Hinter seinem Rücken. Janina Hoffmann

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Hinter seinem Rücken - Janina Hoffmann

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      „Also da steht: ‚15:00 Uhr Rabenweide 12‘ ... und eine Telefonnummer“, antwortete Hannelore Blech brav. „... Soll ich die auch vorlesen?“

      Ohne darauf zu antworten, nahm Regina Hansen den Hörer des auf dem Schreibtisch befindlichen weinroten Telefons ab und hielt ihn Hannelore Blech entgegen. „Anrufen.“

      Meine Kollegin zögerte. Dabei war es doch nicht misszuverstehen, was Regina Hansen von ihr wollte.

      „Anrufen, habe ich gesagt!“, wiederholte Regina Hansen barsch.

      Hannelore Blech trat näher an den Schreibtisch heran. „Und ... was soll ich sagen, wenn sich jemand meldet?“, fragte sie zaghaft.

      Regina Hansen drückte ihr den Hörer in die Hand und entriss ihr das Notizbuch. „Dann sagen Sie, dass Sie Ihren Vorgesetzten Herrn Hansen sprechen wollen.“

      „Und wenn Herr Hansen dann ...“

      „Jetzt wählen Sie die Nummer, die ich Ihnen diktiere“, unterbrach Regina Hansen in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. Mich, die ich immer noch in der Tür stand und die absurde Szene mit widerwilliger Faszination beobachtete, nahm unsere Chefin anscheinend überhaupt nicht wahr. Stattdessen begann sie, aus dem Notizbuch eine Telefonnummer vorzulesen, die Hannelore Blech in die Tastatur des Telefons eingab. „Und?“, fragte Regina Hansen, nachdem Hannelore Blech anschließend einen Moment lang in den Hörer gelauscht hatte.

      „Ich glaube ...“, suchte diese schüchtern nach Worten. „Ich meine ..., ich muss mich verwählt haben ...“

      „Geben Sie her!“, befahl Regina Hansen und horchte nun selbst in den Hörer. Dann legte sie ihn mit einem zufriedenen Lächeln ungewöhnlich sanft auf die Gabel, platzierte das Notizbuch ordnungsgemäß auf dem Schreibtisch und ging auf die Tür zu. Ich trat automatisch einen Schritt zur Seite und rechnete damit, von Regina Hansen wegen meiner Neugier getadelt zu werden. Doch diese drehte sich stattdessen zu Frau Blech um. „Schließen Sie hier wieder ab“, sagte sie nur, verließ das Büro und stieg die Treppe hinab.

      Ich wartete im Flur, bis Hannelore Blech die Tür des Büros von Philipp Hansen abgeschlossen hatte.

      „Wir machen für heute Feierabend“, entschied meine Kollegin etwas hastig, als sie vor mir zurück in unser Büro ging. „Es ist schon spät. Morgen ist auch noch ein Tag.“ Mit diesen Worten räumte sie ihren Schreibtisch auf, während ich ihr tatenlos dabei zusah, und zog sich anschließend ihre Jacke an. „Hier.“ Sie reichte mir meinen Parka und meine Tasche.

      „Wer war denn vorhin am Telefon?“, traute ich mich endlich zu fragen, als wir das Gebäude durch einen Nebeneingang verlassen hatten und Hannelore Blech auch diese Tür sorgfältig abgeschlossen hatte.

      „Ich muss mich verwählt haben“, lautete ihre unbefriedigende Antwort. „Das lag sicher an der Aufregung. Ich bin doch sonst so gut mit Zahlen. Wir hätten es einfach noch einmal versuchen sollen.“

      Fragend sah ich sie an.

      „Da kam die Ansage ‚Kein Anschluss unter dieser Nummer‘“, erklärte sie etwas widerwillig. „Schönen Feierabend.“ Mit diesen abrupten Abschiedsworten wandte sie sich von mir ab und ging über den Parkplatz zu ihrem Wagen.

      Es war kein angenehmes Erlebnis gewesen, Zeugin zu werden, wie der eigene Chef seine Frau hinterging, wenn auch alle Beteiligten in der darauffolgenden Zeit das Thema mit keinem Wort mehr erwähnten.

      Der Frühlingstag mehr als vierzehn Jahre später, an dem ich die Einladung erhielt, die mein Leben verändern sollte, war allerdings noch schlimmer. Dabei verlief er für mich zunächst ganz normal, um dann beinahe in einer Katastrophe zu enden. Das lag daran, dass Philipp Hansen, der nach wie vor mein Vorgesetzter war, an diesem Tag herausfand, dass mir ein großer Fehler unterlaufen war. Ein unverzeihlicher Fehler, der mir nicht einmal passiert war, als ich nach meiner Ausbildung ganz am Anfang meiner beruflichen Laufbahn als Küchenplanerin im Küchenstudio Hansen gestanden hatte.

