Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth
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Читать онлайн книгу Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth страница 6
Während der Haft Cléments erkrankte der König in Brandenburg an einer gefährlichen Nierenkolik und heftigem Fieber. Er schickte sofort eine Stafette nach Berlin, um die Königin zu sich zu berufen. Die Fürstin machte sich alsbald und so eilig auf, dass sie noch am selben Abend in Brandenburg anlangte.
Brandenburg
Der Zustand des Königs hatte sich sehr verschlimmert. Er war überzeugt, dass er sterben würde, und machte sein Testament; diejenigen, denen er seinen letzten Willen diktierte, waren Leute von erprobter Ehrenhaftigkeit und Treue. Er setzte darin die Königin zur Regentin des Landes während der Minderjährigkeit meines Bruders ein, und den Kaiser und den König von England zu Vormündern des jungen Fürsten. Grumbkow wie der Fürst von Anhalt blieben darin aus mir unbekannten Gründen unerwähnt. Er hatte ihnen jedoch einige Stunden vor der Ankunft der Königin eine Stafette geschickt mit der Order, sich zu ihm zu verfügen. Ich weiß nicht, welcher Zwischenfall ihre Abreise verzögerte. Der König hatte sein Testament nicht unterzeichnet; vermutlich hatte er sie berufen, um es ihnen mitzuteilen und vielleicht einige sie betreffende Klauseln hinzuzufügen. Er war so gereizt über ihre Verspätung, und seine Krankheit hatte sich so verschlimmert, dass er nicht mehr zögerte, es zu unterschreiben. Die Königin erhielt eine Abschrift davon, und das Original wurde in das Berliner Archiv gebracht. Kaum war die Urkunde vollzogen, als der König ruhiger wurde; sein Generalarzt Holtzendorff (Ernst Konrad 1688 – 1751) verordnete ihm noch im rechten Augenblick ein damals sehr beliebtes Medikament: die Brechwurzel. Dies Mittel rettete ihm das Leben. Fieber und Schmerzen ließen bis zum Morgen wesentlich nach, so dass alle Hoffnung für seine Genesung bestand. Von da ab datiert Holtzendorffs Glück und seine Gunst beim König, auf die ich später zu sprechen kommen werde.
Der Fürst von Anhalt und sein Spießgeselle kamen indes gegen Morgen an. Der König geriet in große Verlegenheit, da er ihrerseits heftiger Vorwürfe gewärtig war, weil er sie im Testamente nicht erwähnt hatte. Und er wusste sich nicht anders zu helfen, als indem er der Königin, den Zeugen und jenen, die das Testament ausfertigten, den Schwur abnahm, über den Inhalt ewiges Schweigen zu bewahren.
Trotz aller Vorkehrungen, die der König getroffen hatte, erfuhren die beiden Interessenten sehr bald, was sich zugetragen hatte. Dass man ihnen ein solches Geheimnis daraus machte, konnte ihnen die Wahrheit des Vorgangs nur bestätigen, umso mehr, als sie vernahmen, dass eine Abschrift des Testamentes in Händen der Königin wäre. Es war für sie ein vernichtender Schlag. Die Krankheit des Königs hatte sich gebessert, doch war er noch nicht außer Gefahr. Sie wagten nicht, ihm von der Sache zu sprechen; jede Gemütserregung hätte ihm das Leben kosten können. Aber ihre Sorge legte sich bald; das Übel besserte sich so schnell, dass er nach acht Tagen vollständig hergestellt war. Sobald er ausgehen konnte, fuhr er nach Berlin zurück. Von dort begab er sich nach Wusterhausen, wohin ihm die Königin folgte. Er wurde jetzt von Tag zu Tag misstrauischer und argwöhnischer. Seit der Enthüllung der Clémentschen Intrigen ließ er sich alle Briefe vorzeigen, die in Berlin ein- und ausliefen, und legte sich nicht mehr zu Bett, ohne seinen Degen und ein Paar geladene Pistolen neben sich zu haben.
Der Fürst von Anhalt und Grumbkow konnten keinen Schlaf finden; die Testamentsgeschichte ging ihnen so stark im Kopfe herum, da sie ihre früheren Pläne noch nicht aufgegeben hatten. (Mit der Gesundheit des Königs und der meines Bruders war es damals nicht wohl bestellt, und mein zweiter Bruder lag in der Wiege.) Ihre Tücke ließ sie auf Mittel und Wege sinnen, um den Inhalt dieses wichtigen Schriftstückes zu erfahren und es vielleicht den Händen der Königin zu entreißen; gelang ihnen dies, so würden sie es sicher dahinbringen, dass das Testament für ungültig erklärt, der König endgültig mit der Königin entzweit würde und ihre Pläne gelängen. Sie fingen es folgendermaßen an: Ich habe schon den neuen Günstling der Königin, Frau von Blaspiel, erwähnt. Sie konnte für eine Schönheit gelten; ihr gründlicher und lebhafter Verstand erhöhte noch die Reize ihrer Person.
