Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth страница 17
Ich hatte auf Befehl der Königin mehrere Dinge heimlich an meinen Bruder geschrieben, sowie auch den Entwurf eines Briefes verfassen müssen, den er an den König richten sollte. Ich saß zwischen zwei chinesischen Fachschränkchen über diesen Briefen, als ich den König kommen hörte; ein Wandschirm stand vor der Türe, so dass ich eben Zeit hatte, meine Papiere hinter eines jener Schränkchen zu schieben. Fräulein von Sonsfeld nahm die Federn, und da ich den König schon kommen sah, steckte ich den Tintenbehälter zu mir, ihn sorgfältig haltend, damit er nicht umstürze. Der König sprach einige Worte mit der Königin und wendete sich dann plötzlich den Schränken zu. „Sie sind gar schön“, sagte er, „und stammen von meiner Mutter, die viel darauf hielt.“ Zugleich näherte er sich, um sie zu öffnen. Das Schloss war ruiniert, er zog an dem Schlüssel, so fest er nur konnte; und ich erwartete jeden Augenblick, dass meine Briefe herausfallen würden. Die Königin kam mir zu Hilfe, aber dadurch geriet ich in eine andere Klemme. Sie hatte einen sehr schönen kleinen Bologneserhund, ich desgleichen, und die beiden Tiere befanden sich im Zimmer. „Meine Tochter behauptet, ihr Hund sei schöner als der meine“, sagte sie zum König, „und ich ziehe den meinen vor. Wollen Sie nicht entscheiden?“ Er lachte und fragte mich, ob ich denn meinen Hund sehr liebe? „Von ganzem Herzen“, sagte ich, „denn er ist so gut und gescheit“; die Antwort machte ihm Spaß, er umarmte mich mehrere Male, und ich war genötigt, das Tintenfass loszulassen. Alsbald floss die schwarze Flüssigkeit über mein Kleid und fing an, am Boden nieder zu tropfen; ich wagte nicht, mich vom Platze zu rühren, aus Furcht, der König könne es sehen. Ich war fassungslos vor Angst. Er erlöste mich, indem er sich entfernte; ich war mit Tinte bis zur Haut durchnässt und musste mich einer Waschung unterziehen; wir lachten herzlich über dies ganze Abenteuer. Der König versöhnte sich indes mit meinem Bruder, der uns nach Potsdam folgte. Er war der liebenswürdigste Prinz, den man sich denken konnte, schön und gut gewachsen, mit einem für sein Alter überlegenen Geist, und er war mit allen Gaben ausgestattet, die einen vollkommenen Fürsten kennzeichnen. Aber hier muss ich einer ernsteren Begebenheit gedenken, in der die Quelle aller Leiden zu suchen ist, die dieser geliebte Bruder und ich erfahren mussten.
Der Kaiser hatte schon seit dem Jahre 1717 (Wilhelmine war 8jährig) in Ostende, einer belgischen Hafenstadt, durch eine Gesellschaft einen Verkehr mit Indien eingeleitet, der mit nur zwei Schiffen anfing, sich jedoch trotz dem Widerstand Hollands so erfolgreich entwickelte, dass sich der Kaiser bewogen fühlte, ihr das Privilegium zu erteilen, auf dreißig Jahre in Afrika und Ostindien mit Ausschluss all seiner andern Untertanen Handel zu treiben. Da der Handel zu den Dingen gehört, die am meisten dazu beitragen, einem Staat zur Blüte zu verhelfen, hatte der Kaiser im Jahre 1725 (Wilhelmine war 16jährig) einen geheimen Vertrag mit Spanien geschlossen, in dem er sich verpflichtete, den Spaniern Gibraltar und Port Mahon zu verschaffen. Russland schloss sich später an. Die Seemächte wurden der geheimen Machenschaften des Wiener Hofes bald gewahr; und um sich den ehrgeizigen Plänen des Hauses Österreich, die nichts weniger als den Handel, das heißt die hauptsächliche Kraft ihrer Staaten ruinieren wollten, zu widersetzen, schlossen sie einen Gegenvertrag, dem auch noch Frankreich, Dänemark, Schweden und Preußen beitraten; es ist derselbe, der in Charlottenburg unterschrieben wurde und den ich schon erwähnte. Der Kaiser sah wohl ein, dass er sich gegen eine so gewaltige Liga nicht würde halten können und sah sich zu andern Maßregeln genötigt: Er suchte nun Zwietracht unter den betreffenden Staaten zu säen. Der General Seckendorff schien ihm die berufene Persönlichkeit, um seine Pläne beim preußischen Hofe auszuführen. Dass dieser Minister mit Grumbkow intim befreundet war, wurde schon erwähnt; er kannte den eigennützigen und ehrgeizigen Charakter dieses letzteren und zweifelte nicht, dass er ihn den Interessen des Kaisers gefügig machen würde. Er wandte sich erst schriftlich an ihn und suchte seine Gesinnung zu ergründen; ja er machte ihm sogar einige Enthüllungen über die Lage, in der sein Landesherr sich befand. Diese Korrespondenz hatte schon im vorhergehenden Jahre ihren Anfang genommen, und Seckendorffs Briefe waren von sehr schönen Geschenken und großen Versprechungen begleitet gewesen. Grumbkows käufliche Seele zeigte sich so verlockenden Aussichten bald empfänglich. Die Umstände kamen ihm dabei zustatten.
