriebene. Ob etwas ernst gemeint ist oder nicht, wie ernst es ist oder wie spaßig es gemeint ist, das hängt auch von den begleitenden Gesten ab. Auf Papier bekommt man die nicht untergebracht.
Ein Mann kann mit jeder Frau glücklich werden, solange er sie nicht liebt.
Oscar Wilde
Eheanbahnungsinstitut
Wie die vorangegangenen Punkte, so habe ich auch das ausprobiert. Nicht aber als Kunde, sondern als Institutsleiter. Ich habe einer alteingesessenen Unternehmung auf die Finger geschaut und dann in meiner Heimatstadt einen Gewerbeschein beantragt. Fortan war ich Chef eines Eheanbahnungsinstituts. Schnell hat sich aber herausgestellt, dass unsereins aber auch nur mit Wasser kochen kann. Diese Art der Beziehung hat eine dritte Partei: Den Vermittler.
Mann und Frau und der Moderator dazwischen. Mit zwei Personen kann man aber kein Partnervermittler sein. Also muss eine gewisse Anzahl von Teilnehmern vorhanden sein oder beschafft werden. Ein großer Karteikasten mit allen Partnersuchenden in unserem Lande, das wäre der Idealfall. Der Vermittler lernt alle Leute selber kennen und kann dann sagen, wer zu wem passt. Der Realfall sieht aber ganz anders aus.
Es gibt viele Institute. Das heißt, dass sich die Teilnehmer auf alle Institute verteilen. So kann es sein - und so ist es auch -, dass zwei Menschen füreinander bestimmt sind, aber beide werden von verschiedenen Unternehmen betreut. Zwischen diesen beiden wird es wahrscheinlich niemals zu einer Partnerschaft kommen.
Die Firmen haben sich den Markt aufgeteilt. Manch einer verfügt nur über wenige hundert Kunden. Alt und Jung, groß und klein, reich und arm. Im seltensten Fall findet sich überhaupt eine Kombination. Es ist ein ungeschriebenes Geheimnis, dass viele Agenturen nur an sich selber denken. Lockangebote und nichts dahinter. Das ist die Realität in den meisten Fällen. Es gibt große Firmen, die eine Auswahl haben. Aber die kennen ihre Kunden dafür zu wenig. Sie haben sich ein paar Stichworte aufgeschrieben, und das ist alles.
Zusammengefasst kann man also mit Fug und Recht behaupten, dass so etwas nicht funktionieren kann. Es gibt auf diese Art zustandegekommene Partnerschaften, keine Frage. Aber das beruht auf ebensolchem Zufall wie bei allen anderen Methoden. Die Idee an sich ist gut. Jemand fügt Männlein und Weiblein zusammen, so lautet die Wunschvorstellung. Der Vermittler nährt das Bild, indem er die wenigen Punkte hervorhebt und die Kunden dann zappeln und zahlen lässt.
Wir haben bestimmt den richtigen Partner für Sie. Wenn Sie das nicht so sehen, dann sind Ihre Ansprüche zu hoch. Aha. Irgendjemanden will man aber nicht heiraten, aber das sehen die ganz anders. Im ärgsten