Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 3. Rudolf Cronau
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Erst nachdem die Gefahr blutiger Zusammenstöße mit Franzosen und Briten geschwunden und es gelungen war, in der Gebirgsmauer einige Pässe zu entdecken, kam die Westwärtsbewegung der Ansiedler wieder in Fluss.
Es standen für dieselben mehrere Wege offen: im Süden das berühmte Cumberland Gap, ein von Nordkarolina und Virginien nach Tennessee und Kentucky leitender Engpass; ferner der vom Potomac zum Monongahela führende Saumpfad, den der englische General Braddock im Jahre 1754 zu seinem unglücklichen Vorstoß gegen das französische Fort Duquesne benutzt hatte. Drittens der Weg, der von Henry Bouquet im Jahre 1758 bei seiner gegen dasselbe Fort gerichteten Expedition gebahnt worden war. Weiter im Norden gesellte sich dazu das Mohawktal, welches in späteren Zeiten auch den Eisenbahnen als wichtigste, zum Westen führende Pforte diente.
Cumberland Gap. Nach einem Gemälde von W. L. Sonntag
Die Entdeckung des Cumberlandpasses schreibt man dem Virginier Walker zu, einem jener kühnen Männer, die sich von dem Gemeinwesen absonderten, um in das sie mächtig anziehende geheimnisvolle Innere des nordamerikanischen Kontinents vorzudringen und dort der Jagd auf Pelztiere obzuliegen.
Der Pelzhandel bildete bekanntlich während des 17. und 18. Jahrhunderts die wichtigste Einnahmequelle der europäischen Kolonien in Nordamerika. Mit ihm beschäftigen sich Tausende und Abertausende Personen. Ihm verdankten zahllose Handelsplätze und Ortschaften Ursprung und Dasein. Er rief auch neue, in Europa ganz unbekannte Menschengattungen hervor: die Trapper, Voyageurs und Pelzhändler.
Ein Trapper des 18. Jahrhunderts
Schwerlich gab es jemals verwegenere Männer als diese. Zu Fuß, zu Ross oder auf schwanken Rindenbooten, meist allein, manchmal zu zweit, seltener zu mehreren vereint folgten sie den natürlichen Wegweisern, den Strömen, oder schmalen, nur geübten Augen erkennbaren Wild- und Indianerpfaden. Ihr ganzes Dasein bildete eine ununterbrochene Kette furchtbarer Entbehrungen und Gefahren. Bald mussten sie mit dem Beil mühsam Wege durch das Dickicht bahnen, bald Moräste und Ströme überschwimmen, daneben Hunger und Durst, im Sommer glühenden Sonnenbrand, im Winter bittere Kälte ertragen. Befanden sie sich in Feindesland, so durften sie nicht wagen, die Zeit mit einem lustigen Lied zu kürzen oder ein wärmendes Feuer anzuzünden, um nicht die Aufmerksamkeit ihrer gefährlichsten Feinde, der Indianer, zu erregen. Denn die letzteren erkannten in den weißen Jägern nicht bloß Konkurrenten, die ihnen im Ausbeuten des Jagdreviers Schaden zufügten, sondern sie trugen ihnen auch einen unversöhnlichen Rassenhass entgegen. Wehe dem Trapper, den das Missgeschick in die Gewalt eines feindlichen Stammes geraten ließ. Er entging nur dann einem grauenhaften Tode, wenn, was bisweilen geschah, eine noch unverheiratete oder verwitwete Indianerin ihn zum Gatten begehrte, oder wenn eine Frau, die ihre Söhne verloren, ihn adoptierte. Wo keine solche Lösung erfolgte, da endete das Leben des Gefangenen am Marterpfahl, unter Qualen, die an Entsetzlichkeit hinter den von den Ketzerrichtern des mittelalterlichen Europa ausgeklügelten Torturen nicht zurückblieben. Bestanden sie doch in der stückweisen Zerstörung des Körpers unter Schonung der die Lebensdauer verbürgenden edlen Teile. Sie begannen mit dem Ausreißen der Nägel an den Zehen und Fingern, dem Ausbrechen der Zähne, dem Zermalmen der einzelnen Glieder, dem Bloßlegen und Zerstören der einzelnen Nerven, um sich zu immer raffinierteren Quälereien zu steigern, die manchmal tagelang dauerten, bis der Unglückliche ihnen endlich erlag.
