IM ANFANG WAR DER TOD. Eberhard Weidner

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IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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Wochen nach dem ersten ein zweites Mädchen.

      III

      Daniela Forstner war elf Jahre und neun Monate alt. Sie lebte mit ihrer alleinerziehenden Mutter in einem Wohnblock in der Nähe des S-Bahnhofs München-Westkreuz im Osten des Stadtteils Aubing.

      Die Elfjährige verschwand auf dem Heimweg von der Hauptschule in der Reichenaustraße, in der sie die fünfte Klasse besuchte, obwohl es sich nur um einen kurzen Fußweg von zehn Minuten handelte. Da die Mutter Kassiererin in einem nahen Supermarkt war und erst spät nach Hause kam, wurde das Verschwinden des Kindes erst am Abend entdeckt.

      Der für den Fall zuständige Ermittler der Vermisstenstelle hieß Hans Baumgartner und setzte, nachdem er ihm zugeteilt worden war, ebenfalls umgehend sämtliche verfügbaren Hebel in Bewegung. Doch auch in diesem Fall gab es, wie schon beim Verschwinden von Melanie Brunner, keinerlei verwertbaren Spuren oder Hinweise, wo das Kind sich aufhielt und was ihm zugestoßen war.

      Obwohl damit innerhalb weniger Wochen nicht weit voneinander entfernt bereits zwei Mädchen in ähnlichem Alter spurlos verschwunden waren, wollten die Ermittler noch nicht an einen Zusammenhang glauben. Die beiden Kriminalhauptkommissare Frank Kramer und Hans Baumgartner verglichen zwar sämtliche Details und die mageren Ermittlungsergebnisse beider Fälle miteinander, fanden jedoch keine Gemeinsamkeiten oder Übereinstimmungen. Wie es aussah, waren sich die beiden Mädchen nie begegnet. Sie hatten verschiedene Kindergärten und Schulen besucht, kamen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, hatten keine gemeinsamen Freunde oder Bekannte und auch keine übereinstimmenden Interessen oder Hobbys. Das einzige Merkmal, das sowohl Melanie als auch Daniela besaßen und das sie verband, waren ihre auffallend langen dunkelbraunen Haare. Doch das konnte auch Zufall sein und genügte nach Meinung der Ermittler nicht, um einen Zusammenhang zu konstruieren oder gar auf ein und denselben Täter zu schließen. Denn mittlerweile waren die Beamten überzeugt, dass die Kinder nicht freiwillig verschwunden waren, sondern vermutlich Opfer einer Straftat geworden waren.

      Die Einschätzung der Polizisten änderte sich allerdings, als zweieinhalb Wochen nach Daniela Forstner das dritte Mädchen mit auffallend langen dunkelbraunen Haaren verschwand.

      IV

      Helena König war ebenfalls erst elf Jahre alt. Sie wohnte mit ihren Eltern und einem zwei Jahre älteren Bruder im Stadtteil Obermenzing und ging aufs Gymnasium. An zwei Nachmittagen in der Woche besuchte das Mädchen zudem eine Musikschule und hatte dort Klavierunterricht. Im Sommer fuhr Helena die etwas über einen Kilometer lange Strecke mit dem Fahrrad, im Winter ging sie hingegen zu Fuß.

      Als sie am Tag ihres Verschwindens um achtzehn Uhr dreißig noch immer nicht nach Hause gekommen war, obwohl der Klavierunterricht schon seit einer halben Stunde beendet war, rief die besorgte Mutter den Klavierlehrer an. Doch der konnte ihr nur mitteilen, dass er den Unterricht pünktlich beendet und gesehen hatte, wie Helena vor der Musikschule auf ihr Fahrrad gestiegen und losgeradelt war. Daraufhin setzte sich der Vater kurzerhand ins Auto, fuhr die Strecke und sämtliche Nebenstraßen ab und suchte nach seiner Tochter. Als er fünfundvierzig Minuten später zurückkam, ohne das Kind oder ihr Fahrrad gefunden zu haben, beschloss das Ehepaar, den Vater einer Klassenkameradin ihrer Tochter anzurufen, der zufälligerweise bei der Vermisstenstelle arbeitete und Frank Kramer hieß.

      Erneut setzte Anjas Vater alles daran, das Kind zu finden oder zumindest herauszufinden, was mit ihm geschehen war. Doch wie in den beiden vorangegangenen Fällen gab es auch hier weder eine Spur noch den kleinsten Hinweis, was dem Mädchen widerfahren war. Sogar das auffällige Fahrrad blieb wie seine Besitzerin unauffindbar.