Ihr Herz war edel und aufrichtig, aber zwei große Fehler, die unglücklicherweise den meisten Frauen anhaften, verdunkelten ihre schönen Eigenschaften: sie war kokett und neigte zur Intrige. Ein sechzigjähriger gichtiger und unangenehmer Gatte war auch nicht eben etwas Verlockendes für eine junge Frau. Viele Leute behaupteten sogar, sie habe mit ihm gelebt wie die Kaiserin Pulcheria mit dem Kaiser Marcian. Der Graf von Manteuffel, sächsischer Gesandter am preußischen Hofe, hatte ihr Herz zu rühren vermocht. Sie hatten ihr Liebesverhältnis so geheimzuhalten gewusst, dass man bisher nicht den leisesten Zweifel an der Tugend der Dame gehegt hatte. Der Graf verreiste auf kurze Zeit nach Dresden. Um sich für die Trennung von der Geliebten zu trösten, schrieb er ihr mit jeder Post, und sie antwortete ihm. Diese unheilvolle Korrespondenz stürzte Frau von Blaspiel ins Unglück; ihre Briefe wie die ihres Geliebten fielen in die Hände des Königs.
Dieser witterte in seinem Argwohn eine Staatsintrige und berief Grumbkow zu sich, der als der Erfahrene in Liebesfragen sofort den wahren Sachverhalt vermutete. Doch ließ er sich nichts merken, denn dieser Zwischenfall kam ihm wie gerufen. Er war mit Manteuffel eng befreundet und beim König von Polen sehr in Gunst. Dieser Fürst hatte allen Grund, sich mit dem Berliner Hofe gutzustellen.
Karl XII. von Schweden
Karl XII. von Schweden lebte noch, so dass stets neue Revolutionen in Polen zu befürchten waren; mit Hilfe meines Vaters konnte er sich dagegen schützen. Grumbkow versprach ihm die Unterstützung seines Ministeriums und sagte zu, stets zwischen den zwei Höfen volles Einverständnis zu erhalten, sofern der König von Polen auf seine Pläne eingehen und den Grafen von Manteuffel dementsprechend anweisen wollte. Der König zögerte nicht, seine Beistimmung zu geben, und schickte diesen Gesandten nach Berlin zurück. Grumbkow rückte jetzt mit der ganzen Testamentsgeschichte heraus und sagte ihm sogar, dass er von seinem Verhältnis zu Frau von Blaspiel wisse; man wünsche nun von ihm, er möge die Dame veranlassen, das Testament des Königs den Händen der Königin zu entziehen. Es war eine schwierige Angelegenheit. Manteuffel wusste, wie treu sie der Königin ergeben war. Dennoch wagte er‘s, ihr davon zu sprechen. Frau von Blaspiel brachte es nur schwer übers Herz, seinen Wunsch zu erfüllen; aber die Liebe zu Manteuffel ließ sie endlich vergessen, was sie sich selbst und ihrer Gebieterin schuldig war. Durch seine Versicherungen, wie treu er selbst der Königin ergeben sei, geblendet, glaubte Frau von Blaspiel, dass die Sache nicht von großer Bedeutung sei; sie wusste wohl, wie gänzlich sie das Herz der Königin beherrschte, und bald diese, bald jene Saiten aufziehend, vermochte sie sie endlich zu überreden, ihr das unselige Schriftstück anzuvertrauen, jedoch unter der Bedingung, es ihr, sobald sie es gelesen haben würde, zurückzugeben. –
Sobald sich der Graf von Manteuffel im Besitze des Testamentes sah, machte er eine Abschrift davon, die er Grumbkow übermittelte. Dieser fand seinen Wunsch nur zur Hälfte erfüllt. Worauf er ausging, war das Original. Doch gab er die Hoffnung nicht auf, es mit der Zeit doch noch zu erlangen, falls er geschickt zu Werke ging.
Die Königin fing an, Einfluss auf den König zu gewinnen. Sie verhalf ihm zu Rekruten für sein Regiment; und der König von England überhäufte ihn mit Aufmerksamkeiten. Die kalte Zurückhaltung, mit welcher der König das Drängen des Fürsten von Anhalt und Grumbkows betreffs meiner Vermählung mit dem Markgrafen von Schwedt entgegennahm, hatte ihnen bewiesen, dass seine Gunst nicht mehr dieselbe war. Mehrere Umstände halfen noch, sie in dieser Meinung zu bestärken. Der König zeigte sich nur noch selten in der Öffentlichkeit; er litt an einer Art Hypochondrie, die ihn melancholisch stimmte;