Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth

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Читать онлайн книгу Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth страница 15

Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth gelbe Buchreihe

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Nachdem er mich also gemustert hatte, wandte er sich an meinen Bruder, dem er viel Liebes erwies und mit dem er sich lange unterhielt. Ich nahm die Gelegenheit wahr, um mich zu entfernen; die Königin gab mir ein Zeichen, ihr zu folgen, und ging in ein anstoßendes Zimmer, wo sie sich die Engländer und Deutschen vom Gefolge des Königs vorstellen ließ. Nachdem sie eine Weile mit ihnen gesprochen hatte, sagte sie zu diesen Herren, dass sie mich bei ihnen lasse, um sie zu unterhalten; und zu den Engländern sich wendend, sagte sie: „Sprechen Sie Englisch mit meiner Tochter, Sie werden sehen, dass sie es sehr gut kann.“ Ich fühlte mich viel weniger verlegen, sobald die Königin sich entfernt hatte, schöpfte Mut und begann mit den Herren ein Gespräch. Da ich ihre Sprache so gut wie meine Muttersprache konnte, bestand ich sehr wohl vor ihnen, und alle schienen entzückt. Sie lobten mich bei der Königin und sagten ihr, dass ich englisch aussähe und wie dazu geboren sei, eines Tages ihre Herrscherin zu sein. Dies wollte viel sagen, denn diese Nation hält sich so sehr für die erste, dass, wenn sie jemandem sagen, man könne ihn für einen Engländer halten, sie das größte Lob zu spenden glauben. Ihr König hätte wohl für einen Spanier gelten können, er war außerordentlich gemessen und sprach mit keinem Menschen. Er begrüßte Fräulein von Sonsfeld sehr kühl und fragte sie, ob ich immer so ernst sei und ob ich ein melancholisches Temperament habe. „Nichts weniger als das“, entgegnete sie „allein die Ehrfurcht vor Eurer Majestät macht, dass sie nicht so munter zu sein wagt, als sie es für gewöhnlich ist.“ Da schüttelte er den Kopf und antwortete nichts. Der Empfang, den er mir bereitet hatte, sowie das, was ich soeben vernommen hatte, schüchterten mich so ein, dass ich nie den Mut fand, mit ihm zu sprechen. Endlich ging man zu Tische, wo der König ebenso einsilbig verharrte; vielleicht hatte er recht, vielleicht hatte er unrecht; ich glaube jedoch, er hielte sich an das Sprichwort: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Gegen Ende der Mahlzeit wurde er unwohl. Die Königin wollte ihn bereden, von Tische aufzustehen; eine Weile entschuldigten sie sich hin und her, endlich warf sie ihre Serviette hin und erhob sich. Der König von England fing an zu schwanken, der von Preußen eilte herzu, um ihn zu stützen; alles wollte ihm behilflich sein, jedoch vergeblich: er fiel auf die Knie, seine Perücke auf eine Seite, der Hut auf die andere. Man streckte ihn sachte am Boden aus, und eine gute Stunde lang blieb er besinnungslos liegen. Endlich nach vielen Belebungsversuchen kam er wieder zu sich. Der König und die Königin waren indes untröstlich; und viele glaubten, dass dieser Anfall der Vorbote eines Schlagflusses sei. Man bat ihn dringend, sich zurückzuziehen, doch er wollte nicht und geleitete die Königin in ihre Gemächer. Nachts ging es ihm sehr schlecht, was man erst unter der Hand erfuhr. Aber dies hielt ihn nicht ab, am folgenden Tage wieder zu erscheinen. Die ganze übrige Zeit seines Hierseins verlief in Festlichkeiten und Vergnügungen. Täglich fanden geheime Sitzungen der englischen und preußischen Minister statt. Das Ergebnis war das endliche Zustandekommen des Bündnisvertrages und der doppelten Verlobung, die in Hannover eingeleitet worden war. Die Unterschriften wurden am 12. desselben Monats vollzogen. Der König von England reiste am folgenden Tage ab, und sein Abschied von der ganzen Familie war ebenso kalt wie seine Begrüßung. Der König und die Königin sollten seinen Besuch erwidern und nach Göhrde kommen, einem Jagdschloss in der Nähe von Hannover.

      Schon seit sieben Monaten war die Königin sehr unpass; ihr Übel war so seltsam, dass die Ärzte keinen Rat wussten. Ihr Körper schwoll jeden Morgen mächtig an, und diese Geschwulst verging gegen Abend. Eine Zeitlang schwankte die Fakultät, ob es sich um eine Schwangerschaft handelte; aber sie erachtete zum Schluss, dass dieses Unwohlsein von einer andern Ursache herrühre, welche sehr unbequem, jedoch keineswegs gefährlich ist.

       Die Reise des Königs nach Göhrde war für den 8. November angesetzt; er sollte frühmorgens fahren, und wir verabschiedeten uns von ihm, aber die Königin machte alles zunichte. In der Nacht erkrankte sie an heftiger Kolik, verheimlichte aber ihr Übel, so gut sie konnte, um den König nicht aufzuwecken. Als sie auf gewisse Anzeichen hin merkte, dass ihr eine Entbindung bevorstand, rief sie um Hilfe. Es blieb keine Zeit, einen Arzt und eine Wärterin zu holen, und sie brachte glücklich eine Prinzessin zur Welt, ohne andere Beihilfe als die des Königs und einer Kammerfrau. Es waren weder Windeln noch eine Wiege bereit, und alles geriet in Verwirrung. Der König ließ mich um vier Uhr morgens rufen. Ich habe ihn nie so guter Laune gesehen; er hielt sich die Seiten vor Lachen, wenn er des Amtes gedachte, dessen er bei der Königin gewaltet hatte. Der Herzog von Gloucester, mein Bruder, Prinzessin Amalie von England und ich wurden zu Paten und Patinnen des Kindes gewählt; ich hielt es nachmittags über die Taufe, und meine Schwester erhielt den Namen Anna Amalia.

