Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 3. Rudolf Cronau
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Die Einwandrung ins Mississippital nahm von Jahr zu Jahr zu. Aus Europa, vom Osten und Süden zogen Menschen herbei. Welche Massen sich in Bewegung setzten, erhellt am klarsten aus der Tatsache, dass innerhalb der Monate Januar, Februar und März 1842 in St. Louis 529 Dampfboote anlegten, die insgesamt 30.384 Personen brachten.
Allerorten wuchsen die Ansiedlungen wie Pilze aus der Erde. St. Louis entwickelte sich zu einem Haupthandelsplatz und Zentralpunkt für die Dampfschifffahrt des gewaltigen Mississippisystems. Bereits in der Mitte der vierziger Jahre zählte die Stadt 40.000 Bewohner. Dass daselbst zwei tägliche deutsche Zeitungen bestehen konnten, zeugt für die Stärke der damaligen deutschen Bevölkerung.
Im unteren Stromgebiet ließen sich die Deutschen hauptsächlich in Memphis, Vicksburg, Natchez und New Orleans nieder. In der letztgenannten Stadt lebten im Jahre 1841 bereits 10.000 Deutsche.
Am oberen Stromlauf wurden die Städte Altona, Quincy, Keokuk, Burlington, Davenport, Dubuque, Winona, St. Paul und Minneapolis, an den großen Binnenseen Chicago, Milwaukee und Detroit Sitze regen deutschen Lebens. Und zugleich Ausgangspunkte neuer Niederlassungen, die an den Nebenflüssen des Mississippi und den zahllosen Seen entstanden, die gleich tausend blauen Augen aus den Wäldern und Grassteppen von Wisconsin, Minnesota, Dakota, Nebraska und Iowa emporglänzen. Manche jener Niederlassungen kennzeichnen sich durch ihre Namen – Solche Orte sind im Staate Missouri: Westphalia, Germantown, Hermann, Neu-Hamburg, Dammüller, Diehlstadt, Altenburg, Biehla, Frohne, Wittenberg, Carola u. a. In Iowa finden wir Neu-Wien (New Vienna), Guttenberg, Minden usw. In Illinois Arenzville; in Wisconsin Germantown, New Köln, New Holstein, Town Schleswig u. a. – und die Mundart ihrer Bewohner noch heute als schwäbische, fränkische, thüringische, niederdeutsche oder schweizerische Gründungen.
Fast allen war eine ruhige, stete Entwicklung beschieden; denn mit dem einzigen Bevölkerungselement, welches Störungen hätte verursachen können, den Indianern, wussten die Deutschen im allgemeinen stets in Frieden auszukommen.
In der Tat ereignete sich nur ein größerer Indianerüberfall auf eine deutsche Ansiedlung: derjenige der Sioux auf Neu-Ulm in Minnesota. Dieser Ort ist eine Gründung unternehmungslustiger Turner aus Chicago, die im Jahre 1856 das schöne Tal des Minnesotaflusses als neue Heimat auserkoren.
Das hier erbaute Städtchen zählte im Sommer 1862 bereits 1.500 Bewohner, die friedfertig ihren Beschäftigungen nachgingen, ohne zu ahnen, dass sie von schwerem Unheil bedroht seien.
Die mächtigen Sioux oder Dakotas beschritten nämlich, erbittert über die von betrügerischen Regierungsagenten an ihnen verübten Gaunereien, den Kriegspfad und fielen plötzlich über die im Tal des Minnesota liegenden Ansiedlungen her. Sie schlachteten zunächst eine Anzahl vereinzelt wohnender Ansiedler ab und wandten sich dann in dichten Scharen gegen das Städtchen Neu-Ulm.
Sioux-Indianer
Am 19. August unternahmen sie einen wütenden Angriff auf den Ort, dessen verstreut liegende Häuser für Verteidigungszwecke wenig geeignet waren. Zahlreiche Wohnungen gingen in Flammen auf. Ihre Bewohner zogen sich, beständig fechtend, in die Mitte des Ortes zurück, wo sie sich hinter eiligst errichteten Barrikaden aus Fässern, Betten, Kisten und Ackergeräten verschanzten. Der Kampf dauerte ohne Unterbrechung bis in die Nacht hinein. Mancher brave Deutsche fiel dabei in der Verteidigung seiner Familie. Als der nächste Morgen anbrach, waren die Rothäute verschwunden. Aber bereits am 23. August erschienen sie bedeutend verstärkt aufs Neue, entschlossen, Neu-Ulm und seine Verteidiger gänzlich zu vertilgen.
