IM ANFANG WAR DER TOD. Eberhard Weidner

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IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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ging zunächst ins Badezimmer, wusch ihre Hände und ihr Gesicht und putzte sich anschließend die Zähne. Danach trank sie mehrere Schlucke Wasser aus dem Hahn, um ihren Durst zu stillen, und fühlte sich schon wieder etwas besser. Dennoch ertappte sie sich immer wieder dabei, wie sie auf ihre Armbanduhr sah, als liefe ihr die Zeit davon.

      Sie überlegte kurz, ob sie Konstantin anrufen sollte. Vermutlich hätte es bereits eine beruhigende Wirkung auf sie, wenn sie nur seine angenehme Stimme hörte. Allerdings schlief er wahrscheinlich schon, weil er Nachtschicht gehabt hatte. Und da er seinen Schlaf brauchte, wollte sie ihn ungern stören.

      Also ging sie stattdessen in die Küche und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Dabei vermied sie es zunächst, einen Blick auf den Messerblock zu werfen. Doch sobald die Maschine mit einem Gluckern anfing, ihren Dienst zu verrichten, konnte sie es nicht länger hinauszögern. Außerdem musste sie sich endlich Gewissheit verschaffen.

      Sie sah auf den ersten Blick, dass es eine Lücke gab und ein Messer fehlte. Und als sie die vorhandenen Messer überprüfte, stellte sich heraus, dass es sich um das Fleischmesser handelte.

      Also ist es wirklich wahr!

      Anja musste sich an den Küchentisch setzen, weil bei dieser Erkenntnis ihre Knie ganz weich wurden und unter ihr nachzugeben drohten. Allerdings schockierte der Gedanke, dass sie tatsächlich eine Mörderin war, sie dann doch nicht so sehr, wie sie befürchtet hatte. Wahrscheinlich, weil sie es insgeheim schon die ganze Zeit geahnt hatte, seit Krieger ihr mit gehässigem Grinsen in der Kirche die Indizien für ihre Täterschaft präsentiert hatte. Deshalb war der Schock in diesem Augenblick, als sich ihre Ahnung zur Gewissheit verfestigte, auch nicht mehr so groß.

      Sie atmete mehrere Male tief durch und verdrängte das Entsetzen über ihre Tat, die sie zu überwältigen drohte. Dafür hatte sie jetzt einfach keine Zeit.

      Nach einer Weile hatte sie sich wieder halbwegs im Griff. Sie würde sich am Riemen reißen und tun, was getan werden musste, um ihren Arsch zu retten. Auch wenn es ihrem Polizistinnenherz einen schmerzhaften Stich versetzte, dass sie gezwungen war, Beweise in einem Mordfall zu vernichten. Aber die Alternative war undenkbar.

      Sobald der Kaffee fertig war, schenkte sich Anja einen Becher voll und trank ihn schwarz und ohne Zucker, wie sie ihn am liebsten mochte. Er war noch so heiß, dass sie sich die Lippen und den Gaumen verbrühte. Aber der Schmerz war nicht so schlimm. Im Gegenteil, er half ihr dabei, ihre Gedanken zu ordnen und in die richtigen Bahnen zu lenken, anstatt ständig darüber nachzugrübeln, was sie getan hatte. Sie war sich sicher, dass sie einen triftigen Grund dafür gehabt hatte. Und ändern konnte sie daran jetzt ohnehin nichts mehr. Alles, was sie noch tun konnte, war Schadensbegrenzung zu betreiben, um nicht im Gefängnis zu landen.

      Also nichts wie an die Arbeit!

      Nachdem sie den ersten Becher Kaffee leergetrunken hatte, zog sie Einweghandschuhe an, die sie sonst immer benutzte, wenn sie die Wohnungen oder Häuser vermisster Personen durchsuchte.

      Zuerst säuberte sie sämtliche Messer und den Messerblock aus Holz gründlich. Anschließend übergoss sie alles zusätzlich großzügig mit Rohrreiniger, den sie ein paar Minuten einwirken ließ. Auch wenn sie damit erfahrungsgemäß nicht sämtliche organischen Spuren beseitigen konnte, würde sie mit diesen Maßnahmen die Arbeit des kriminaltechnischen Labors erheblich erschweren. Außerdem war es nur eine Vorsichtsmaßnahme, falls die Sachen wider Erwarten gefunden und mit dem Mordfall in Verbindung gebracht wurden. Der stark ätzende Reiniger reizte ihre Augen und stach ihr in der Nase. Deshalb öffnete sie das Fenster, um zu lüften. Danach spülte sie alles mit klarem Wasser, trocknete es ab und packte es in die Plastiktüte eines Discounters, die sie vorher ebenfalls sorgfältig abgewischt hatte.

      Anschließend ging Anja ins Wohnzimmer. Dabei ließ sie überall das Licht brennen, als hätte sie Angst vor der Dunkelheit.

