Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth

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Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth gelbe Buchreihe

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diese Idee und unterhielt sich lange mit mir. Ich war gut unterwiesen worden; sprach also von seiner Flotte und seinen Siegen, was ihn so freute, dass er mehrmals zur Zarin sagte, er gäbe eine seiner Provinzen her, um ein Kind wie mich zu haben. Auch die Zarin war sehr zärtlich mit mir. Die Königin und sie nahmen, jede auf einem Sessel, unter dem Baldachin Platz; ich neben der Königin und die königlichen Prinzessinnen ihr gegenüber.

       Die Zarin war klein und gedrungen, sehr gebräunt, unansehnlich und ungraziös. Man brauchte sie nur anzusehen, um ihre niedrige Abkunft zu vermuten. Man hätte sie ihrem Aufzug nach für eine deutsche Komödiantin gehalten. Ihr Gewand war wohl von einer Trödlerin gekauft. Es war ganz altmodisch, mit viel Silber und Schmutz überzogen; die Vorderseite ihres Rockes mit Steinen besetzt. Sie bildeten ein seltsames Muster: einen Doppeladler, dessen Federn mit den kleinsten Diamantensplittern besetzt und sehr schlecht gefasst waren. Sie trug ein halb Dutzend Orden und ebenso viele Heiligenbilder und Reliquien, die längs der Verzierungen ihres Kleides angebracht waren, und wenn sie ging, glaubte man, es käme ein Maultier daher: All die Orden an ihr klirrten wie Schellen zusammen. – Der Zar hingegen war sehr groß und ziemlich gut gewachsen; sein Gesicht war schön, aber der Ausdruck hatte etwas Raues und Furchteinflößendes. Er trug einen matrosenartigen Anzug ohne jegliche Tressen. Die Zarin, die sehr schlecht Deutsch sprach und nicht gut verstand, was die Königin ihr sagte, rief ihre Närrin herbei und unterhielt sich auf Russisch mit ihr. Diese beklagenswerte Kreatur war eine Fürstin Galitzin und hatte sich zu diesem Amte bequemen müssen, um ihr Leben zu retten. Da sie bei einer Verschwörung wider den Zaren beteiligt war, hatte man ihr zweimal die Knute gegeben. Ich weiß nicht, was sie der Zarin sagte, aber diese brach in helles Gelächter aus.

      Man ging endlich zu Tische, wo der Zar neben der Königin Platz nahm. Bekanntlich war gegen ihn in seiner Jugend ein Vergiftungsversuch unternommen worden, mit einem feinen Gift, das die Nerven schädigte, so dass er sehr oft in konvulsivische Zustände geriet, denen er nicht gebieten konnte. Das Übel befiel ihn bei Tische, seine Bewegungen wurden unsicher, und da er gerade mit einem Messer gestikulierend der Königin damit sehr nahe kam, erschrak diese und wollte sich immer wieder erheben. Der Zar beruhigte sie und bat sie, keinerlei Angst zu haben, weil er ihr nichts antun würde; zugleich erfasste er ihre Hand, die er so heftig drückte, dass die Königin aufschreien musste; darüber lachte er nun sehr herzhaft und sagte ihr, sie habe noch zartere Knochen als seine Katharina.

       Nach dem Bankett war alles für den Ball bereit, allein der Zar machte sich alsbald nach der Tafel davon und ging allein zu Fuße nach Monbijou zurück. Tags darauf zeigte man ihm alle Sehenswürdigkeiten von Berlin, u. a. das Münzenkabinett und die Sammlung antiker Statuen. Unter diesen soll sich eine befunden haben, die, wie man mir sagte, eine heidnische Göttin in sehr indezenter Haltung darstellte, man stellte solche Statuen zur Zeit der alten Römer gern in den Hochzeitsgemächern auf. Das Stück galt für sehr selten und für eins der schönsten, die es gab. Der Zar bewunderte diese Statue sehr und befahl der Zarin, sie zu küssen. Diese wollte sich sträuben, er wurde aufgebracht und sagte in schlechtem Deutsch: „Kop ab“, was so viel heißt als: Ich werde Sie enthaupten lassen, wenn Sie nicht gehorchen. Die Zarin erschrak so sehr, dass sie alsbald gehorchte. Er verlangte nun ohne weiteres diese und mehrere andere Statuen vom König, der sie ihm nicht verweigern konnte. Desgleichen wollte er ein Schränkchen haben, dessen ganzes Getäfel aus Amberholz und einzig in seiner Art war. Es hatte dem König Friedrich I. Unsummen gekostet. Ihm ward nun zum allgemeinsten Bedauern das traurige Los beschieden, nach Petersburg gebracht zu werden.

      Dieser barbarische Hofstaat zog zwei Tage später endlich fort. Die Königin begab sich sogleich nach Monbijou. Dort herrschte die Zerstörung von Jerusalem; ich habe Ähnliches nie gesehen. Alles war derartig ruiniert, dass die Königin fast das ganze Haus neu herrichten lassen musste.

      Ich komme aber jetzt auf mein Thema zurück, von dem ich lange abwich.

