Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 3. Rudolf Cronau
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Fort Washington am Ohio. Nach einer Zeichnung vom Ende des 18. Jahrhunderts.
Amerikanische Flussdampfer aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
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Die deutschen Ansiedler im Mississippital
Die deutschen Ansiedler im Mississippital
Der erfolgreiche Unabhängigkeitskrieg hatte den Amerikanern zwar den Zutritt zu der großen Stromseele des nordamerikanischen Kontinents, zum Mississippi gebracht, aber sie besaßen nicht die volle Kontrolle über diesen wichtigen Wasserweg. Sein Westufer sowie sein Mündungsgebiet, das ehemalige Louisiana, waren nach der Verdrängung der Franzosen vom nordamerikanischen Kontinent in den Besitz der Spanier übergegangen, die von freier Schifffahrt auf dem „Vater der Ströme“ nichts wissen wollten.
Ungehinderter Verkehr bedeutete aber für sämtliche am Ohio und auf dem Ostufer des Mississippi gegründeten amerikanischen Niederlassungen und Staaten eine Lebensfrage, da sie sonst ihre Erzeugnisse nicht ausführen konnten. Die Lage war unerträglich. Denn der überaus schwierige Transport über die Alleghanygebirge verbot sich der ungeheuren Kosten wegen.
Da, mit Anbruch des 19. Jahrhunderts, änderten diese Zustände sich plötzlich in einer für die Amerikaner überaus günstigen Weise. Spanien musste am 1. Oktober 1800 sein ganzes Besitztum am Mississippi an Frankreich zurückgeben. Napoleon Bonaparte aber, der seinen bereits in der Luft liegenden unvermeidlichen Krieg mit England voraussah, empfand den überseeischen Besitz als eine schwere Last, da er außerstande war, Louisiana gegen einen englischen Flottenangriff zu schützen. Er beschloss deshalb, sich jenes Riesenreichs in einer Weise zu entäußern, die Frankreich nicht nur materiellen Nutzen bringen, sondern zugleich seinen Gegnern einen argen Strich durch die Rechnung machen sollte.
„Die Engländer“, so erklärte er seinen Ministern, „streben, die Reichtümer und den Handel der ganzen Welt an sich zu reißen. Um die Völker von ihrer unerträglichen kommerziellen Tyrannei zu befreien, ist es nötig, ihren Einfluss durch eine Seemacht zu balancieren, die ihnen eines Tages die Handelssuprematie streitig machen kann. Diese Macht sind die Vereinigten Staaten. Stärke ich deren Stellung durch Abtreten des Mississippigebiets, so erhält England im Welthandel einen Mitbewerber, der seinen Übermut früher oder später dämpfen wird.“
Die mit den Vereinigten Staaten angeknüpften Verhandlungen kamen am 30. April 1803 zum Abschluss, wodurch Louisiana gegen eine Summe von 15 Millionen Dollar an die Vereinigten Staaten überging. Durch dieses großartigste Landkaufgeschäft aller Zeiten wurden die Vereinigten Staaten um ein Gebiet bereichert, das demjenigen von Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien und der Schweiz gleichkommt und den bisherigen Flächeninhalt der Union verdoppelte.
Die Unterzeichnung des Louisiana-Vertrags.
Bildhauerarbeit von Karl Bitter in New York.
Der Bannerträger. Skulptur von Karl Bitter auf der Weltausstellung zu Buffalo,
New York.
Von welch unermesslicher Bedeutung die Erwerbung Louisianas für die Kulturentwicklung der Vereinigten Staaten werden sollte, konnte damals allerdings niemand voraussehen, da man weder die fabelhafte Ausdehnung des Mississippisystems, noch die Beschaffenheit der westlich vom Hauptstrom liegenden Ländermassen kannte.
Vorderhand war für die Amerikaner kein Punkt so wichtig, als der durch den Ankauf Louisianas ermöglichte freie Verkehr auf dem Mississippi. Das war ein Gewinn, der alles andere überschattete. Denn nun war den westlich von den Alleghanygebirgen entstandenen Staaten die heiß ersehnte Möglichkeit geboten, mit ihren Erzeugnissen auf dem Weltmarkt zu erscheinen.