      Das Wohnzimmer sah noch immer so aus, wie sie es nach Kriegers Anruf hinterlassen hatte. Der Geruch nach Alkohol weckte in ihr unwillkürlich den Wunsch, etwas Hochprozentiges zu trinken, obwohl sich ihr dabei gleichzeitig der Magen umdrehte. In der umgekippten Wodkaflasche befand sich nur noch ein kleiner Rest. Die Versuchung war groß, die Flasche einfach auszutrinken; doch Anja widerstand ihr. Der Alkohol hatte in dieser Nacht schon genug Unheil angerichtet. Außerdem vergegenwärtigte sie sich, dass sie neun Monate lang keinen Tropfen getrunken und zuletzt auch nicht länger das Bedürfnis danach verspürt hatte. Das half, um ihre Widerstandskraft zu stärken und standhaft zu bleiben. Und so nahm sie die Flasche und das Glas, trug beides rasch in die Küche und leerte den Rest der hochprozentigen Flüssigkeit in den Ausguss. Danach kehrte sie mit einem nassen Lappen ins Wohnzimmer zurück, öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen, und wischte den Tisch ab.

      Nachdem sie den Lappen in die Küche zurückgebracht hatte, kam sie wieder zurück und sah sich aufmerksam im ganzen Zimmer um. Zunächst schien alles an seinem Platz zu sein. Nichts deutete noch auf ihren Alkoholexzess oder den Mord an Pfarrer Hartmann hin. Doch dann entdeckte sie in einem Regal eine Mappe aus dunkelblauem Karton mit Gummikordel zum Verschließen, die sie normalerweise im Schrank aufbewahrte und auf der mehrere großformatige Fotos lagen. In der Mappe sammelte sie alle Fotografien, die ein größeres Format besaßen und daher nicht in die normalen Einsteckalben passten. Es handelte sich dabei vor allem um Gruppenfotos und größtenteils um Klassenfotos aus ihrer Schulzeit.

      Anja konnte sich nicht erinnern, dass sie sich in letzter Zeit die Fotos angesehen hatte. Es musste also zur Zeit ihres Blackouts geschehen sein.

      Sie nahm die Mappe und die Fotos, setzte sich auf die Couch und sah sich die Bilder an, die sie herausgenommen und allem Anschein nach angeschaut hatte, während sie letzte Nacht hier gesessen und Wodka gesoffen hatte.

      Obenauf lag das Gruppenfoto ihrer Erstkommunion, das nach dem Gottesdienst vor der Kirche aufgenommen worden war. Anja in ihrem weißen Kommunionkleid stand in der Mitte der zweiten Reihe. Ganz rechts war Pfarrer Hartmann in seinem liturgischen Gewand mit den Ministranten zu sehen. Das Gesicht des Geistlichen war allerdings nicht mehr zu erkennen; es war so oft mit blauem Kugelschreiber übermalt worden, dass die Mine ein Loch im Fotopapier hinterlassen hatte.

      War sie das etwa gewesen?

      Wer sonst, Dummkopf?

      Anja seufzte. Wenn Krieger dieses Foto zu Gesicht bekäme, wäre er bestimmt überglücklich und würde sie sogar ohne Haftbefehl festnehmen. Also musste sie dafür sorgen, dass er es nie zu sehen bekam. Und obwohl es ihr leidtat, dass sie es vernichten musste, führte doch kein Weg daran vorbei.

      Sie legte es beiseite und sah sich die nächste Aufnahme an. Es handelte sich um ein Gruppenfoto aus dem Kindergarten, auf dem alle Kinder und Erzieherinnen zu sehen waren. Allerdings war kein Gesicht übermalt oder ausgemerzt worden. Danach kamen Klassenfotos aus der Grundschule und dem Gymnasium; aber auch sie waren unversehrt.

      Anja legte die übrigen Bilder in die Mappe zurück, verschloss sie und brachte sie an ihren Platz im Wohnzimmerschrank zurück. Dann nahm sie das Foto ihrer Erstkommunion und ging damit in die Küche. Sie legte es in die leere Spüle und zündete es dann mithilfe einer Streichholzschachtel an, die sie für den Notfall in einer der Schubladen aufbewahrte. Und wenn das hier kein Notfall war, was dann? Sie wartete, bis die Aufnahme restlos verbrannt war. Dann öffnete sie den Wasserhahn und spülte die Aschereste weg. Sie ließ das Wasser eine Weile laufen, um dafür zu sorgen, dass nichts zurückblieb. Währenddessen überlegte sie, was noch zu tun war.

      Die Klamotten!

      Richtig! Sie musste alles, was sie beim Aufwachen getragen hatte, im Hinblick auf frische Blutspuren überprüfen. Obwohl es ohnehin am besten war, wenn die die Sachen auf alle Fälle entsorgte. Sie

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