IM ANFANG WAR DER TOD. Eberhard Weidner

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IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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sich, wenn sie denn wollten, bei der Arbeit ansehen konnten. Doch meistens wollten sie das natürlich nicht und konzentrierten sich stattdessen auf ihre Arbeit.

      Sie wünschten sich einen guten Morgen. Und obwohl sie nie viel miteinander sprachen, vor allem selten über private Dinge, was Anja ganz recht war, versuchte Braun dennoch, ein wenig Konversation zu betreiben. Doch Anja war an diesem Morgen nicht nach Reden zumute. Sie gab sich daher noch wortkarger als sonst und beantwortete seine Fragen allenfalls einsilbig. Sofern sie sich nicht ohnehin darauf beschränkte, zustimmend oder ablehnend zu brummen, was sich kaum voneinander unterscheiden ließ.

      Braun merkte daher schnell, dass Anja schlechte Laune hatte oder einfach nur nicht reden wollte. Er fragte nicht nach, welche Laus seiner Kollegin über die Leber gelaufen war, sondern stellte seine fruchtlosen Bemühungen einfach ein. Für beides war Anja ihm dankbar, auch wenn sie nicht in der Stimmung war, ihm das auch mitzuteilen.

      Nach einer halben Stunde, in der sie schweigend ihre Akten bearbeitet oder telefoniert hatten, verabschiedete sich Braun schon wieder, da er in einem seiner offenen Fälle einen Gesprächstermin außer Haus hatte. Er zog seinen Mantel an, verabschiedete sich und verließ mit einer Fallakte in der Hand das gemeinsame Büro.

      Anja seufzte erleichtert, sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte und sie wieder allein war. Einerseits war sie froh darüber, da sie nun nicht mehr unter ständiger Beobachtung stand und so tun musste, als wäre alles in bester Ordnung. Andererseits hatte Brauns Gegenwart dafür gesorgt, dass sie sich gezwungenermaßen auf die Fälle konzentrieren musste, die sie bearbeitet hatte. Doch kaum war er weg, gelang ihr das nicht mehr so gut.

      Sie klappte daher die Vermisstenakte zu, lehnte sich zurück und ließ den Schreibtischstuhl um neunzig Grad rotieren, bis sie aus dem Fenster schauen konnte. Obwohl es draußen herbstlich kühl war, schien die Sonne.

      Anja hatte urplötzlich das Gefühl, ihr würde die Decke auf den Kopf fallen, wenn sie noch länger hierblieb. Sie spürte eine innere Unruhe, die es ihr schwermachte, weiterhin ruhig auf ihrem Stuhl sitzen zu bleiben.

      Außerdem ging ihr alles wieder durch den Kopf, worüber sie, seit sie ins Büro gekommen war, nicht hatte nachdenken wollen. Doch die Gedanken ließen sich nicht unterdrücken, zumindest nicht auf Dauer. Vor allem eine Frage kam ihr sofort wieder in den Sinn.

      Wieso habe ich Pfarrer Hartmann getötet?

      Diese Frage erschien ihr wie der Dreh- und Angelpunkt des Dilemmas, in das sie sich durch den Mord manövriert hatte.

      Doch sie war der Antwort noch keinen einzigen Schritt nähergekommen. Wie denn auch? Sie wusste ja nicht einmal, wo sie mit ihren Ermittlungen anfangen sollte. Denn wenn sie begann, im Leben des Geistlichen herumzuschnüffeln und Leute über ihn zu befragen, dann würden das früher oder später auch die beiden Mordermittler erfahren. Und Anjas Interesse an dem Mordopfer würde sie natürlich noch misstrauischer machen, als sie ohnehin schon waren. Sie würden sich zu Recht fragen, wonach Anja eigentlich suchte.

      Außerdem würden Englmair und Krieger im Laufe ihrer Mordermittlungen die letzten Stunden und Tage des Pfarrers ohnehin durchleuchten, sodass sie sich die Mühe sparen konnte. Als Verdächtige war sie allerdings von diesen Ermittlungen ausgeschlossen. Und von Krieger, der von ihrer Schuld felsenfest überzeugt zu sein schien, würde sie nichts darüber erfahren. Aber vielleicht würde Englmair ihr sagen, was sie wissen wollte. Die einzige Schwierigkeit dabei war, ihn allein zu erwischen, ohne dass Krieger an seinem Rockzipfel hing. Schließlich wurden sie nicht ohne Grund als siamesische Zwillinge bezeichnet.

      Anja drehte sich mitsamt dem Stuhl und stand auf. Sie konnte nicht länger tatenlos in ihrem Büro hocken, sondern musste endlich etwas unternehmen. Krieger war im Augenblick wahrscheinlich damit beschäftigt, weitere Indizien oder Beweise dafür zu sammeln, dass sie den Geistlichen ermordet hatte. Da konnte sie es sich nicht leisten, zuzusehen, wie sich die Schlinge um ihren Hals allmählich immer enger zuzog, und Däumchen zu drehen. Stattdessen musste sie endlich die Initiative ergreifen. Auch wenn sie als Mörderin nicht in der Lage war, ihre Unschuld zu beweisen, musste sie zumindest herausfinden, warum sie den Priester umgebracht hatte. Gleichzeitig würde sie nach Möglichkeit ihre Spuren verwischen und eventuelle Beweise vernichten.

