IM ANFANG WAR DER TOD. Eberhard Weidner

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IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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das Gesicht.

      Der Apokalypse-Killer hatte ihr nach jedem Mord Bibelstellen aus der Offenbarung des Johannes in lateinischer Sprache geschickt. Da sie in der Schule kein Latein gehabt hatte, hatte sie ihren damaligen Wohnungsnachbarn Raphael um Hilfe gebeten, ohne zu ahnen, dass sie damit gewissermaßen den Bock zum Gärtner machte.

      Obwohl er kurz war, las sie den Text mehrere Male, ohne dadurch jedoch schlauer zu werden. Mit jedem Mal wurde ihr unbehaglicher zumute. Denn längst war ihr klar geworden, dass es sich dabei nicht um eine gewöhnliche Junkmail handelte. Nein, diese Nachricht, das spürte sie instinktiv, war ernst. Möglicherweise sogar im wahrsten Sinne des Wortes todernst. Unwillkürlich lief ihr ein Schauder über den Rücken.

      Sie überlegte, wie sie herausfinden konnte, was der Text bedeutete. Schließlich öffnete sie in ihrem Browser einen weiteren Tab und begann, den Text in ihre bevorzugte Suchmaschine einzugeben. Bereits nach dem zweiten Wort wurde ihr »in principio erat verbum Übersetzung« vorgeschlagen. Das vierte Wort stimmte zwar nicht mit der Mail überein, sie klickte aber dennoch darauf und bekam als oberstes Ergebnis der Suche einen Wikipedia-Eintrag über »in principio«. Sie folgte dem Link und erfuhr, dass der Ausdruck »in principio« in der Tat lateinisch war und auf Deutsch »im Anfang« oder »am Anfang« bedeutete. Und »in principio erat verbum« wurde mit »am Anfang war das Wort« übersetzt.

      Anja stutzte. Irgendwo hatte sie das schon einmal gehört oder gelesen. Und das war noch gar nicht so lange her. Deshalb musste sie nur kurz überlegen, bis ihr wieder einfiel, dass Krieger heute früh in der Kirche davon gesprochen hatte. Es handelte sich dabei um das Zitat, das in Anjas alter Bibel markiert worden war. Allerdings waren dort die letzten beiden Worte durchgestrichen und handschriftlich durch »der Tod« ersetzt worden. Sie vermutete daher stark, dass das lateinische Wort »mors« auf Deutsch »Tod« hieß.

      Sie überprüfte es, indem sie in die Suchmaschine »mors Übersetzung« eingab. Und tatsächlich, es stimmte.

      Nachdenklich betrachtete Anja die vier lateinischen Worte auf dem Bildschirm.

      Was hat das zu bedeuten?

      Es beunruhigte sie, dass ihr wie im Fall des Apokalypse-Killers wieder jemand lateinische Bibelzitate schickte. Das weckte ungute Erinnerungen, die sie lieber vergessen hätte. Bedeutete das etwa, dass die Sache noch nicht zu Ende war und weiterging? Allerdings war Johannes, der Absender der ursprünglichen Nachrichten, mausetot. Also konnte im Grunde nur sein Komplize dahinterstecken.

      Aber wieso? Und warum ausgerechnet jetzt?

      Außerdem entsprachen die vier lateinischen Worte der markierten und leicht abgeänderten Textstelle in Anjas ehemaliger Bibel. Es gab damit also einen eindeutigen Bezug zum Mord an Pfarrer Hartmann. Allerdings wusste momentan kaum jemand davon. Lediglich die beiden Mordermittler, die übrigen Kollegen, die am Tatort gewesen waren, und Anja.

      Sie schüttelte den Kopf, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass einer der Kollegen hinter dieser Mail stecken könnte. Lediglich Krieger traute sie jede Gemeinheit zu. Doch würde er tatsächlich so weit gehen und ihr anonyme E-Mails schickten? Und was könnte er damit bezwecken? Wollte er sie etwa durch Psychoterror dazu bringen, ein Geständnis abzulegen?

      Anja verwarf den Gedanken sofort wieder. Krieger war zwar nicht dumm, aber für eine derartig ausgeklügelte Maßnahme fehlte ihm dann doch die notwendige Intelligenz.

      Sie wollte sich bereits ausloggen, als der Eingang einer weiteren Mail angezeigt wurde. Sie hoffte, dass wenigstens sie von Konstantin kam. Eine liebevolle Nachricht von ihm würde ihr jetzt guttun. Doch die Mail stammte nicht von ihm, sondern vom selben Absender, der ihr bereits den lateinischen Text geschickt hatte.

