Hinter seinem Rücken. Janina Hoffmann

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Hinter seinem Rücken - Janina Hoffmann

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im Küchenstudio sein musste. Die frühe Uhrzeit des Anrufs meiner Mutter war es allerdings nicht allein, die mir meine Laune verdorben hatte, sondern der Grund, weshalb meine Mutter mich anrief. Es war der Grund, der seit ungefähr Weihnachten ihr einziges Gesprächsthema zu sein schien: ihr sechzigster Geburtstag im Mai, den sie groß in einem Gasthaus feiern wollte. Anfangs hatte sie mich mit der Gästeliste und der Essensauswahl genervt, anschließend mit der Gestaltung der Einladungskarte, der sie als dezentem Hinweis für mögliche Geschenkideen eine kleine Wunschliste beifügen wollte. In letzter Zeit hatte sie mich dann fast täglich über den aktuellen Stand der Zu- und Absagen auf dem Laufenden gehalten. Es würde eine große Feier werden, denn es hatten sich bereits fast einhundert Gäste angemeldet, und es war noch mehr als ein Monat Zeit, um zuzusagen.

      Nachdem mich meine Mutter an diesem Morgen über die neuesten Zusagen in Kenntnis gesetzt hatte, hatte sie vielsagend hinzugefügt: „Du kannst auch jemanden mitbringen, wenn du willst, Sandra. Dein Vater und ich würden uns freuen.“ Seit ich mich durch das ständige Fragen meiner Eltern, wann sie meinen angeblichen viel reisenden Verlobten denn endlich kennenlernen würden, vor etwa zwei Jahren dazu gezwungen gesehen hatte, ihnen von dem Aus der von mir erfundenen Beziehung zu berichten, hoffte insbesondere meine Mutter inständig, ich würde bald einen adäquaten Ersatz finden und ihnen diesmal auch persönlich vorstellen.

      „Ja, mal sehen“, hatte ich leicht verschlafen gemurmelt. „Vielleicht bringe ich Nathalie mit, wenn das für euch in Ordnung ist.“

      „Ach, Sandra!“, hatte meine Mutter in einem missmutigen Tonfall erwidert, als hätte ich ein wichtiges Spiel verdorben. „Ich hatte da ehrlich gesagt an eine männliche Begleitung gedacht. Wie sieht das denn aus, wenn du eine Frau an deiner Seite hast. Auf das Gerede kann ich wirklich verzichten.“

      Ich bin eben nicht wie dein Liebling Caroline, die zusammen mit ihrem Mann in einem Labor Medikamente entwickelt, um die Welt zu retten, und nebenbei noch zwei Kinder großzieht, hatte mir auf der Zunge gelegen, doch ich hatte die giftige Bemerkung heruntergeschluckt und stattdessen geheimnisvoll geantwortet: „Lasst euch doch einfach überraschen.“

      „Sandra, soll das etwa heißen ...“

      Es war mühevoll gewesen, das unerfreuliche Telefonat mit meiner Mutter zu beenden. Ich ging es in Gedanken noch einmal durch, insbesondere ihre wissbegierigen Fragen nach einem potenziellen Schwiegersohn am Ende des Gesprächs, während ich meinen Wagen an einer Tankstelle volltankte. Vielleicht sollte ich eine meiner flüchtigen Bekanntschaften aus der Online-Singlebörse zur Geburtstagsfeier meiner Mutter mitbringen. Das wäre sicher eine Überraschung, die niemand so schnell vergessen würde. Ich stellte mir die schockierten Gesichter meiner Eltern, meiner Schwester und ihres Göttergatten Boris, der gewöhnlich zum Lachen in den Keller ging, vor, wenn ich wie selbstverständlich erklärte, dass ich ihnen über meinen Begleiter leider nichts erzählen könne, da ich ihn erst heute zum ersten Mal persönlich getroffen hätte, nachdem mir am Vortag sein Online-Profil in der Singlebörse zugesagt habe.

      „Guten Morgen“, sagte plötzlich eine männliche Stimme neben mir. „Die Welt ist klein.“

      Wo hatte ich diesen Satz kürzlich schon einmal gehört? Ich drehte mich um und sah in das lächelnde Gesicht von Torben Brandt. Torben Brandt, dem Gymnasiallehrer. Wie gut würde das meinem Vater, einem pensionierten Leitenden Regierungsdirektor, gefallen.

      „Guten Morgen“, grüßte ich freundlich zurück und hängte den Zapfhahn zurück an die Zapfsäule. Wenn ich mich recht erinnerte, hatten Torben Brandt und ich uns auf Max‛ Party am Ende geduzt. „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte ich ihn. „Ich lade dich ein.“

      Am Ende bestand Torben darauf, die Rechnung in dem kleinen Café in der Nähe der Tankstelle, in dem wir frühstückten, zu bezahlen, doch das war mir egal, denn ich war mir sicher, es würden noch weitere Treffen folgen, bei denen ich mich dafür revanchieren könnte.