Gegen 9 Uhr morgens sah man in der Ferne den Rauch brennender Hütten emporwirbeln. Bald darauf tauchten ganze Scharen berittener Indianer hinter den Hügeln auf. 250 Deutsche unter der Führung des Richters Flandreau stellten sich ihnen außerhalb des Ortes entgegen.
Mit fliegender Eile brausten die Sioux auf ihren flinken Ponies heran, in ihrem farbigen Aufputz, der bunten Kriegsmalerei, den flatternden Federn und hochgeschwungenen Waffen im hellen Sonnenschein ein überaus phantastisches Bild darbietend. Ehe sie in Schussweite gelangten, entfalteten die indianischen Massen sich gleich einem gewaltigen Fächer und stürmten unter wahrhaft teuflischem Geheul auf die Weißen herein.
Es zeigte sich bald, dass die von dem Richter Flandreau angeordnete Aufstellung der Weißen durchaus verkehrt war, denn die Indianer breiteten sich immer weiter aus, um die Deutschen zu umzingeln und auch im Rücken anzugreifen. In scharfem Gefecht zogen die letzteren sich deshalb auf den Ort zurück, um diesen zu verteidigen. Dass man es mit verschlagenen Gegnern zu tun hatte, ergab der weitere Verlauf des Kampfes. Da der Wind vom unteren Ende des Ortes kam, so setzten die Sioux die dort stehenden Häuser in Brand und rückten unter dem Schutz des aufsteigenden Qualmes Schritt für Schritt vor. Die sonst so friedliche Hochebene verwandelte sich in ein einziges Flammenmeer, dessen Ausbreitung die Belagerten auf ein immer kleiner werdendes Terrain beschränkte. Zuletzt hatten sie nur noch einen mit Barrikaden umgebenen offenen Platz inne. Von diesem aus verteidigten sie sich während des Restes des Tages und am folgenden Morgen mit solcher Hartnäckigkeit, dass die Feinde an einem Erfolg verzweifelten und endlich abzogen.
Überfall einer Auswandrerkarawane
178 Gebäude waren verbrannt, viele Familien ganz oder teilweise untergegangen. Da eine nochmalige Rückkehr der Feinde zu befürchten stand, so verließen die Überlebenden am 26. August den verwüsteten Platz, um sich in eine der nächsten Ortschaften zurückzuziehen. Der traurige Zug, auf dem man die Frauen und Kinder sowie die 56 Verwundeten beförderte, zählte 150 Wagen.
Insgesamt kamen während der von den Sioux angerichteten Metzelei 644 Ansiedler und 93 Soldaten ums Leben. Zudem war in weitem Umkreis das ganze Land verwüstet.
Abgeschlachtet! Eine Szene aus den Indianerkriegen des fernen Westens.
Erst nachdem die herbeigezogenen Truppen die Rothäute vertrieben hatten, kehrten die Bewohner von Neu-Ulm zurück, um mit dem Wiederaufbau ihres Städtchens zu beginnen. Neue Ansiedler traten an die Stelle der Gefallenen; da die Regierung auch den erlittenen Schaden vergütete, so erholte sich die Kolonie rasch wieder und erlangte nach einigen Jahren ihr früheres blühendes Aussehen.
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An der ferneren Entwicklung der im Stromgebiet des Mississippi und an den großen Seen gelegenen ungeheuren Ländermassen gebührt den Deutschen ein Hauptanteil. Die Chroniken fast aller hier entstandenen Staaten und Städte enthalten Tausende und Abertausende von Namen wackrer deutscher Männer, die sich durch fleißige Arbeit und ernstes Streben, durch die Gründung von Schulen und Kirchen, Turn-, Musik- und Gesangvereinen, wissenschaftlichen und wohltätigen Gesellschaften um den Aufbau und die Entwicklung des kulturellen Lebens in jenen Staaten und Gemeinwesen hochverdient machten.
Astoria im Jahre 1812
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