Zwischen den Höfen von Preußen und Hannover war eine gewisse Kälte eingetreten. Mein königlicher Vater fühlte sich wegen der Verzögerung meiner Heirat verletzt, und andere Verdrießlichkeiten kamen hinzu. Er hegte nichts so sehr wie den Zuwachs seines Regiments. Die mit der Rekrutierung beauftragten Offiziere führten mit Güte oder mit Gewalt die langen Männer fort, deren sie auf fremdem Gebiete habhaft werden konnten. Die Königin hatte bei ihrem Vater bewirkt, dass das Kurfürstentum Hannover jährlich eine bestimmte Anzahl solcher Leute stellen würde. Aber das hannoveranische Ministerium, vielleicht auf Veranlassung der Anti-Preußen, an deren Spitze Lady Arlington stand, unterließ es, die Order des Königs von England auszuführen. Die Königin erhob wiederholt Beschwerden hierüber, erreichte aber nichts als einige leere Entschuldigungen. Der König fühlte sich über die geringe Rücksicht sehr beleidigt; und Grumbkow trug eifrig Sorge, diese Erbitterung so sehr zu steigern, dass jener, um sich zu rächen, seinen Offizieren den Befehl erteilte, alle Männer, deren Größe sie für sein Regiment geeignet mache, aus Hannover zu entführen. Dieser Gewaltstreich rief eine ungeheure Erregung hervor. Der König von England verlangte Genugtuung und forderte, dass seine Untertanen in Freiheit gesetzt würden; der preußische König weigerte sich hartnäckig und behielt sie, was zwischen beiden Höfen eine Missstimmung hervorrief, die bald genug in offenen Hass ausartete. Die Lage konnte also für Seckendorff, als dieser nach Berlin kam, nicht erwünschter sein. Grumbkows lang betriebene Hetzereien bei dem König erleichterten die Verhandlungen. Seckendorff fand bei diesem sehr gnädige Aufnahme, denn der König kannte ihn schon von früher her, als er noch in sächsischen Diensten stand, und hatte ihn stets sehr geachtet. Eine ganze Anzahl von Heiducken, oder besser gesagt Riesen, die er dem König im Auftrag des Kaisers überwies, brachte ihn noch mehr in Gunst, und das Kompliment, das er dabei dem König vonseiten seines Herrn ausrichtete, gewann jenen vollends. „Da dem Kaiser“, so sagte er, „nichts willkommener ist, als Eurer Majestät sich bei jeder Gelegenheit gefällig zu erzeigen, bewilligt er Ihnen alle Rekrutierungen, die in Ungarn vorgenommen werden und hat bereits Befehl erteilt, dass man alle großen Männer in seinen Staaten ausfindig macht, um sie Ihnen anzubieten.“ Diese große Zuvorkommenheit, die von der Handlungsweise seines Schwiegervaters so sehr abwich, freute den König, doch blieb er noch unschlüssig; und Seckendorff sah wohl ein, dass er ihn nicht so schnell von dem großen Bündnis abbringen würde. Er suchte sich allmählich bei dem König einzuschmeicheln, und da er seine Schwächen erkannte, verstand er trefflich, sie zu nützen. Er gab ihm fast täglich großartige Bankette, zu denen nur seine und Grumbkows Kreaturen geladen waren. Man unterließ nie, das Gespräch auf die gegenwärtige politische Lage zu bringen und auf geschickte Weise die Interessen des Kaisers zu vertreten. Endlich gelang es während eines Gelages, den vom Weine erhitzten König zu bewegen, dass er einigen seiner Verpflichtungen, die er dem König von England angelobt hatte, untreu wurde und sich mit dem Hause Habsburg einließ. Er versprach Letzterm, dass die Truppen, die er kraft eines Artikels des Hannoveranischen Vertrages an England zu stellen habe, nicht gegen Österreich marschieren würden. Dies Versprechen wurde sehr geheimgehalten; denn der König war noch nicht gesonnen, sich vom großen Bündnis loszusagen, da er stets noch auf das Zustandekommen meiner Heirat hoffte. Erst zu Ende des folgenden Jahres, zu dessen Anfang ich jetzt gelangt bin, bekannte er Farbe. Die Königin war außer sich über den Lauf, den jetzt die Dinge nahmen, sie litt persönlich darunter. Der König quälte sie mit fortwährenden Vorwürfen über die Verzögerung meiner Vermählung; er sprach mit schimpflichen Worten von seinem Schwiegervater, dem König, und suchte sie in jeglicher Weise zu kränken.
Seckendorffs Aussichten stiegen mit jedem Tag. Er gewann so großen Einfluss auf den König, dass er über alle Ämter verfügte. Die spanischen Pistolen hatten ihm die meisten Diener und Generale, welche die Umgebung des Königs bildeten, zu Willen gemacht, so dass er von allem, was vorging, unterrichtet war. Da die zwischen Preußen und England beschlossene Doppelheirat