IM ANFANG WAR DER TOD. Eberhard Weidner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner страница 31

IM ANFANG WAR DER TOD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

Скачать книгу

ändern. Und der Mann, der ihm so verdammt ähnlich sah und nun erwartungsvoll vor ihr stand, hatte ihn möglicherweise ermordet.

      »Ja«, sagte sie daher und nickte zur Bekräftigung heftig. »Mir geht’s gut. Es ist nur …« Sie schüttelte den Kopf. »Diese Ähnlichkeit …«

      Christian nickte mit ernster Miene. »Frank und ich sahen uns schon immer sehr ähnlich. Und das, obwohl er fünf Jahre älter war als ich. Als wir noch Kinder waren, war er natürlich größer als ich. Aber später, als wir beide erwachsen waren, hielten uns manche Leute sogar für Zwillinge. Das hat ihn in der Regel ziemlich geärgert.«

      Endlich gelang es Anja, seine Hand zu ergreifen. Bei dem Gedanken, dass er damit vielleicht den eigenen Bruder umgebracht und das Ganze anschließend so überzeugend als Selbsttötung inszeniert hatte, dass alle darauf hereingefallen waren, wurde ihr ein bisschen schlecht. Am liebsten hätte sie ihre Hand zurückgerissen und an ihrem Hosenbein abgewischt. Doch sie bemühte sich, ihr Unwohlsein und ihren Widerwillen zu unterdrücken und sich von ihren wahren Gefühlen nichts anmerken zu lassen.

      Endlich ließ er ihre Hand los. Anja widerstand tapfer dem Drang, sie abzuwischen. Noch immer konnte sie allerdings den Blick nicht von ihm lösen.

      Ihr Patenonkel war eine knappe Handbreit größer als sie und von schlanker Statur. Er hatte graugrüne Augen und noch immer volles Haar. Dessen ursprünglich hellbraune Farbe war allerdings nur noch an wenigen Stellen sichtbar, im Übrigen indessen längst ergraut. Sein schmales Gesicht, das ein bisschen so aussah, als wäre es wie eine Gummimaske in die Länge gezogen worden, wies nur wenige Falten auf und war glattrasiert. Auffallend war eine alte, blasse Narbe, die von seinem Nasenrücken über die linke Wange verlief, ihn aber nicht verunstaltete. Trotz seines Alters war er noch immer ein attraktiver Mann. Er lächelte freundlich. Dabei fiel Anja auf, dass seine Mundpartie ihrer eigenen ähnelte, denn wie bei ihr war sein Mund etwas zu breit geraten. Außerdem waren seine Lippen sehr schmal. Es handelte sich allem Anschein nach um eine Familienähnlichkeit, die sie aufgrund der Gene ihres Vaters mit dessen Bruder gemeinsam hatte.

      Sie erschauderte erneut, als ihr bewusst wurde, dass sie mit einem Mann etwas gemein hatte, der möglicherweise ein skrupelloser mehrfacher Mörder war. Deshalb wandte sie rasch den Blick ab und konzentrierte sich stattdessen auf die beiden Begleitpersonen ihres Onkels.

      »Das sind mein Sohn Oliver und meine Tochter Judith«, stellte Christian die beiden jungen Leute vor. »Oliver und Judith, das sind eure Cousine Anja und ihre Mutter Dagmar.«

      Alle begrüßten sich und tauschten einen Händedruck aus.

      Oliver sah nach Anjas Überzeugung seinem Vater überhaupt nicht ähnlich, sondern kam vermutlich eher nach seiner Mutter. Zumindest, wenn diese ihrerseits einen dunkleren Teint, braune Augen und dunkelbraunes Haar gehabt hatte. Er hatte einen gepflegten Dreitagebart, trug die Haare lang, sodass sie ihm bis auf die Schultern fielen, und überragte seinen Vater sogar noch um einige Zentimeter. Außerdem hatte er ein breiteres Kreuz und eine größere Schulterbreite. Anja konnte sich ihren Cousin daher gut auf einem Brett beim Wellenreiten vor der Küste Südafrikas vorstellen. Er grinste breit und jungenhaft, während er ihre Hand kräftig drückte und schüttelte, und war Anja vom ersten Moment an sympathisch. Hatte sie bislang eher gemischte Gefühle gehabt, was dieses Treffen und Kennenlernen anging, das sie eher an ein Blind Date mit drei Unbekannten erinnert hatte, so bereute sie es nun nicht mehr, dass sie zugesagt hatte.

