IM ANFANG WAR DER TOD. Eberhard Weidner

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IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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zu sprechen oder auch nur darüber nachzudenken. Da sie noch immer davon ausgehen musste, er hätte Selbstmord verübt, hatte sie vermutlich das Gefühl, er hätte sie und ihre Tochter im Stich gelassen. Auch Anja hatte das jahrzehntelang so empfunden, daher konnte sie ausnahmsweise nachfühlen, wie es ihrer Mutter ging. Gleichwohl konnte sie ihr nicht die Wahrheit sagen.

      Noch nicht!

      »Und warum hat Onkel Christian sich ausgerechnet jetzt wieder gemeldet?«, fragte Anja.

      »Weil er wieder in Deutschland ist.«

      Anja wurde sofort hellhörig. Onkel Christian war also wieder im Land! »Seit wann ist er wieder hier?«

      »Warum willst du das wissen?«

      »Es interessiert mich eben einfach.«

      Dagmar seufzte, antwortete dann aber: »Ich glaube, er sagte etwas von sechs Monaten.«

      Das würde passen!, dachte Anja. Wenn Christian – sie musste wirklich aufhören, ihn jedes Mal automatisch Onkel Christian zu nennen – schon so lange hier war, dann konnte er durchaus der Komplize des Apokalypse-Mörders sein.

      »Warum ist er nach all den Jahren überhaupt zurückgekommen? Und was macht er hier?«

      »Ich komme mir wirklich langsam vor wie in einem Verhör, Anja«, beschwerte sich ihre Mutter. »Einmal Polizistin, immer Polizistin, oder? Bei deinem Vater war es manchmal ganz genauso.«

      Anja, die bei der Berufswahl bewusst in die Fußstapfen ihres Vaters getreten war, wertete das als unfreiwilliges Kompliment. »Entschuldige bitte, Mama. Manchmal kann ich eben einfach nicht aus meiner Haut. Aber würdest du meine Fragen bitte trotzdem beantworten.«

      Dagmar war durch die Entschuldigung und Anjas bittenden Tonfall wieder besänftigt. »Ich muss zugeben, dass mich das natürlich ebenfalls brennend interessiert hat. Deshalb habe ich ihn natürlich danach gefragt.«

      »Und?« Anja unterdrückte ein genervtes Stöhnen. Manchmal, vor allem, wenn sie spürte, dass ihre Tochter etwas unbedingt wissen wollte, schien es ihrer Mutter eine diebische Freude zu bereiten, sich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen zu lassen.

      »Christian ist jetzt im Ruhestand.«

      »Im Ruhestand? Er ist doch erst …« Anja überlegte kurz. »… Ende fünfzig oder so.«

      »Siebenundfünfzig«, präzisierte Dagmar. »Er wurde fünf Jahre nach deinem Vater geboren.«

      »Und wieso ist er dann schon im Ruhestand?«

      »Wenn ich es richtig verstanden habe, hat er es in Südafrika zu einigem Wohlstand gebracht und das Geld gut angelegt. Er muss also nicht mehr arbeiten, sondern kann bequem von den Zinsen und Renditen leben, die er mit seinen Geldanlagen erzielt. Deshalb hat er sich zur Ruhe gesetzt und ist nach Deutschland zurückgekehrt, um seinen Lebensabend in der alten Heimat zu verbringen.«

      »Und wo wohnt er jetzt?«

      »Er hat sich ein Haus in Obermenzing gekauft. Anscheinend ist es gar nicht weit von dem Haus entfernt, in dem wir damals wohnten, als Frank noch lebte.«

      Ausgerechnet Obermenzing!, dachte Anja. Dort lag auch die Kirche, in der sie Pfarrer Hartmann getötet hatte. Zufall?

