Hinter seinem Rücken. Janina Hoffmann

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Hinter seinem Rücken - Janina Hoffmann

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sehe ich mir später an. Jetzt möchte ich erst einmal in Ruhe dein fantastisches Gulasch zu Ende essen.“ Mit diesen Worten nahm ich den Teller vom Wohnzimmertisch und schob mir mit der Gabel einen großen Bissen in den Mund.

      Kennengelernt hatten Torben und ich uns vor etwas mehr als einem Jahr auf einer Party, die ein gemeinsamer Bekannter von uns gegeben hatte, obwohl „Bekannter“ eigentlich zu viel gesagt war, denn ich kannte den Gastgeber ehrlich gesagt kaum. Torben war ich noch nie zuvor begegnet. Ich hatte die Party mit meiner besten Freundin Nathalie Steinbrink besucht, mit der ich zur Schule gegangen war und die nun als Polizistin arbeitete. Wegen ihres Schichtdienstes hatten wir nicht so oft Gelegenheit zu abendlichen Unternehmungen, und obwohl ich grundsätzlich offen für alles war, hätte ich lieber einen Abend mit Nathalie allein im Kino oder in einem Restaurant verbracht als auf einer lauten Party im Gedränge zu stehen und von irgendwelchen Leuten vollgequatscht zu werden, die mich nicht interessierten. Nathalie versuchte gern, mich zu verkuppeln, obwohl sie selbst auch Single war. Dass sie unbedingt einen Mann für mich finden wollte, lag an meinem Fehler, ihr von der Online-Singlebörse zu erzählen, bei der ich zu der Zeit angemeldet war, und von den diversen Verabredungen, die ich seitdem gehabt hatte. Nicht alle waren unterhaltsam gewesen, eine sogar so grauenhaft, dass ich im Restaurant, in dem das Treffen stattgefunden hatte, heimlich durch den Hinterausgang verschwunden war. Doch fand ich es im Nachhinein komisch, davon zu erzählen. Nathalie konnte darüber überhaupt nicht lachen, im Gegenteil, sie hielt es für unverzeihlich leichtsinnig, sich mit wildfremden Männern zu verabreden und ihnen in ihre Wohnung zu folgen, wie ich es zugegeben auch schon mehr als einmal getan hatte. Immer wieder hatte sie mich angefleht, von diesen Abenteuern zu lassen, doch das konnte ich nicht. Es war das Aufregendste, das ich in meinem Leben hatte. Insgeheim reizte mich wohl auch die Gefahr, denn theoretisch konnte jeder, den ich nach Hause begleitete, ein gewalttätiger Irrer sein. Ich hörte auf, Nathalie von meinen Erlebnissen zu berichten, dabei hatte ich es genossen, sie mit jemandem zu teilen. Auch Nathalie sprach mich nicht mehr darauf an. Es war wie eine unsichtbare Wand, die zwischen uns stand, und die uns voneinander entfremdete. Umso mehr freute ich mich, als mich meine beste Freundin nach einigen Wochen fast kompletter Funkstille anrief, um mir vorzuschlagen, sie zum dreißigsten Geburtstag eines Bekannten zu begleiten, der bei ihm zu Hause gefeiert wurde.

      Als mich Nathalie zu der Party abholte, hätte ich sie am liebsten gebeten, stattdessen gemeinsam einen ruhigen Abend bei mir zu verbringen, aber als ich sah, wie viel Mühe sie sich mit ihrer Kleidung, ihrer Frisur und ihrem Make-up gegeben hatte, wusste ich, dass ich keine Chance hatte, ihr unser Vorhaben auszureden.

      Nathalie stammte ursprünglich aus dem Nahen Osten – sie wusste seltsamerweise selbst nicht einmal, aus welchem Land - und war als Kleinkind nach Deutschland gekommen. Über einige Umwege war sie mit acht Jahren von einem deutschen Ehepaar adoptiert worden, das in derselben Wohnsiedlung lebte wie ich mit meiner Familie. Meine beste Freundin hatte keine schöne Kindheit verbracht. Ihre Adoptivmutter war eine gefühlskalte Frau, die ihre Launen an Nathalie ausließ, und ihr Adoptivvater ein schweigsamer Mann, dem alles egal zu sein schien, auch, dass der Vorname seiner Adoptivtochter auf Wunsch seiner Frau geändert wurde. Nathalies ursprünglicher Name war Neyla gewesen. Frau Steinbrink hatte damals, um es milde auszudrücken, nicht sehr positiv reagiert, als sie zufällig erfuhr, dass ihre Adoptivtochter mir dies anvertraut hatte.