       Da mein Bruder im Monat Januar in sein siebentes Jahr getreten war, fand der König es für ratsam, ihn den Händen der Frau von Roucoulles zu entziehen und ihm Gouverneure zu geben. Die Kabalen fingen jetzt von neuem an. Die Königin wollte sich die Wahl selbst vorbehalten, aber die beiden Günstlinge wollten ihre Kreaturen anstellen. Beide Parteien gewannen den Sieg. Die Königin mit dem General, späterem Marschall Grafen von Finkenstein, einem sehr ehrenwerten Mann, der sowohl seiner Ehrlichkeit wie seiner kriegerischen Fähigkeiten halber allgemein geachtet wurde, dessen sonstige Talentlosigkeit ihn jedoch außerstand setzte, einen jungen Fürsten richtig zu erziehen. Er gehörte zu jenen Leuten, die sich viel auf ihren Geist einbilden, die Politiker abgeben wollen und, mit einem Wort, gewaltig räsonieren, ohne etwas zu erreichen. Er hatte die Schwester der Frau von Blaspiel geheiratet. Diese Dame besaß zum Glück mehr Geist als ihr Mann und beherrschte ihn vollkommen. Der Fürst von Anhalt bestellte den zweiten Gouverneur. Er hieß Kalkstein und war Oberst eines Infanterieregiments. Diese Wahl war ihres Urhebers würdig. Herr von Kalkstein ist ein Intrigant, der bei den Jesuiten studierte und sich ihre Lehren wohl zu Herzen nahm; er legt viel Frömmigkeit, ja Bigotterie an den Tag, hebt immer seine Rechtlichkeit hervor und hat Leute genug gefunden, die daran geglaubt haben. Er ist von schmiegsamer und einschmeichelnder Art, birgt aber unter diesem schönen Schein die schwärzeste Seele. Durch die argen Schilderungen, die er täglich von den unschuldigsten Handlungen meines Bruders entwarf, wusste er den König wider seinen Sohn aufzubringen und zu erbittern.

      Ich werde des Öfteren in diesen Memoiren auf diesen Mann zu sprechen kommen. Die Erziehung meines Bruders wäre also in sehr schlechten Händen gewesen, wenn der König nicht einen dritten Lehrer den beiden andern noch zugesellt hätte: einen Franzosen, namens Duhan, der ein geistreicher und verdienstvoller junger Mann von großem Wissen war.

Grafik 116

      Duhan

      Ihm verdankt mein Bruder seine Kenntnisse und die guten Grundsätze, die er hatte, solange jener arme Mensch ihm zur Seite stand und Einfluss auf ihn behielt.

      So endete das Jahr 1718. Ich gehe zum nächsten über, wo ich anfing in die Welt zu treten und zugleich ihre Verkehrtheiten erfahren lernte. Der König verbrachte den Winter größtenteils in Berlin und wohnte jeden Abend den Gesellschaften bei, die in der Stadt veranstaltet wurden. Die Königin musste den ganzen Tag im Zimmer des Königs verbringen, der es so haben wollte, und hatte meinen Bruder und mich als einzige Gesellschaft.

      Wir aßen mit ihr zur Nacht im Beisein der Frau von Kamecke, ihrer Oberhofmeisterin, und Frau von Roucoulles. Die erstere war aus Hannover von meiner Mutter mitgenommen worden; und obwohl sie vorzügliche Eigenschaften besaß, schenkte ihr die Königin keinerlei Zutrauen. Diese war jetzt fortwährend tief melancholisch, und man fürchtete für ihre Gesundheit, besonders da sie guter Hoffnung war. Dennoch kam sie glücklich mit einer Prinzessin nieder, die den Namen Sophie Dorothea erhielt.

       Das traurige Leben, das die Königin führte, trug zu ihrer Schwermut bei. Sie kam sich seit dem Verlust ihrer Vertrauten ganz vereinsamt vor. Vergebens hatte sie nach jemandem gesucht, dem sie ihre Gunst zuwenden könnte; denn obgleich sich unter den Damen ihres Hofes durchaus verdienstvolle befanden, fühlte sie sich keiner zugeneigt. Dies zwang sie, aller Politik zum Trotze, sich an mich zu wenden; doch bevor sie mir ihr Herz eröffnete, wollte sie gewissen Verdachtmomenten, die sie gegen die Leti hegte, auf den Grund kommen; auch war ihr manches hinterbracht worden. Als ich eines Tages bei ihr saß und lieb zu ihr war, fing sie mit mir zu scherzen an und fragte mich, ob ich denn nicht bald heiraten möchte. Ich gab ihr zur Antwort, dass ich nicht daran dächte und zu jung dazu sei. Aber wenn es sein müsste, meinte sie, wen würde ich dann vorziehen: den Markgrafen von Schwedt oder den Herzog von Gloucester? „Obwohl mir die Leti immer sagt, dass ich den Markgrafen von Schwedt heiraten würde, kann ich ihn nicht leiden“, erwiderte ich; „er ist ein bösartiger Mensch, also ziehe ich den Herzog von Gloucester vor.“ „Aber“, entgegnete die Königin, „woher wissen Sie, dass der Markgraf böse ist?“ „Von meiner guten Amme“, sagte ich. Sie stellte dann noch mehrere, die Leti betreffende Fragen an mich und wollte wissen, ob es wahr sei,

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