IM ANFANG WAR DER TOD. Eberhard Weidner

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IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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Wenn sie allerdings tatsächlich sichtbare Blutflecken fand, wäre das ein weiteres schlagkräftiges Indiz, dass sie den Geistlichen getötet hatte.

      Anja ging ins Bad, wo wie in der übrigen Wohnung mit Ausnahme ihres Schlafzimmers noch immer Licht brannte, und holte die schwarze Jeans und den Kapuzenpulli aus der Wäsche. Sie untersuchte die beiden Kleidungsstücke penibel Quadratzentimeter für Quadratzentimeter. Schließlich entdeckte sie zwei kleine dunkle, nahezu kreisrunde Flecken auf dem rechten Ärmel des Pullis, die sie zunächst beinahe übersehen hätte, weil sie sich kaum vom schwarzen Stoff abhoben. Als sie mit dem Zeigefinger darüberstrich, konnte sie jedoch eine harte Kruste spüren. Sie befeuchtete den Teil des Einweghandschuhs, der ihren rechten Zeigefinger bedeckte, mit Speichel und rieb damit über einen der getrockneten Flecken. Als sie ihre Fingerspitze daraufhin ansah, hatte sich auf dem Nitril ein dunkelroter Fleck gebildet. Sie hob den Finger an die Nase und roch daran. Der charakteristische Geruch war nur schwach ausgeprägt, aber dennoch eindeutig.

      Blut!

      Um ganz sicherzugehen, leckte sie daran. Der unverkennbare Geschmack nach Kupfer bestätigte ihr, was sie bereits wusste. Bei den Flecken handelte es sich eindeutig um Blutstropfen!

      An der Hose fand sie hingegen keine Flecken. Aber es konnten dennoch Spuren vom Tatort daran haften. Deshalb stopfte sie den Kapuzenpullover und die Jeans mitsamt dem T-Shirt, den Socken und der Unterwäsche, in denen sie heute Nacht auf der Wohnzimmercouch aufgewacht war, kurzerhand in eine zweite Plastiktüte, die sie zuvor gesäubert hatte.

      Mit der Tüte in der behandschuhten rechten Hand kehrte sie in den Flur zurück und überprüfte ihre Schuhe. Da ihre Laufschuhe weiß waren, entdeckte sie die drei Blutstropfen auf der Spitze des linken Schuhs sofort. Sie waren ebenfalls nahezu kreisrund und sternförmig ausgefranst. Anja nahm an, dass sie beim Zurückziehen des Fleischmessers nach einem der drei Stiche, die sie dem Pfarrer zugefügt hatte, von der blutigen Klinge getropft waren, und erschauderte bei dem Gedanken. Sie trennte sich zwar nur höchst ungern von den bequemen Laufschuhen, doch sie gründlich zu reinigen und aus sentimentalen Gründen zu behalten, könnte sich als fataler Fehler erweisen, weil die Labortechniker das Blut unter Umständen selbst dann noch nachweisen und analysieren konnten.

      Sie wischte daher die eingetrockneten Blutstropfen notdürftig mit einem feuchten Küchentuch ab, das sie anschließend in der Toilette hinunterspülte. Dann steckte sie die Schuhe in eine dritte Tüte.

      Fertig! War’s das jetzt?

      Anja dachte konzentriert nach. Sie glaubte zunächst, dass sie tatsächlich an alles gedacht hatte. Doch ein nagendes Gefühl im Hinterkopf ließ ihr keine Ruhe und gab ihr das unangenehme Gefühl, dass sie etwas Wichtiges übersehen hatte. Nur was?

      Sie vergegenwärtigte sich ein weiteres Mal widerwillig die Szenen des vermeintlichen Albtraums. Dann fiel ihr plötzlich ein, was sie vergessen hatte.

      Was ist mit den Handschuhen?

      Als sie den Mord begangen hatte, hatte sie schwarze Lederhandschuhe getragen. Sie besaß keine derartigen Handschuhe. Aber wenn sie den Wodka hatte besorgen können, ohne sich hinterher daran zu erinnern, dann bestimmt auch Handschuhe.

      Anja durchsuchte daraufhin die komplette Wohnung, fand die Handschuhe aus ihrem Albtraum jedoch nirgends, obwohl sie überall gewissenhaft nachsah. Schließlich kam sie zur Überzeugung, dass die Handschuhe nicht in der Wohnung waren. Sie musste sie bereits auf dem Weg vom Tatort zurück nach Hause irgendwo entsorgt haben. Andernfalls hätten sie hier irgendwo sein müssen.

      Ein Blick auf ihre Uhr zeigte ihr ohnehin, dass es allmählich Zeit zum Aufbruch wurde. Wenn sie die belastenden Gegenstände an verschiedenen Stellen entsorgen wollte, bevor sie schließlich zu ihrer Dienststelle fuhr, musste sie sich allmählich auf die Socken machen.