      Die Party fand an einem eisigen Februarabend statt, doch Nathalie hatte zu hohen schwarzen Pumps und einer schwarzen Netzstrumpfhose ein knappes kurzärmeliges schwarzes Kleid gewählt, das sie mit ihrer sportlichen Figur sehr gut tragen konnte. Darüber trug sie nur ein grobmaschiges Häkeljäckchen. Nathalie hatte langes, dickes, dunkelbraunes, welliges Haar, um das ich sie beneidete. Sie hatte es kunstvoll hochgesteckt und eine große goldfarbene Spange an ihrem Hinterkopf befestigt. Ihr Mund war dunkelrot geschminkt und ihre großen dunkelbraunen Kulleraugen schwarz umrandet und mit reichlich Wimperntusche betont. Nathalie redete oft davon, dass ihre Nase zu groß sei, und versuchte mit diesen Schminktricks, davon abzulenken. Obwohl ich diesen Schwachpunkt kannte, hätte ich meine beste Freundin, nachdem wir uns zur Begrüßung umarmt hatten, angesichts ihrer Aufmachung fast im Scherz gefragt, ob sie auf Männerfang sei. Ich wusste, dass das gemein war, und so verbiss ich mir den Kommentar, nicht zuletzt, weil ich ihre sichtlich gute Stimmung nicht verderben wollte.

      Ich selbst hatte mir mit meinem Erscheinungsbild weitaus weniger Mühe gegeben. Bis zuletzt hatte ich damit gewartet, mich zurechtzumachen, da mir der Sinn viel mehr nach einem Fernsehabend als nach einer Feier stand. Meine langen schlanken Beine, die ich glücklicherweise von meiner Mutter geerbt hatte, steckten in einer engen verwaschenen Jeans, die ich schon seit Ewigkeiten besaß. Dazu hatte ich einen dünnen roten Pullover mit V-Ausschnitt und schwarze Wildlederstiefel gewählt. Leider hatte ich meiner Mutter auch mein feines hellblondes Haar zu verdanken, das bei feuchtem Wetter dazu neigte, sich zu kräuseln. Damit ließ sich beim besten Willen nicht viel anfangen. Aus irgendwelchen Gründen hatte ich einen längst fälligen Friseurtermin immer wieder aufgeschoben, so dass meine normalerweise kinnlangen Haare nun fast meine Schultern berührten. Es wäre geschmeichelt gewesen, den derzeitigen Zustand auf meinem Kopf als Frisur zu bezeichnen. Ich hatte einen hellen Teint, blaue Augen und einen – im Gegensatz zu meiner kleinen Nase – breiten Mund. Alles in allem fand ich mein Aussehen ganz passabel. Dass ich mich an diesem Abend bis auf eine Make-up-Grundierung, etwas Puder und Wimperntusche nicht geschminkt hatte, lag allerdings daran, dass ich mir von der Party nicht viel versprach und nicht einsah, weshalb ich mich dafür groß zurechtmachen sollte.

      „Du siehst toll aus“, lobte Nathalie mein Erscheinungsbild, und es klang aufrichtig. Ich konnte mir aus ihrem Mund auch keine unehrlichen Worte vorstellen. Trotz ihrer Vergangenheit, über die sie ungern sprach, hatte meine beste Freundin nicht den Glauben an das Gute verloren und war zu allen stets freundlich. Sie war auch Polizistin geworden, um anderen Menschen zu helfen. Für diese unerschütterlich positive Einstellung bewunderte ich Nathalie.

      „Ach was, du siehst toll aus!“, widersprach ich.

      „Na, dann sehen wir eben beide toll aus“, bot sie mir lachend als Kompromiss an.

      „Ist es nicht etwas peinlich, wenn wir bei der Party ohne Geschenk für den Gastgeber auftauchen?“, wagte ich doch noch einen Versuch, den Abend, statt auszugehen, vor dem Fernseher zu verbringen.

      „Mach dir keine Sorgen, ich habe etwas besorgt“, erwiderte Nathalie unbeschwert. „Das wird bestimmt gut ankommen. Ich verrate dir nicht, was es ist, ja? Lass dich einfach überraschen.“

      „Na gut“, gab ich mich geschlagen, zog meine Winterjacke an und nahm Handtasche und Schlüssel.

      Wir erreichten das Haus, in dem die Geburtstagsfeier stattfinden sollte, mit Nathalies Kleinwagen. Ich wunderte mich jedes Mal, dass sie in egal welchen Schuhen fahren konnte. Ich nahm, wenn ich elegante Schuhe trug, zum Fahren immer ein Paar Turnschuhe mit.

      Nach etwa einer Dreiviertelstunde hielten wir vor einem Einfamilienhaus, das in einem Wohngebiet am Stadtrand lag.

      „Hat der mit dreißig schon ein eigenes Haus?“, fragte ich beeindruckt, als wir ausstiegen.

      „Der heißt Max“, erklärte Nathalie freundlich. „Du solltest dir besser den Namen unseres Gastgebers merken. Und es ist das Haus seiner Eltern.“

      „Er ... Max wohnt mit dreißig noch zu Hause?“, erkundigte ich mich. Ich wusste über diesen Max so gut wie gar nichts, war ihm bisher höchstens dreimal begegnet.

      „Ja ...“, gab Nathalie zögernd zu und ging mit dem kleinen, in buntes Papier eingewickelten Geburtstagsgeschenk in der Hand durch die niedrige Gartenpforte. „Ist eine längere Geschichte.“

      „OK, ich kann darauf verzichten. Sehen wir lieber zu, dass wir ins Warme kommen.“

      Auf

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