Der Pfadfinder. James Fenimore Cooper
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„Geht, Junge, aber seid leicht mit dem Ruder, und in keinem Fall wagt Euch auf’s Unsichere an's Ufer."
„Ist das klug?" fragte Mabel mit einer Heftigkeit, welche sie die Vorsicht, ihre süße Stimme zu dämpfen, vergessen ließ.
„Sehr unklug, meine Liebe, wenn Sie so laut sprechen. Ich liebe zwar ihre sanfte und angenehme Stimme, nachdem ich so lange nur die der Männer gehört habe; aber sie darf sich im gegenwärtigen Augenblick doch nicht zu viel und zu frei vernehmen lassen. Ihr Vater, der wackere Sergeant, wird Ihnen sagen, daß Schweigen auf einer Fährte eine doppelte Tugend ist. Geht, Jasper, und benehmt Euch klug in der Sache."
Zehn drückende Minuten folgten dem Verschwinden von Jaspers Kahn, welcher von dem des Pfadfinder so geräuschlos weg glitt, daß er in der Dunkelheit verschwunden war, ehe noch Mabel glauben konnte, der junge Mann werde wirklich ein Unternehmen wagen, welches die Phantasie ihr mit so gefährlichen Farben malte. Während dieser Zeit fuhr die Gesellschaft fort, mit der Strömung zu schwimmen, ohne einen Laut, man möchte fast sagen, ohne einen Athemzug sich zu gestatten, um ja den leichtesten Ton, der vom Ufer herkäme, nicht zu überhören. Aber es herrschte dieselbe feierliche oder vielmehr erhabene Stille, wie früher. Nur das Plätschern des Wassers, wenn es gegen ein leichtes Hinderniß anstieß, und das Seufzen der Bäume unterbrach den Schlummer des Forstes. Am Ende des erwähnten Zeitraums wurde das Knacken dürrer Zweige wieder schwach gehört, und es war dem Pfadfinder, als ob er, den Ton gedämpfter Stimmen vernähme.
„Vielleicht irre ich mich, denn die Gedanken malen einem gerne, was das Herz wünscht; aber ich glaube, diese Töne gleichen der gedämpften Stimme des Delawaren."'
„Gehen die Wilden auch im Tode noch umher?" fragte Cap.
„Ja, und jagen dazu — in ihren glücklichen Jagdgründen, aber nirgends anders. Mit einer Rothhaut ist's auf der Erde aus, sobald der letzte Athemzug ihren Leib verlassen hat. Es ist keine von ihren Gaben, bei ihrer Hütte zu weilen, wenn ihre Stunde vorüber ist."
„Ich sehe einen Gegenstand auf dem Wasser," flüsterte Mabel, welche ihre Augen nicht von der dunkeln Hülle abgewendet hatte, seit Jasper in ihr verschwunden war.
„Es ist der Kahn," erwiederte Pfadfinder mit großer Erleichterung. „Es muß Alles gut stehen, sonst würden wir von dem Jungen gehört haben."
„In der nächsten Minute schwammen die zwei Kähne, welche den Führern, erst als sie sich näher kamen, sichtbar wurden, wieder Seite an Seite, und man erkannte Jaspers Gestalt in dem Stern seines Bootes. Die Figur eines zweiten Mannes saß in dem Bug, und da der junge Schiffer sein Ruder in einer Weise regierte, daß das Gesicht seines Gefährten dem Pfadfinder und Mabeln unter die Augen trat, so erkannten Beide den Delawaren.
„Chingachgook mein Bruder!" sagte der Pfadfinder in der Sprache des Andern mit einem Beben in seiner Stimme, welches die Gewalt seiner Gefühle verrieth „Häuptling der Mohikaner! Mein Herz ist hoch erfreut. Oft sind wir mit einander durch Blut und Streit gegangen! aber ich habe gefürchtet, es werde nie wieder geschehen."
„Hugh! — Die Mingo's sind Weiber! — Drei von ihren Skalpen hängen an meinem Gürtel. Sie wissen nicht die große Schlange der Delawaren zu treffen. Ihre Herzen haben kein Blut und ihre Gedanken sind auf dem Rückweg über die Wasser des großen See's."
„Bist du unter ihnen gewesen, Häuptling? und was wurde aus dem Krieger, der im Fluß war?"
„Er ist zum Fisch geworden und liegt auf dem Grunde mit den Aalen. Laß seine Brüder die Angelhaken nach ihm auswerfen. Pfadfinder, ich habe die Feinde gezählt und ihre Büchsen berührt."
