Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth

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Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth gelbe Buchreihe

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am dritten Ostertage als meine Hofmeisterin eingesetzt.

      Das Unglück der Leti ging mir äußerst nahe, sie wurde sehr rücksichtslos verabschiedet. Der König ließ ihr durch die Königin sagen, dass er sie am liebsten nach Spandau geschickt hätte; sie dürfe nicht mehr wagen, sich vor ihm zu zeigen und müsse innerhalb acht Tagen den Hof sowie das Land verlassen. Ich tat, was ich konnte, um sie zu trösten, und bezeigte ihr viel Freundschaft. Ich besaß nicht viel in jener Zeit, dennoch schenkte ich ihr an Steinen, Schmuck und Silbersachen etwa fünftausend Taler, von allem abgesehen, was sie von der Königin erhielt. Trotzdem hatte sie die Bosheit, mich gänzlich zu berauben; und am Tage nach ihrer Abreise hatte ich kein Kleid mehr übrig, da die Person alles mitgenommen hatte. Die Königin musste mich von Kopf bis zu Fuß neu ausstatten.

       Ich gewöhnte mich bald an meine neue Vorgesetzte. Fräulein von Sonsfeld beobachtete erst mein Temperament und meinen Charakter. Sie merkte, dass ich außerordentlich schüchtern war; ich bebte, wenn sie ernst wurde, und getraute mir nicht zwei Worte zu sagen, ohne zu stocken. Sie verhehlte der Königin nicht, dass man trachten müsse, mich zu zerstreuen und mich mit großer Schonung zu behandeln, um mir Mut zu machen; ich sei sehr lenksam, und wenn man an mein Ehrgefühl sich wende, könne man alles mit mir erreichen. Die Königin ließ ihr in meiner Erziehung ganz freie Hand. Sie unterhielt sich täglich über unverfängliche Dinge mit mir, und indem sie sich auf die Ereignisse des Tages bezog, suchte sie mein Gefühlsleben zu wecken. Ich fing an mich des Lesens zu befleißigen, und es wurde bald meine liebste Beschäftigung. Sie feuerte mich so geschickt an, dass ich auch an meinen anderen Studien Interesse fand. Ich lernte Englisch, Italienisch, Geschichte, Geographie, Philosophie und Musik. In kurzer Zeit machte ich erstaunliche Fortschritte. Ich lernte jetzt mit solchem Eifer, dass man meiner übergroßen Lernbegierde einen Zaum anlegen musste. So verbrachte ich zwei Jahre; und da ich nur solche Tatsachen verzeichne, welche der Mühe lohnen, gehe ich zum Jahre 1722 (Wilhelmine war 13jährig) über.

      Es setzte gleich mit erneuten Widerwärtigkeiten für mich ein. Da jedoch vom englischen Hof in diesen Memoiren viel die Rede sein wird, geziemt es sich, dass ich einiges darüber sage. Der König von England war ein Fürst, der sich zwar etwas auf seine Gesinnungen zugutetat, aber zu seinem Unglück hatte er sich nie die Mühe gegeben, zu ergründen, wie sie zu betätigen seien. Viele Tugenden, maßlos betrieben, werden zu Lastern. Es war sein Fall. Er befliss sich einer Festigkeit, die in Rauheit ausartete, einer Ruhe, die man Indolenz nennen durfte. Seine Großmut erstreckte sich nur auf seine Günstlinge und Mätressen, von denen er sich beherrschen ließ, der Rest der Menschheit war davon ausgeschlossen. Seit seiner Thronbesteigung war er unerträglich hochmütig geworden. Zwei Eigenschaften machten ihn achtenswert: seine Gerechtigkeit und sein Billigkeitssinn; er war nicht böse und setzte seinen Stolz darein, Leuten, denen er wohlgesinnt war, treu zu bleiben. Im Umgang zeigte er sich kalt, sprach wenig und hörte nur gerne von Albernheiten sprechen.

Grafik 50

      Gräfin Melusine von der Schulenburg – 1667 – 1743

       Die Gräfin Schulenburg, nachherige Herzogin von Kendal und Prinzessin von Eberstein, war seine Geliebte oder, besser gesagt, seine morganatische Frau. Sie gehörte zu jenen Personen, welche so gut sind, dass sie sozusagen zu nichts gut sind. Sie hatte weder Tugenden noch Laster, und all ihr Sinnen war nur darauf gerichtet, ihre Gunst beim König nicht zu verlieren und von niemandem verdrängt zu werden.

      Die Prinzessin von Wales war außerordentlich geistreich, sehr gebildet, von reichen Kenntnissen und von großer politischer Begabung. Sie gewann zuerst alle Herzen in England für sich. Ihr Wesen war leutselig und anmutig, allein sie vermochte ihre Popularität nicht zu bewahren: Man hatte ihren wahren Charakter zu ergründen gewusst, der in keiner Weise ihrem Äußeren entsprach. Sie war herrschsüchtig, falsch und ehrgeizig. Man verglich sie stets mit Agrippina; sie hätte mit dieser Kaiserin ausrufen können: „Mag alles verderben, wenn ich nur herrsche.“ – Der Prinz, ihr Gemahl, hatte ebenso wenig Geist wie sein Vater; er war lebhaft, heftig, hochfahrend und von einem unverzeihlichen Geiz.