      Obwohl Judith sowohl helleres Haar als auch eine entschieden blassere Haut als ihr Bruder hatte, wirkte sie auf Anja gleichwohl düsterer. Sie erwiderte Anjas freundliches Lächeln nicht, sondern sah sie argwöhnisch an, als hätte sie noch nicht entschieden, ob sie ihre Cousine mochte oder nicht. Anja ging es im Grunde ebenso, wobei sie aufgrund ihres ersten Eindrucks eher dahin tendierte, Judith nicht zu mögen. Deshalb verblasste ihr Lächeln etwas, als sie ihrer Cousine, die ihren Händedruck kaum erwiderte, kurz die Hand schüttelte. Auch sonst war Judith das genaue Gegenteil ihres Bruders. Hätten Gentechniker zwei grundverschiedene Menschen herstellen wollen, dann wäre vermutlich so etwas wie dieses Geschwisterpaar herausgekommen. Judith hatte hellblondes, mittellanges Haar und grüne Augen. Sie und Anja hatten in etwa die gleiche Größe und Statur. Und da Judith eine vage Ähnlichkeit mit ihrem Vater hatte, gab es die auch zwischen den beiden Cousinen, auch wenn sie nur schwach ausgeprägt war und nicht sofort ins Auge sprang. Erst wenn man gezielt danach suchte, konnte man sie entdecken.

      Nach der Begrüßung und dem ersten Beschnuppern zogen die Neuankömmlinge ihre Mäntel und Jacken aus. Dann nahmen alle am Tisch Platz. Oliver und Judith saßen Anja und ihre Mutter gegenüber, während sich Christian, als wäre er das Oberhaupt der Sippe, links von Anja an die Stirnseite des Tisches setzte.

      Als die Bedienung kam, um die Getränkeorder entgegenzunehmen, bestellte Christian ein dunkles Weißbier. Er sagte, dass er in all den Jahren in Südafrika nichts so sehr vermisst habe wie das gute bayerische Bier. Anja hatte erwartet, dass Oliver ebenfalls ein Bier nehmen würde, doch er trank eine Cola. Judith hingegen folgte dem Beispiel ihres Vaters und bestellte auch ein Bier.

      Nachdem die Bedienung gegangen war, herrschte für ein paar zähe Augenblicke unbehagliches Schweigen. Jeder mit Ausnahme von Judith schien nach einem geeigneten Gesprächsthema zu suchen, um eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Es war Dagmar, die schließlich als Erste das Wort ergriff und das momentan herrschende Wetter thematisierte. Also sprachen sie über den teils nasskalten, kühlen Herbst in Deutschland und verglichen ihn mit den Temperaturen und Bedingungen in Südafrika, bis schließlich die Getränke der Neuankömmlinge gebracht wurden. Dann stießen sie an und tranken.

      »Freut mich wirklich riesig, dass ihr beiden diesem Treffen zugestimmt habt«, sagte Christian, nachdem er sein Glas abgesetzt hatte, und leckte sich den Bierschaum von den Lippen. »Es war wirklich allerhöchste Zeit, dass sich Anja, Oliver und Judith endlich kennenlernen.«

      »An uns lag es nicht, dass es vorher nicht geklappt hat«, erwiderte Dagmar in ihrer direkten Art.

      Anja hätte ihr am liebsten heimlich mit dem Ellbogen einen Rippenstoß versetzt oder sie unter dem Tisch getreten. Bei der Vielzahl von Beinen, die sich dort unten tummelten, hatte sie jedoch Angst, der Tritt könnte jemand anderen treffen. Was ihre Mutter gesagt hatte, stimmte zwar, aber man musste es ja nicht unbedingt laut aussprechen. Aber so war ihre Mutter nun mal. Im diplomatischen Dienst hätte sie nur schwerlich Karriere gemacht.

      Für einen Moment herrschte am Tisch atemloses Schweigen. Alle sahen Dagmar an, Christian und Oliver überrascht, Judith mit finsterem Gesichtsausdruck, als läge ihr eine gepfefferte Erwiderung auf der Zunge.

      Dann lachte Christian. »Genau so habe ich meine Schwägerin Dagmar noch von früher in Erinnerung. Du hast schon damals kein Blatt vor den Mund genommen und auch unangenehme Wahrheiten zur Sprache gebracht. Anscheinend hast zumindest du dich kein bisschen verändert.«

      Alle bis auf Judith lachten. Die Stimmung, die vor wenigen Sekunden noch kurz davor gewesen war, umzukippen, wurde schlagartig besser.

      Nachdem die Bedienung die Speisekarten gebracht hatte, war jeder eine Weile damit beschäftigt, darin zu blättern und etwas auszusuchen, das nach seinem Geschmack war. Die Männer bestellten Pizza. Judith nahm einen großen gemischten Salat. Anja hatte keinen großen Hunger, dafür aber noch immer Durst. Da sie aufgrund ihrer früheren Besuche wusste, dass die Nudeln aus eigener Herstellung waren, bestellte sie wie ihre Mutter Tagliatelle mit Steinpilzen und dazu ein weiteres großes Wasser.

      »Mama sagte, dass … du im Ruhestand bist und deinen Lebensabend hier verbringen willst«, sagte Anja, als sie auf das Essen warteten. Sie war schließlich nicht gekommen, um nur Smalltalk zu machen, sondern wollte vor allem mehr über ihren Onkel erfahren. Beinahe wäre ihr dabei ein Missgeschick widerfahren, und sie hätte ihn gesiezt. Immerhin

Скачать книгу