„Ah! Ich dachte, er würde verwegen sein," rief der Wegweiser in englischer Sprache. „Der waghalsige Bursche ist mitten unter ihnen gewesen, und hat uns ihre ganze Geschichte mitgebracht. Sprich, Chingachgook, damit ich unsern Freunden mittheilen kann, was wir selbst wissen."
Der Delaware erzählte nun in gelassener und ernster Weise das Wesentliche der Entdeckungen, welche er gemacht, seit wir ihn zuletzt im Flusse mit den Feinden haben ringen sehen. Von dem Schicksal seines Gegners sprach er nicht mehr, da es gegen die Gewohnheit eines Kriegers ist, bei mehr in's Einzelne gehenden Berichterstattungen groß zu thun. Sobald er aus diesem furchtbaren Kampfe als Sieger hervorgegangen war, schwamm er gegen das östliche Ufer, stieg mit Vorsicht an's Land, und nahm seinen Weg unter dem Schutze der Finsterniß unentdeckt und im Grunde auch unbeargwohnt, mitten durch die Irokesen. Einmal wurde er angerufen; da er sich aber für Arrowhead ausgab, so wurden keine weitern Fragen an ihn gemacht. Aus ihren Reden war ihm bald klar geworden, daß der Haufen ausdrücklich auf Mabel und ihren Onkel lauerte, über dessen Rang sie jedoch augenscheinlich im Irrthum waren. Er hatte auch genug erfahren, um den Verdacht zu rechtfertigen, daß Arrowhead sie ihren Feinden verrathen habe, obgleich ein Beweggrund hiezu nicht leicht auszufinden war, da er die Belohnung für seine Dienste noch nicht empfangen hatte.
Pfadfinder theilte von diesen Nachrichten seinen Gefährten nicht mehr mit, als er zu Milderung ihrer Besorgnisse für nöthig erachtete, indem er zugleich andeutete, daß es nun Zeit sei, ihre Kräfte zu brauchen, ehe die Irokesen sich von der Verwirrung erholt hätten, in welche sie durch ihre Verluste gerathen waren.
„Wir werden sie ohne Zweifel an der Stromenge wieder finden," fuhr er fort, „und dort müssen wir an ihnen vorbei oder in ihre Hände fallen. Die Entfernung von der Garnison ist nur noch geringe, und ich habe daran gedacht, mit Mabel zu landen, sie auf einigen Seitenwegen weiter zu geleiten und die Kähne ihrem Schicksal in den Stromschnellen zu überlassen."
„Es wird nicht, gelingen, Pfadfinder," unterbrach ihn Jasper lebhaft. „Mabel ist nicht stark genug, um in einer solchen Nacht durch die Wälder zu gehen. Setzt sie in meinen Kahn, und ich will mein Leben verlieren, oder sie über die Stromenge glücklich wegführen, so dunkel es auch sein mag."
„Ich zweifle nicht, daß Ihr das werdet, Junge; Niemand zweifelt an Eurem guten Willen, der Tochter des Sergeanten einen Dienst zu leisten; aber das Auge der Vorsehung muß es sein und nicht das Eurige, welches in einer Nacht, wie diese, Euch glücklich über den Stromschuß des Oswego bringen kann."
„Und wer wird sie denn zu Land glücklich nach der Garnison bringen? Ist die Nacht am Ufer nicht so dunkel, als auf dem Wasser? Oder glaubt Ihr, ich verstehe mich weniger auf meinen Beruf, als Ihr Euch auf den Eurigen?"
„Kühn gesprochen, Junge; aber angenommen, ich verlöre meinen Weg in der Finsterniß — und ich glaube, es kann mir Niemand in Wahrheit nachsagen, daß mir das je begegnet ist — angenommen, ich verlöre den Weg, so würde daraus kein anderes Unglück entspringen, als daß wir die Nacht im Walde zubringen müßten; indeß eine falsche Wendung des Ruders oder ein breiteres Streichen des Kahns Euch und das junge Frauenzimmer in den Fluß werfen kann, aus dem, aller Wahrscheinlichkeit nach, des Sergeanten Tochter nicht mehr lebendig kommen wird."
„Wir wollen das Mabel selbst überlassen; ich bin überzeugt, daß sie sich in dem Kahne sicherer fühlen wird."
„Ich habe ein großes Vertrauen zu euch Beiden," antwortete das Mädchen, „und zweifle nicht, daß Jeder thun wird, was er kann, um meinem Vater zu beweisen, wie werth er ihm ist. Aber ich bekenne, daß ich nicht gerne den Kahn verlassen möchte, da wir die Gewißheit haben, daß Feinde, wie wir sie gesehen, in dem Walde sich befinden. Doch mein Onkel mag in dieser Sache den Ausschlag geben."
„Ich liebe die Wälder nicht, so lange man eine so schöne Bahn, wie hier aufdem