      Ich sollte Recht behalten. Torben und ich sahen uns in der Folgezeit mindestens einmal wöchentlich. Er war, als wir uns kennenlernten, fünfunddreißig, zwei Jahre älter als ich, ein intelligenter, unterhaltsamer, liebenswerter Mensch. Aber er war nicht der Mann meines Lebens. Das war mir von Anfang an klar. Denn dafür war er zu bieder. Ich brauchte immer viel Spannung und Abwechslung in meinem Leben. Dennoch fragte ich Torben an einem sonnigen Tag Anfang Mai, den wir wie viele andere auf einer Wolldecke liegend am Ufer eines Sees in der Nähe der Großstadt verbrachten, ob er mich zu der Geburtstagsfeier meiner Mutter begleiten würde.

      „Dann heißt das, dass wir jetzt ein festes Paar sind?“, fragte mich Torben erfreut.

      Als Antwort küsste ich ihn. Ja, das hieß es dann wohl.

      Schon ein halbes Jahr später zogen Torben und ich zusammen. Viel zu übereilt im Nachhinein. Oder auch einfach nur überflüssig. Das Haus, in dem ich meine Mietwohnung besaß, sollte umfangreich saniert werden. Die anschließende Mieterhöhung, die bereits angekündigt worden war, ließ mich schwindelig werden. Obwohl ich nicht schlecht verdiente, sah ich es nicht ein, so viel Geld für ein Dach über dem Kopf auszugeben. Auch Torben war in seiner derzeitigen Wohnung unglücklich. Eine Familie mit mehreren kleinen Kindern war kürzlich über ihm eingezogen, und obwohl Torben Kinder sehr gern hatte, war das ständige Geschrei und Getrampel eine Zumutung, wie ich selbst feststellen musste, wenn ich bei ihm war.

      Torben hatte durch einen Bekannten seiner Mutter die Möglichkeit, an eine schöne, helle Drei- oder Vierzimmerwohnung mit Südbalkon in einem Neubau in einer ruhigen Straße in der Innenstadt zu gelangen. „Wieso machen wir nicht Nägel mit Köpfen und ziehen zusammen?“, wollte er von mir wissen. „Ich meine“, sprach er hastig weiter, „zwischen uns beiden läuft es doch sehr gut, und deine Eltern mögen mich, glaube ich, auch.“

      Das taten sie allerdings. Der Auftritt mit Torben auf der Geburtstagsfeier meiner Mutter war ein voller Erfolg gewesen. Noch Monate später dachte ich mit Genuss an das beeindruckte Gesicht meines Vaters und seinen anerkennenden Kommentar: „Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte, so so“, während meine Mutter zufrieden lächelte, und an die verdutzten Gesichtsausdrücke von Caroline und Boris, die mir zu sagen schienen, dass sie mir so einen guten Fang gar nicht zugetraut hätten.

      „Was soll denn mit deiner Katze passieren?“, fragte ich etwas unbehaglich statt einer Antwort. Ich mochte Katzen nicht sonderlich und konnte mir nicht vorstellen, eine in meiner Wohnung zu halten.

      Als ich Torben das erste Mal in seiner Wohnung besucht hatte, hatte er mir stolz Miezi präsentiert, eine weiße Katze mit grauen Pfoten und einem grauen Fleck auf dem Hinterkopf, der mich von dem Tag an immer an den hellblonden Fleck auf dem Hinterkopf von Philipp Hansen erinnerte. Torben hatte Miezi auf den Arm genommen und sie mir hingehalten, damit ich sie streichelte. Ich hatte es mit Widerwillen getan. Dennoch hatte Miezi bei der Berührung geschnurrt, und Torben hatte sich gefreut wie ein kleiner Junge. „Sie hat dich gern“, hatte er voller Überzeugung gemeint. Das hatte mich gerührt, und ich hatte mich gezwungen, die Katze noch ein wenig weiter zu streicheln. Ich hatte Torben nie gesagt, wie wenig ich Katzen mochte.

      „Der neue Vermieter hat nichts gegen Haustiere“, erwiderte Torben, der meinen Einwand nicht verstanden hatte. „Von meiner Miezi würde ich mich auch nie und nimmer trennen. Das wird also kein Problem sein.“ Etwas ironisch fügte er hinzu: „Sonst noch irgendwelche Einwände gegen unser Zusammenziehen?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Dann nehmen wir aber die Vierzimmerwohnung statt der Dreizimmerwohnung, ja? Du brauchst ein ruhiges Plätzchen für deinen Schreibtisch, und im vierten Zimmer bringen wir alles unter, was sich im Laufe der Jahre angesammelt hat und zu schade für den Keller ist.“

      „Ja, ja, versteh schon“, lachte Torben. „Du denkst schon

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