Ihr dadurch bewirkter Aufschwung wurde durch die gleichzeitige Erfindung der Dampfboote mächtig gefördert. Kaum hatte Fulton durch seine im Jahre 1807 mit dem Dampfer „CLERMONT“ zurückgelegte Fahrt auf dem Hudson die Verwendbarkeit der Dampfkraft für die Schifffahrt bewiesen, so begannen die Flüsse Amerikas sich mit diesen neuen Verkehrsmitteln zu bedecken. Das erste Dampfschiff der westlichen Ströme wurde bereits im Jahre 1811 von dem Deutschen Bernhardt Rosefeldt in Pittsburgh erbaut und auf den Namen „NEW ORLEANS“ getauft. Sein Führer war gleichfalls ein Deutscher, Kapitän Heinrich Schreeve, derselbe, welcher eine Dampfmaschine zum Zersägen und Entfernen der die Schifffahrt auf den westlichen Strömen so sehr gefährdenden „snags“ (losgewaschene, mit ihren Wurzeln und Ästen in den Flussbetten verankerte Baumstämme) erfand. Sein Name ist in demjenigen der Stadt Shreevesport in Louisiana erhalten.
Der Dampfer machte noch im Jahr seiner Erbauung die erste Reise den Ohio und Mississippi hinab. Es war eine ereignisreiche Fahrt, während der man unter anderem ein heftiges Erdbeben erlebte, das damals das untere Mississippital heimsuchte.
Mit dem Aufkommen der Dampfboote und der gleichzeitigen Anlage von Schiffskanälen öffneten sich den Einwanderern mehrere neue, bequemere Wege zum Westen. Der eine führte von New York den Hudson hinauf bis Albany. Dort bestiegen die Reisenden Kanalboote zur Fahrt nach Buffalo, von wo aus Dampfer den Weitertransport über die großen Seen nach den im Westen entstandenen Ansiedlungen vermittelten.
Den von England kommenden Einwanderern bot sich ein ähnlicher Weg, wenn sie den St. Lorenzstrom hinauf bis Toronto reisten und von dort die Schiffe benutzten, welche die großen Binnenseen befuhren.
Eine dritte Verbindung boten jene Dampferlinien, welche von europäischen und amerikanischen Häfen aus einen direkten Verkehr mit New Orleans aufnahmen, wo bequem eingerichtete Flussdampfer die Weiterreise den Mississippi und seine Nebenflüsse hinauf ermöglichten. Infolge dieser bequemeren und billigeren Verbindungen steigerte sich die Einwandrung in die Täler des Ohio und Mississippi von Jahr zu Jahr.
Die Erfindung der Eisenbahnen fügte den bisher bekannten Mitteln zur Überwindung räumlicher Entfernungen neue von größter Bedeutung hinzu.
Mit der gleichen Energie, welche die Amerikaner bisher beim Dienstbarmachen der Natur, im Ausbeuten ihrer reichen Gaben bekundeten, schritten sie nun dazu, ihr Land mit einem förmlichen Netz von Schienengleisen zu überziehen. Bei der Anlage solcher Eisenbahnen rechneten sie nicht wie die Europäer auf sofortigen Gewinn, sondern bauten die Bahnen oft in ganz unbewohnte Wildnisse hinein, um den Ansiedlern die Möglichkeit zu bieten, nachzurücken und ihre Erzeugnisse zu befördern.
Eine Eisenbahn im Mohawktal im Jahre 1835. Nach einem gleichzeitigen Stahlstich.
Mit dieser Ära der Dampfer und Eisenbahnen hebt recht eigentlich die große amerikanische Völkerwanderung an, eine Völkerwanderung, die sich von derjenigen des Altertums dadurch unterscheidet, dass sich nicht wie damals ganze, im Rücken bedrängte Völkerstämme auf schwächere warfen und sie mit Langschwertern und Streithämmern aus ihren Wohnsitzen vertrieben. Es waren vielmehr unzählige einzelne Personen, Familien und kleine Haufen, die sich von den in Europa und im Osten der Vereinigten Staaten bestehenden Gemeinwesen ablösten, um mit Axt und Spaten an der friedlichen