      Lady Arlington, die den zweiten Rang behauptete, war die natürliche Tochter des verstorbenen Kurfürsten von Hannover und einer Gräfin Platen. Man darf in Wahrheit von ihr sagen, dass sie höllisch viel Geist besaß, denn er war ganz dem Bösen zugewandt. Sie war lasterhaft, voller Ränke und ebenso ehrgeizig wie die beiden anderen, deren Charakterbild ich entwarf. Diese drei Frauen herrschten abwechselnd über den König, obwohl sie sich sonst spinnefeind waren. Nur darin waren sie einig, dass sie nicht wollten, dass der junge Herzog von Gloucester eine Prinzessin aus einem mächtigen Hause heimführe, und dass ihnen eine recht unbegabte erwünscht war, damit sie weiterhin das Regiment behielten.

       Lady Arlington, die ihre eigenen Pläne hatte, schickte Fräulein von Pöllnitz nach Berlin. Diese Dame war die Hofdame und Vertraute meiner Großmutter, der Königin Charlotte, gewesen; sie hatte sich nach dem Tode dieser Fürstin nach Hannover zurückgezogen, wo sie von einer Pension lebte, die ihr der König bewilligt hatte. Sie war so schlimmen Geistes wie Mylady, eine ebenso große Intrigantin, ihre böse Zunge verschonte niemanden; um nur drei kleine Fehler hervorzuheben: Sie liebte das Spiel, die Männer und den Wein. Die Königin, meine Mutter, kannte sie seit langem. Da ihr gemeldet wurde, dass Fräulein von Pöllnitz beim Hofe von Hannover sehr gut angeschrieben sei, empfing sie dieselbe aufs Beste. Sie stellte sie mir vor: „Hier ist eine meiner alten Freundinnen“, sagte sie, „mit der Sie gerne Bekanntschaft machen werden.“ Ich begrüßte sie und sagte ihr auf diese Worte der Königin etwas sehr Verbindliches. Sie betrachtete mich eine Weile von Kopf bis zu Fuß, dann wandte sie sich an die Königin: „Aber mein Gott“, hub sie an, „wie sieht die Prinzessin aus! welche Figur und wie ungraziös! und wie schlecht angezogen!“ Die Königin, auf solche Komplimente nicht gefasst, wurde ein wenig verlegen. „Sie könnte in der Tat besser aussehen“, sagte sie; „allein an ihrer Taille ist nichts auszusetzen, sie ist nur noch nicht entwickelt. Wenn Sie aber mit ihr reden wollen, werden Sie sehen, dass etwas hinter ihr steckt.“ Die Pöllnitz ließ sich also in eine Unterhaltung mit mir ein, aber auf ironische Weise, indem sie Fragen an mich stellte, wie wenn ich ein vierjähriges Kind wäre. Dies reizte mich so sehr, dass ich sie keiner Antwort mehr würdigte. Sie aber gab nun der Königin zu verstehen, dass ich launisch und hochmütig sei und sie von oben herab behandelt hätte. Dies zog mir sehr bittere Verweise zu, die anhielten, solange die Person in Berlin verblieb. Sie stellte mir überall nach. Man sprach eines Tages von meinem Gedächtnis. Dabei bemerkte die Königin, dass es geradezu unerhört sei. Die Pöllnitz lächelte boshaft dazu, als wüsste sie es anders. Dies reizte die Königin, und sie schlug ihr vor, mich auf die Probe zu stellen, ich würde hundertundfünfzig Verse in einer Stunde auswendig lernen. „Nun denn“, sagte die Pöllnitz, „so mag sie eine kleine lokale Gedächtnisübung machen, und ich wette, sie wird nicht behalten, was ich ihr aufschreiben werde.“ Die Königin wollte recht behalten und ließ mich rufen. Sie nahm mich beiseite und sagte mir, sie wolle mir alles Vergangene verzeihen, wenn sie ihre Wette durch mich gewänne. Ich wusste nicht, was ein lokales Gedächtnis sei, und hatte niemals davon vernommen. Die Pöllnitz schrieb nieder, was ich lernen sollte. Es waren fünfzig ganz barocke Namen, die sie erfunden und alle nummeriert hatte; sie las sie mir zweimal vor, indem sie stets die Nummern dazu nannte, worauf ich sie alsbald auswendig hersagen musste. Es gelang mir aufs erste Mal sehr gut, aber sie wollte das Experiment wiederholen und fragte mich von neuem aus und hieß mich die Namen nicht mehr der Reihenfolge nach hersagen, sondern griff nur aufs Geratewohl eine Nummer heraus. Dennoch bestand ich auch diese Probe zu ihrem großen Ärger. Ich habe nie im Leben mein Gedächtnis so sehr angestrengt, dennoch konnte sie es nicht über sich bringen, mich zu loben. Die Königin konnte dies Benehmen gar nicht begreifen und war darüber sehr gereizt, obwohl sie es sich nicht merken ließ. Endlich befreite uns Fräulein von Pöllnitz von ihrer unausstehlichen Gegenwart und kehrte nach Hannover zurück.

       Bald darauf kam auch Fräulein von Brunow, die Schwester der Frau von Kamecke, nach Berlin. Sie war Hofdame bei meiner Urgroßmutter, der Kurfürstin Sophie von Hannover, gewesen und lebte noch an diesem Hofe, woselbst sie eine Pension genoss. Sie war gutmütig,

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