      »Was ist mit seiner Frau und den Kindern?«

      »Seine Frau ist letztes Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und seine Tochter und sein Sohn sind erst jetzt nachgekommen und zu ihm gezogen. Deshalb hat er mich ja auch angerufen. Er will, dass wir uns alle treffen und endlich kennenlernen.«

      Anja überlegte. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie eigentlich kein besonderes Interesse, diesen Mann wiederzusehen, nachdem er vor dreiundzwanzig Jahren sang- und klanglos verschwunden war und sich seitdem kein einziges Mal gemeldet hatte. Andererseits war da dieser nagende Gedanke in ihrem Hinterkopf, dass er ihren Vater ermordet haben könnte. Schon allein deshalb sollte sie die Gelegenheit nutzen, ihm ein bisschen auf den Zahn zu fühlen. Außerdem gab es da noch ihre Cousine und ihren Cousin, die nichts mit der alten Geschichte zu tun hatten und die sie gern kennenlernen würde.

      »Und was hast du ihm geantwortet?«, fragte sie ihre Mutter.

      »Ich sagte ihm, dass ich dich fragen und ihm dann Bescheid geben würde. Also, was sagst du jetzt dazu? Willst du deinem Patenonkel noch eine Chance geben? Ich kann natürlich verstehen, dass du noch immer sauer auf ihn bist. Aber vielleicht hatte er gute Gründe für sein Verhalten. Dein Vater war auch nicht immer einfach. Manchmal konnte er richtig stur sein, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.« Sie verkniff es sich, darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um einen Charakterzug handelte, den sie auch bei ihrer Tochter allzu oft festgestellt hatte. »Außerdem wissen wir nicht, worüber die beiden damals gestritten haben. Ganz abgesehen davon könntest du dann auch Judith und Oliver kennenlernen.«

      »Judith und Oliver?«

      »So heißen deine Cousine und dein Cousin.«

      »Na gut«, sagte Anja. »Ich werde ihm, wie du sagtest, eine Chance geben. Außerdem würde ich seine beiden Kinder tatsächlich gern treffen.«

      »Das freut mich. Wann passt es dir denn?«

      Anja dachte an Konstantin. Da er überraschend den Nachtdienst eines Kollegen übernehmen musste, würde sie ihn heute ohnehin nicht sehen. Sie hoffte allerdings, dass er morgen wieder Zeit für sie hatte. Deshalb wäre der heutige Abend für sie am ehesten für ein Treffen mit der Verwandtschaft geeignet. »Wie wäre es gleich heute Abend? Da hätte ich Zeit.«

      »Mir wäre das ebenfalls recht«, sagte ihre Mutter. »Ich rufe Christian im Laufe des Nachmittags an und frage ihn, was er davon hält. Ich gebe dir dann rechtzeitig Bescheid.«

      Da Anja es jetzt wirklich eilig hatte, in die Dienststelle zu kommen, verabschiedeten sie sich daraufhin voneinander und beendeten das Gespräch.

      KAPITEL 8

      I

      Als sie ins Büro zurückkehrte, saß Daniel Braun wieder hinter seinem Schreibtisch. Er begrüßte sie lächelnd, konnte es sich aber nicht verkneifen, einen demonstrativen Blick auf die Uhr zu werfen, um zu verdeutlichen, dass sie fünf Minuten zu spät aus ihrer Mittagspause kam. Da er regelmäßig zu spät kam, macht es ihm besonders viel Spaß, sie zu ärgern, wenn sie sich ausnahmsweise verspätete.

      Leck mich, Braun!, hätte sie am liebsten gesagt, verkniff es sich aber. Eigentlich kamen sie ganz gut miteinander aus. Anja schätzte an ihm vor allem, dass er sie nicht die ganze Zeit vollquatschte oder mit Fragen nach ihrem Privatleben löcherte, denn das konnte sie überhaupt nicht leiden. Sie hätte es bei ihrem Zimmerkollegen also auch schlechter treffen können. Deshalb wollte sie ihn nicht gegen sich aufbringen, was nur die Atmosphäre vergiftet hätte; und darunter hätten sie beide zu leiden.

      Braun redete nicht, sondern widmete sich wieder der Akte, die er bei ihrem Kommen bearbeitet hatte. Entweder war er eingeschnappt, weil sie am Vormittag so kurz angebunden und einsilbig gewesen war, oder er hatte selbst im Augenblick keine Lust zum Reden, was bei ihm ebenfalls häufig vorkam und ihn in ihren Augen noch sympathischer machte.

      Auch Anja schwieg und widmete sich dem Inhalt der ersten

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