Unter den Verwegenen, welche solchen Mühseligkeiten und Gefahren mutig Trotz boten und als Vorläufer der Kultur in die Wildnis am Ohio eindrangen, befanden sich auch viele Deutsche. Sie kamen vom Fuß der den Staat Pennsylvanien durchziehenden Blauen Berge; sie kamen aus Maryland, Virginien und Karolina.
Die Taten mancher dieser Wackeren sind bis heute nicht vergessen. So erzählt man noch heute von Georg Jäger, der, lange bevor der von den Anglo-Amerikanern als „Pionier Kentuckys“ gefeierte Daniel Boone dort auftauchte, in der „großen Wildnis“ jagte. Im Jahre 1771 traf er am Kanawha mit Simon Kenton, dem späteren Helden des Ohiotals, zusammen und entflammte durch die Beschreibung der gesehenen Landschaften und ihrem Wildreichtum die Phantasie des jungen Mannes so, dass derselbe sich entschloss, mit Jäger dorthin zu ziehen.
Michael Steiner oder Stoner durchstreifte bereits im Jahre 1767 Tennessee. Im Jahre 1774 ward er in Gemeinschaft mit Daniel Boone ausgesandt, eine Gesellschaft von Landvermessern aufzusuchen und heim zu geleiten, die sich in der Gegend, wo heute die Stadt Louisville steht, verirrt hatte.
Kaspar Mansker war einer der berühmten „long-hunters“ oder „langen Jäger“, die im Jahre 1769 von Nordkarolina zu einem Jagdzug in die westlichen Regionen aufbrachen und durch deren Schönheit und Wildreichtum so gefesselt wurden, dass sie der Heimkehr fast vergaßen. Sie traten erst nach einem vollen Jahre den Rückmarsch an und erhielten wegen ihres langen Ausbleibens den obigen Spitznamen. Mansker kreuzte die westlichste Kette der Appalachen, die Cumberlandgebirge, unzählige Male. Er war auch der erste Weiße, welcher den Cumberlandfluss befuhr.
Ein ähnlicher Waldsohn war Michael Schuck. Seine aus Deutschland eingewanderten Eltern waren samt seinen Geschwistern in Nordkarolina von Indianern ermordet worden, worauf der allein im Wald zurückgebliebene Knabe auf die abenteuerlichste Weise sein Leben fristete. Mit dem Instinkt eines Panthers und dem Scharfblick eines Adlers begabt, wuchs er zum echten Trapper heran. Außer seinem mächtigen Bau war dieser deutsche Indianer in seinen späteren Tagen durch schneeweiße Haare gekennzeichnet, die weit über die breiten Schultern herunterfielen. Beständig mit den Rothäuten kämpfend, drang Schuck in jahrzehntelangen Streifzügen bis nach Missouri vor, in dessen unbekannten Wäldern er seinen Geist aushauchte.
Einen ähnlichen Lebenslauf hatte der berühmte Indianerjäger Ludwig Wetzel, ein Sohn des Pfälzers Johann Wetzel, der zu den ersten Ansiedlern von Wheeling gehörte, aber im Jahre 1787 von Indianern erschlagen und skalpiert wurde. Seine fünf Söhne schwuren, den Tod ihres Vaters zu rächen. Keiner erfüllte diesen Schwur in so furchtbarer Weise, wie Ludwig, der jüngste der Brüder. Mit der Kampfweise der Indianer genau vertraut, stellte er sich die Aufgabe, ihrer so viele als möglich umzubringen, unbekümmert darum, dass die Regierung sich große Mühe gab, mit den Indianern Friedensverträge abzuschließen.
Als Wetzel fortfuhr, einen Indianer nach dem andern wegzuschießen und infolgedessen die Unruhen kein Ende nehmen wollten, setzte der Befehlshaber des an der Stelle der heutigen Stadt Cincinnati erbauten Forts Washington einen Preis auf die Festnahme Wetzels. Er wurde tatsächlich gefangen und eingesperrt. Es gelang ihm aber zu entkommen, worauf er die Indianerjagd mit neuem Eifer aufnahm. Abermals gefangen, sollte er erschossen werden. Aber nun brachen die Pioniere von beiden Seiten des Ohio in Massen auf, um Wetzel mit Gewalt zu befreien. Sie drohten, die ganze Besatzung des Forts zu massakrieren, wenn man Wetzel ein einziges Haar krümme. Um Blutvergießen zu vermeiden, gab der Befehlshaber des Forts den Gefangenen frei, nachdem derselbe sich feierlich zum Einhalten des Friedens verpflichtet hatte. Nach mancherlei anderen Abenteuern starb Wetzel später in Texas.
Solcher