      Da alle drei Mädchen innerhalb kurzer Zeit und in unmittelbarer Nähe zueinander verschwunden waren, wurde jetzt eine Sonderkommission unter der Leitung von Frank Kramer und Hans Baumgartner gebildet. Denn niemand glaubte noch länger daran, dass die drei Vermisstenfälle nichts miteinander zu tun hatten und es nur ein Zufall war. Die Beamten ermittelten fieberhaft, um herauszufinden, was die Mädchen außer ihren Haaren, ihrer Statur und ungefähren Größe und einer entfernten Ähnlichkeit in den Gesichtszügen noch alles gemeinsam gehabt hatten, um ins Visier ihres Entführers zu geraten. Doch sosehr sie auch suchten, stießen all ihre Bemühungen dennoch ins Leere. Die einzige weitere Gemeinsamkeit zwischen den Vermisstenfällen war allenfalls, dass es keinerlei Spuren, Hinweise oder Zeugen des Verschwindens gab. Es erschien beinahe so, als hätten sich die Mädchen auf dem Nachhauseweg urplötzlich einfach in Luft aufgelöst, ohne dass es jemand mitbekommen hatte. Aber das konnte natürlich nicht die Lösung sein. Vielmehr musste es einen Grund dafür geben, dass ausgerechnet diese drei Mädchen verschwunden waren. Und es musste einen Ort geben, an dem sie nach ihrem Verschwinden gelandet waren. Doch ohne jegliche Spuren und Hinweise konnte kein Fall aufgeklärt werden. Alles, was sie Beamten tun konnten, so schwer es ihnen auch fiel und so furchtbar der Gedanke auch war, bestand darin, darauf zu warten, dass der Täter erneut zuschlug. Denn mittlerweile waren alle Beteiligten davon überzeugt, dass die drei Vermisstenfälle auf das Konto ein und desselben Täters gingen. Und daher hofften sie, dass der Unbekannte dieses Mal einen Fehler beging, der es den Polizisten ermöglichte, ihm und seinen Opfern endlich auf die Spur zu kommen.

      Weder die ermittelnden Beamten noch die betroffenen Eltern gaben sich irgendwelchen Illusionen hin, sondern schätzten die Chancen, die Mädchen lebend wiederzusehen, von Tag zu Tag geringer ein. Auch wenn niemand es laut aussprach, sondern den anderen gegenüber entgegen der eigenen Überzeugung weiterhin so tat, als könnten Melanie, Daniela und Helena jeden Moment putzmunter durch die Tür marschieren.

      Doch immer mehr Tage voller ergebnisloser, frustrierender Ermittlungsarbeit vergingen. Und bevor der Täter ein weiteres Mal zuschlagen oder eines der Mädchen – tot oder lebendig – gefunden werden konnte, starb für alle vollkommen überraschend einer der beiden Leiter der Soko.

      V

      Nachdem Frank Kramer von seiner zwölfjährigen Tochter erhängt im häuslichen Arbeitszimmer gefunden worden war, herrschte unter seinen Kollegen die nahezu einhellige Meinung, dass er sich umgebracht hatte, weil es ihm und der Sonderkommission nicht gelungen war, auch nur einen einzigen Schritt weiterzukommen und die drei Mädchen zu finden. Dabei hatte er nicht einmal einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er dies hätte zum Ausdruck bringen können.

      Die Soko wurde daraufhin nur noch von Hans Baumgartner geleitet. Doch auch seine Tage als Leiter waren gezählt, denn wenig später übernahm eine Kriminaloberkommissarin namens Sabine Schwarzmüller diese Aufgabe.

      Anja fragte sich nicht zum ersten Mal, warum Baumgartner damals ersetzt worden war. Hatte er resigniert und keinen Sinn mehr in der Suche nach den vermissten Mädchen und ihrem Entführer gesehen? War ihm der vermeintliche Suizid ihres Vaters derart nahegegangen, dass er die Soko nicht weiter führen konnte? Oder waren seine Vorgesetzten der Meinung gewesen, sie müssten ihn durch jemanden ersetzen, der in der Lage war, neue Impulse zu setzen und den verfahrenen Ermittlungen neuen Schwung zu verleihen?

      Sie erinnerte sich, dass sie Baumgartner vor dem Tod ihres Vaters mehrere Male gesehen hatte. Die beiden waren befreundet gewesen und hatten sich auch privat getroffen. Er war auch zur Beerdigung gekommen und hatte ihrer Mutter und ihr sein Beileid ausgesprochen und den verstorbenen Freund und Kollegen dabei in den höchsten Tönen gelobt. Doch danach war sie ihm nie wieder begegnet und wusste daher auch nicht, was aus ihm geworden war. Denn als sie viele Jahre später ihren Dienst in der Vermisstenstelle angetreten hatte, war er schon nicht mehr da gewesen.

      Anja notierte sich seinen und den Namen seiner Nachfolgerin auf ihrem Notizzettel, bevor sie weiterlas.

      VI

      Der belebende Effekt, den sich die Polizeioberen durch die Ernennung von Sabine Schwarzmüller zur Leiterin der Sonderkommission möglicherweise erhofft hatten, verpuffte

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