      Anja bewegte den Mauszeiger, um die Nachricht zu öffnen, zögerte dann aber. Wenn sie ehrlich war, wollte sie eigentlich gar nicht wissen, was der Unbekannte ihr noch geschickt hatte. Doch die Polizistin in ihr war an der Aufklärung dieser mysteriösen Geschichte interessiert und drückte die Maustaste.

      Erneut erwartete sie nur eine einzeilige Nachricht; doch dieses Mal war sie in deutscher Sprache verfasst worden und bestand aus sieben Wörtern:

      Ich weiß, was du getan hast, Anja!

      Anja erstarrte förmlich, als sie das las. Die Angst, die in ihrem Magen einen Knoten bildete, seit sie in der Kirche mit den Indizien konfrontiert worden war, und die sie zuletzt erfolgreich hatte ignorieren können, ließ sie jetzt am ganzen Körper schlottern. Ihr wurde speiübel, und der Schweiß brach ihr aus.

      Sie wischte sich mit der Hand über die feuchte Stirn, während sie den kurzen Text immer und immer wieder las, als könnte er dadurch auf wundersame Weise doch noch seine Bedeutung verändern und weniger bedrohlich und angsteinflößend werden. Aber so etwas funktionierte im wirklichen Leben nicht.

      Er weiß, was ich getan habe!

      Ihr war sofort klar, was der Absender damit meinte. Es konnte nur eines bedeuten: Es gab jemanden, der wusste, dass sie Pfarrer Hartmann getötet hatte. Das machte schon allein die erste Mail mit dem Bibelzitat mehr als deutlich, die vom selben Absender stammte.

      Erneut dachte sie fieberhaft darüber nach, wer ihr diese Nachricht geschickt haben könnte.

      Stammt sie etwa doch von Krieger?

      Immerhin war der Mordermittler felsenfest davon überzeugt, dass Anja die Mörderin des Geistlichen war. Wollte er ihr mit diesen E-Mails Angst einjagen? Sie vielleicht auch nur provozieren, damit sie einen Fehler beging und er sie endlich überführen konnte?

      Aber so subtil würde jemand wie Krieger niemals vorgehen. Konnte er gar nicht. Er war der Typ, der den Presslufthammer einsetzte, um auf Nummer sicher zu gehen, wenn auch ein Schraubenzieher genügen würde. Deshalb waren diese Nachrichten auch so untypisch für ihn, dass er als Verdächtiger eigentlich von vornherein ausschied.

      Aber wer ist es dann? Und was zum Teufel bezweckt er damit?

      Die Lähmung, die sie beim Anblick der Nachricht ergriffen hatte, fiel allmählich von ihr ab, als sie sich von ihrem ersten Schock erholte. Sie konnte auch endlich wieder klarer denken. Deshalb bemerkte sie erst jetzt, dass die zweite Mail einen Anhang besaß, der aus mehreren Fotos bestand. Sie öffnete die Bilder der Reihe nach. Auf den ersten drei Aufnahmen war sie beim Entsorgen der Tüten mit den Beweismitteln an drei verschiedenen Orten zu sehen. Die übrigen zeigten Nah- und Detailaufnahmen der Dinge, die sie hatte loswerden wollen. Der Absender hatte sie auf eine weiße Oberfläche gelegt und nacheinander fotografiert. Zuerst sah sie den Kapuzenpulli. Danach kam eine Nahaufnahme der Blutflecken am Ärmel. Anschließend die Laufschuhe und eine weitere Detailaufnahme, auf denen die sternförmigen Umrisse der Blutstropfen, die sie weggewischt hatte, noch deutlich zu erkennen waren. Und schließlich Fotos des Messerblocks und sämtlicher Messer mit Ausnahme der Tatwaffe.

      Anja hätte vorher nicht damit gerechnet, dass sich ihr Unwohlsein noch steigern ließe. Doch nachdem sie sich das letzte Foto angesehen hatte, wurde ihr so schlecht, dass sie ins Bad rennen und sich ein weiteres Mal übergeben musste.

      II

      Hinterher putzte sie sich die Zähne und wusch sich das verschwitzte, gerötete Gesicht.

      Während sie diese alltäglichen Tätigkeiten geradezu automatisch verrichtete, herrschte in ihrem Verstand ein Wirbelsturm an Überlegungen.

      Offensichtlich hatte sie heute früh jemand verfolgt und dabei beobachtet und fotografiert, als sie die Beweise, die sie mit dem Mord an Pfarrer Hartmann eindeutig in Verbindung

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