       Der König reiste am folgenden Tage ab. Da er sehr rasch zu reisen pflegte, kam er am selben Abend in Göhrde an, wo alles in großer Besorgnis war, da ihn der König von England schon tags zuvor erwartet hatte. Dieser war sehr überrascht, als er den Grund der Verzögerung erfuhr. Grumbkow befand sich im Gefolge des Königs. Er hatte sich seit einiger Zeit mit dem Fürsten von Anhalt entzweit und suchte sich mit dem König von England anzufreunden. Da er stets alle Angelegenheiten selbst besorgen wollte und die Königin es oft zu verhindern suchte, so ließ er jetzt die Gelegenheit nicht unbenützt, zwischen dem König und der Königin wieder Zwietracht zu säen. Ich erwähnte schon, dass der König äußerst eifersüchtig war. Grumbkow hatte diese Schwäche wahrgenommen und erweckte in ihm durch geschickte und undeutliche Anspielungen sehr schimpflichen Verdacht auf die Tugend seiner Gemahlin. Der König kehrte nach vierzehn Tagen wie ein Wütender nach Berlin zurück. Uns begrüßte er sehr freundlich, doch die Königin wollte er nicht sehen. Er ging durch ihr Schlafzimmer, um sich zum Souper zu begeben, ohne ein Wort an sie zu richten. Die Königin und wir waren über dies Benehmen von banger Besorgnis erfüllt; endlich sprach sie zu ihm und drückte ihm in zärtlichsten Worten ihren Kummer über sein Verhalten aus. Als Antwort beschimpfte er sie nur, indem er ihr ihre vermeintliche Untreue vorwarf; und wenn Frau von Kamecke ihn nicht entfernt hätte, so würde ihn seine Heftigkeit zu sehr bedauernswerten Ausschreitungen hingerissen haben. Am nächsten Tage berief er die Ärzte, den Generalarzt Holtzendorff und Frau von Kamecke, um den Wandel der Königin zu untersuchen. Alles nahm lebhaft Partei für dieselbe. Ihre Oberhofmeisterin fand sogar sehr harte Worte für den König und bewies ihm die Ungerechtigkeit seines Misstrauens. Die Tugend der Königin stand in der Tat hoch über jedem Verdacht, und selbst die bösesten Zungen konnten nichts gegen sie zu sagen finden. Der König ging in sich, bat die Königin unter vielen Tränen, die für die Güte seines Herzens zeugten, um Vergebung, und es herrschte wiederum Friede.

       Ich erwähnte das Zerwürfnis der beiden Günstlinge. Da es im Jahre 1724 (Wilhelmine war 15jährig) ausbrach, muss ich hier einige Einzelheiten darüber berichten. Seit dem Sturze der Frau von Blaspiel und dem guten Einvernehmen zwischen den Höfen von England und Preußen war der Einfluss des Fürsten von Anhalt sehr gesunken; er verbrachte die meiste Zeit in Dessau und kam nur selten nach Berlin. Der König erwies ihm zwar immer noch viele Aufmerksamkeiten und hielt auf gute Beziehungen mit ihm wegen seiner militärischen Kenntnisse. Grumbkow indessen stand nach wie vor bei ihm in Gunst und war mit den äußeren und inneren Angelegenheiten des Landes betraut. Der Fürst war Pate einer der Töchter Grumbkows gewesen und hatte ihr eine Mitgift von 5.000 Talern versprochen. Diese Tochter stand nun vor ihrer Heirat, und ihr Vater schrieb ihm, um ihn an sein Versprechen zu mahnen. Der Fürst war aber über Grumbkow, der keinerlei Rücksicht mehr auf ihn nahm und ganz allein den König zu beeinflussen suchte, höchst aufgebracht und leugnete jenes Versprechen ab. Grumbkow erwiderte, der andere entgegnete ihm wieder; einer warf zuletzt dem andern all seine Schurkereien vor, und der Briefwechsel artete in eine solche Schimpferei aus, dass der Fürst von Anhalt beschloss, den Streit durch einen Waffengang zu entscheiden. Bei allen Vorzügen, die Grumbkow sonst besaß, galt er für einen ausgemachten Feigling. Er hatte Proben seiner Tapferkeit in der Schlacht von Malplaquet gegeben, wo er sich die ganze Zeit hindurch in einem Graben versteckt hielt; so zeichnete er sich auch vor Stralsund aus und verrenkte sich ein Bein zu Anfang des Feldzuges, so dass er bei dem Ansturm fehlen musste. Er hatte dasselbe Unglück wie jener König von Frankreich, der kein bloßes Schwert sehen konnte, ohne in Zuckungen zu verfallen, abgesehen davon aber ein sehr tapferer General war. Der Fürst schickte ihm seinen Kartellträger. Grumbkow erbebte vor Wut; er berief sich auf die Religion und das Gesetzbuch und antwortete, dass er sich nicht schlagen würde, dass die Duelle von den göttlichen und menschlichen Geboten untersagt seien und dass er nicht gewillt sei,

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