      III

      Sie rechnete nicht wirklich damit, dass sie schon jetzt auf Schritt und Tritt überwacht wurde, noch ehe die Ergebnisse der Kriminaltechniker und die Laboranalysen vorlagen. Dennoch hielt sie nach einem Verfolger Ausschau, als sie wieder hinter dem Lenkrad ihres Wagens saß und ihn durch die allmählich erwachenden Straßen der bayerischen Landeshauptstadt lenkte. Es wäre nämlich ein schlechter Scherz auf ihre Kosten, wenn sie jetzt angehalten und ihr Wagen durchsucht würde. Schließlich hatte sie alle schlagkräftigen Beweise für ihre Täterschaft hinsichtlich des Mordes an Pfarrer Hartmann im Kofferraum liegen. Die ermittelnden Beamten würden nicht einmal danach suchen müssen, sondern bräuchten alles nur noch auszupacken, um ihr den Mord nachweisen zu können. Ganz abgesehen davon, dass bereits ihre Bemühungen, die Sachen spurlos verschwinden zu lassen, ihre Schuld hinlänglich bewiesen.

      Doch sie zwar gezwungen, ein Risiko einzugehen, wenn sie die Dinge loswerden wollte, bevor sie noch stärker ins Visier der Ermittler geriet.

      Da sie durch ihre langjährige Tätigkeit bei der Vermisstenstelle unter anderem auch einiges darüber gelernt hatte, wie man Gegenstände spurlos verschwinden lassen konnte, hatte sie auch schon ganz konkrete Vorstellungen, wo sie die Tüten mit den Klamotten, den Laufschuhen und dem Messerblock loswerden konnte, ohne dass diese zu ihr zurückverfolgt werden konnten. Und als sie zu guter Letzt die leere Wodkaflasche in einen Altglascontainer warf, woraus ihr niemand einen Strick drehen konnte, und die Einweghandschuhe auszog, atmete sie erleichtert auf. Sie war unendlich froh, dass sie sämtliche Beweise für ihre Schuld losgeworden war. Außerdem war sie überzeugt, dass die Sachen entweder nie mehr auftauchen würden oder zumindest niemand sie mit dem Mord an Pfarrer Hartmann und ihr in Verbindung bringen konnte.

      Bis sie schließlich zu ihrer Dienststelle fuhr, war es längst hell geworden. Sie sah noch immer aufmerksam in den Rückspiegel und überprüfte die Fahrzeuge, die hinter ihr fuhren. Doch ihr war kein anderer Wagen aufgefallen, der ihr über längere Zeit gefolgt wäre.

      So weit, so gut, dachte sie.

      Allerdings wollte sich keine wirkliche Befriedigung darüber einstellen. Denn jäh kam ihr wieder zu Bewusstsein, dass sie eine Mörderin war und einen katholischen Priester umgebracht hatte.

       Aber warum nur?

      KAPITEL 6

      I

      Die Frage nach dem Motiv für ihre Tat beschäftigte sie den ganzen Vormittag, sodass sie sich kaum auf ihre Arbeit konzentrieren konnte. Ständig kamen ihr ungewollt verstörende Bilder ihres vermeintlichen Albtraums in den Sinn, die ihr die brutale Ermordung des Geistlichen immer und immer wieder in Erinnerung riefen und ihr einfach keine Ruhe ließen.

      Zum Glück hatte sie an diesem Tag keinen neuen Vermisstenfall zugeteilt bekommen, der ihre volle Aufmerksamkeit erfordert hätte. Stattdessen war sie mit Routineaufgaben hinsichtlich ihrer zahlreichen offenen Fälle beschäftigt und telefonierte viel, um Menschen aufzuspüren, die möglicherweise gar nicht gefunden werden wollten oder ohnehin in wenigen Tagen von ganz allein in ihr Zuhause zurückkehren würden. Andererseits gab es darunter auch Fälle von Personen, die nicht freiwillig verschwunden waren, was ihren Bemühungen wiederum einen Sinn gab.

      Kriminaloberkommissar Daniel Braun, mit dem Anja das Büro teilte, kam an diesem Morgen eine halbe Stunde zu spät, was bei ihm allerdings nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel war. Er war ganze zehn Zentimeter größer und sechs Jahre jünger als Anja und hatte kurzes dunkelbraunes Haar und einen Vollbart. In seiner Freizeit lief er am liebsten Ultramarathons, von denen er seiner Zimmerkollegin gelegentlich vorschwärmte, und war dementsprechend extrem schlank.

      Braun lächelte beim Hereinkommen entschuldigend, bevor er seinen

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