      Sie verließ das Zimmer und trat in den Gang. Die Büros der Vermisstenstelle befanden sich zusammen mit einer Reihe anderer Kommissariate in einem Bürokomplex in der Hansastraße 24 im Stadtteil Sendling-Westpark unweit ihrer Wohnung. Anja ging durchs Treppenhaus ein Stockwerk höher in die dritte Etage und näherte sich vorsichtig den Büros der Mordkommission. Dabei sah sie sich immer wieder um und fühlte sich wie die Verdächtige, die sie in Kriegers Augen auch war.

      Wenn sie wüsste, ob Englmair ausnahmsweise alleine war, würde sie ihn einfach in seinem Büro aufsuchen. Doch wie sollte sie das erfahren? Sie könnte ihn natürlich einfach anrufen, doch Krieger würde anhand von Englmairs Anteil an ihrer Unterhaltung wahrscheinlich sofort spitzkriegen, dass der Kollege mit seiner momentanen Hauptverdächtigen in einem Mordfall sprach. Also beschloss sie, sich stattdessen auf die Lauer zu legen und auf eine günstige Gelegenheit zu warten.

      Sie blieb vor dem Kaffeeautomaten stehen, der im Gang an der Wand stand. Von hier aus hatte sie die Tür zum Büro der beiden Mordermittler gut im Blick, ohne dass sie selbst sofort gesehen wurde. Sie suchte in ihren Hosentaschen nach Kleingeld, um sich einen Kaffee zu besorgen. Damit würde es in den Augen anderer Kollegen nicht so verdächtigt wirken, wenn sie völlig unmotiviert eine Weile im Flur herumstand.

      Obwohl das Gebräu, das sie erhielt, nicht nach Kaffee roch oder aussah, nippte sie dennoch vorsichtig daran. Sofort verzog sie angewidert das Gesicht. Ihrer Meinung nach hatte die schmutzig braune Flüssigkeit nicht das Geringste mit richtigem Bohnenkaffee zu tun. Allerdings musste sie es auch nicht trinken; es reichte, wenn sie es zur Tarnung in der Hand hielt und ab und zu so tat, als würde sie daran nippen. Außerdem holte sie ihr Smartphone heraus und hielt es ans Ohr, als würde sie ein Telefonat führen.

      Als eine Bürotür ganz in der Nähe aufging, setzte Anjas Herzschlag für einen Augenblick aus. Doch es war nicht die Tür zu Kriegers und Englmairs Zimmer, sondern ein anderes Büro. Eine Kollegin der Mordkommission trat in den Gang und schloss die Tür hinter sich ab. Sie grüßten sich mit einem Nicken, dann marschierte die Mordermittlerin an Anja vorbei in Richtung Aufzug.

      Im Laufe der nächsten halben Stunde kamen noch weitere Kollegen vorbei, die Anja ebenfalls stumm grüßte, während sie vorgab, zu telefonieren und dabei Automatenkaffee zu trinken. Allmählich verlor sie allerdings die Geduld. Außerdem wuchs die Gefahr, dass jemand zum zweiten Mal vorbeikam und sich wunderte, dass Anja noch immer hier herumstand. Sie überlegte bereits, ob sie den Kaffee, der längst kalt und damit vermutlich noch ungenießbarer geworden war, in den Mülleimer neben dem Automaten werfen und in ihr Büro zurückgehen sollte. Doch da ging endlich die Bürotür der sogenannten siamesischen Zwillinge auf.

      Obwohl Anja die ganze Zeit darauf gewartet hatte, dass genau das passierte, erschrak sie jetzt dennoch und zuckte zusammen. Kalter Kaffee lief über ihre Hand und tropfte zu Boden, und sie verzog das Gesicht. Sie stand neben dem Automaten, der ihr Sichtschutz gab, und presste unwillkürlich ihren Rücken gegen die Wand. Vorsichtig spähte sie um die Kante des Geräts in die Richtung, in der das Büro von Krieger und Englmair lag.

      Interessiert stellte sie fest, dass es Krieger war, der gerade das Büro verließ; und er war tatsächlich allein. Er zog die Tür hinter sich zu und sah dabei nicht in ihre Richtung. Wenn er allerdings diesen Weg nahm, würde er sie unweigerlich entdecken. Sie feilte daher bereits an einer Ausrede, warum sie nicht den Automaten auf ihrem Stockwerk benutzt und stattdessen nach oben gekommen war. Bei seinem augenblicklichen Misstrauen ihr gegenüber ging sie jedoch ohnehin nicht davon aus, dass er ihr glaubte. Doch zum Glück kam sie erst gar nicht in die Lage, ihm eine Lüge auftischen

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