      Am späten Nachmittag kam ich zurück ins Geschäft, nachdem ich drei Termine zu Hause bei Kunden wahrgenommen hatte. Eigentlich wären die Termine die Aufgabe meiner Kollegin Julia Werner gewesen, denn es waren ihre Kunden, doch ich hatte Julia dazu überreden können, stattdessen beim Einbau der Küche in der Wohnung eines meiner Kunden vor Ort zu sein. In den Tagen davor war die alte Küche abgebaut, neue Stromleitungen gelegt, neu tapeziert und gefliest worden. Nun war der große Tag gekommen, und die neue, von mir entworfene Küche sollte eingebaut werden. Normalerweise ließ ich es mir niemals nehmen, den Einbau zu beaufsichtigen und die fertige Küche anschließend gemeinsam mit dem zufriedenen Kunden abzunehmen. Doch an diesem Tag ging das wegen eines wichtigen privaten Termins, den ich am Abend hatte, nicht. Ich wusste, dass Julia hoffnungslos romantisch war, und hatte daher behauptet, unbedingt pünktlich zu Hause sein zu müssen, um meinen Freund anlässlich unseres ersten Jahrestages mit einem Abendessen zu überraschen. Ein Teil davon stimmte zumindest. Es war Torbens und mein Jahrestag, und ich durfte wirklich an diesem Abend auf keinen Fall zu spät nach Hause kommen, denn es gab etwas, das ich auf keinen Fall verpassen wollte. Beim Einbau einer Küche konnte es immer zu Verzögerungen kommen. Ein Anschluss passte nicht. Ein Ersatzteil oder spezielles Werkzeug musste nachgeholt werden. Es kam zu Kurzschlüssen, deren Ursache herausgefunden werden musste, um nur einige mögliche Widrigkeiten aufzuzählen. An und für sich blieb ich dann stets gelassen und wartete geduldig, bis auch das letzte Problem behoben war und der Kunde in seiner neuen Küche kochen konnte, aber an diesem Tag wäre mir das Risiko, zu spät nach Hause zu kommen, zu groß gewesen. Daher hatte ich die Kundentermine von Julia Werner übernommen und mit dem höflichen Hinweis, jetzt leider zum nächsten Termin zu müssen, etwas verkürzt.

      Als ich mich anschließend am Nachmittag noch einmal an meinen Schreibtisch setzte, wollte ich eigentlich nur noch den Lieferstatus von zwei Küchenbestellungen überprüfen und dann nach Hause fahren. Umso überraschter war ich, dass Julia Werner kurz nach mir das Büro betrat, das wir uns teilten, und neben meinem Schreibtisch stehen blieb. Julia war siebenunddreißig, drei Jahre älter als ich, hatte dunkelbraune kurze Haare und eine zierliche Figur. Auffallend waren die farbigen Gestelle ihrer Brillen, die sie nach ihrer Kleidung auswählte. Sie musste mindestens ein Dutzend haben. An diesem Tag war meine Kollegin in einen weißen Hosenanzug gekleidet, und so hatte auch ihre Brille ein weißes Gestell.

      „Oh, seid ihr schon fertig“, sprach ich meine Kollegin erstaunt an. „Das ging ja schneller als erwartet. Dann hätte ich den Termin ja auch selbst übernehmen können. Na ja, leider weiß man so etwas ja nie vorher.“

      Julia Werner blickte betreten zu Boden, und mir war sofort klar, dass etwas gründlich schiefgegangen war. Was das war, erfuhr ich schon einen Moment später, denn nun betrat auch ein verärgert wirkender Philipp Hansen mein Büro. Er sah immer noch so gut aus wie damals, als ich mich in der Ausbildung befunden hatte, wenn das Haar an seinen Schläfen auch mittlerweile von etwas Grau durchzogen war. Vor etwa zehn Jahren hatten er und ich für einige Monate ein Verhältnis gehabt, das nach einer Firmenfeier begonnen hatte. Philipp hatte damals unter seiner frustrierenden Ehe mit Regina gelitten und war auf der Suche nach Trost gewesen und ich ... wieder einmal nach einem Abenteuer. Inzwischen war er geschieden und wieder verheiratet. Zwischen uns beiden bestand ein stummes Einverständnis, die damalige Affäre mit keinem Wort mehr zu erwähnen. Ich kannte Philipps zweite Frau nicht, doch ein Foto von ihr stand auf seinem Schreibtisch, so als müsste er allen demonstrieren, dass er glücklich vergeben war und keine andere Frau mehr eine Chance bei ihm hatte. So ganz nahm ich Philipp das nicht ab, wünschte ihm aber für seine zweite Ehe von Herzen alles Gute.

      „Kannst du mir bitte erklären“, begann mein um Beherrschung bemühter Chef, der wie gewöhnlich leger in

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