Reisen Band 1. Gerstäcker Friedrich

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Reisen Band 1 - Gerstäcker Friedrich

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      Der Postillon trug die Landestracht, Poncho und Cheripa, ein rothes Tuch um den Kopf, und die Füße in der abgestreiften Pferdehaut, aus der die beiden ersten Zehen vorschauten und eben nur in den kleinen, kaum zwei Zoll breiten Steigbügel hineinpaßten. An dem rechten Handgelenk hing die Revenka, die aus einem etwa anderthalb Zoll breiten, nach unten etwas spitzer zulaufenden und oben durch einen großen eisernen Ring gezogenen Streifen ungegerbter Haut gemachten Peitsche dieser Stämme, und die langen Sporen hingen ihm mehr von den glatten Hacken herunter, als daß sie daran festsaßen. I

      Es ist dies überhaupt eine Eigenthümlichkeit der hiesigen /65/ Reiter, daß ihnen die Sporen, wenn man sie zu Pferd sitzen sieht, fast vom Hacken abwärts hängen. Zu Fuß sind diese Leute dann auch gar nichts nutz. Auf den Zehen balanciren sie herum und die riesigen Eisen rollen klirrend hinterdrein. Einmal aber nur die Hand auf der Mähne ihres Thieres, und es sind von dem Moment an ganz andere Menschen. Der zuerst vorsichtige Blick - denn der abgesessene Reiter ging wie auf Eiern - nimmt den alten Trotz an, der Körper richtet sich in aller Elasticität eines naturkräftigen Volkes empor, und einmal erst im Sattel oder auch nur auf dem Rücken des schnaubenden Thieres, und Mann und Roß scheinen ein einziges zusammengegossenes, von Feuer durchströmtes Wesen zu sein.

      Das Herunterhängen der Sporen geschieht übrigens absichtlich und hat einen höchst triftigen Grund. Der Gaucho reitet sehr häufig - in den Pampas draußen fast nur - wilde Pferde, und um sicherern Schluß zu haben, dann aber auch nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, beim Scheuen des Thieres, bei Seitensprüngen oder sonstigen Capriolen, seinen Bauch mit den scharfen Sporen unabsichtlich zu berühren, hängen sie so weit herunter, daß sie den unbewehrten Hacken frei lassen, aber doch stets zum Gebrauch bereit sind, wenn sie der Reiter, der dann den Fuß nur etwas zu krümmen braucht, benutzen will.

      Die nächste, mir freilich nicht mehr fremde Umgebung der Stadt, in der ich schon in den letzten Tagen etwas umhergestreift, fesselte jetzt vor allem Andern meinen Blick, und allerdings hat sie auch, für den Europäer besonders, viel Eigenthümliches und Anziehendes. Die Gegend selbst ist flach, eine weite, ungeheure Ebene, die sich in ununterbrochener Spannung bis zum Fuß der Cordilleren hinauszieht, aber die Art der Bebauung, die Einwohner selbst, dieser jungen südlichen Republik bieten dem Auge steten wechselnden Stoff, Neues zu sehen und zu bewundern und auf fremdartigen, wunderlichen Gegenständen zu weilen. Die pittoreske, buntfarbige Tacht der Eingebornen ist nicht das Geringste dabei; das rasche Vorüberjagen auf ihren kleinen, lebhaften /66/ Thieren, die Milchreiter, die Maulthierzüge, die großen, un- behülflichen Wagen - das Alles bietet eine rasche, höchst interessante Abwechslung, und der Fremde würde schon daran genug Beschäftigung finden, wäre es nicht bald das Land selber, was mit seinem unendlichen, mit niederen Distelsträuchen oder fruchtbaren Wiesen bedeckten Flächen, seinen wunderlich durch Aloe und Cactus umfenzten Feldern und Gärten, seinen Heerden und Estancias seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.

      Doch vorbei, vorbei, der Courier hält sich mit dergleichen Betrachtungen nicht auf, und das eigene muntere Thier verlangt ebenfalls, daß sich der Reiter etwas darum bekümmere.

      - Puh, was ist das für ein schauerlicher Verwesungsgeruch?

      - Nur ein Pferd, das hier in der Straße fiel und liegen blieb, bis die Aasgeier und Hunde das Gerippe reinigten - dort wieder ein schon halbverzehrter Stier - dort noch einer - und da drüben - ganze Umzäunungen von Schaf- und Stierköpfen aufgeworfen. Die Straße mit den Schädeln und Gerippen der Geschlachteten und Gefallenen aufgefüllt - vorbei, vorbei, der Correo hat das schon tausendmal gesehen, und jetzt, wo wir auf etwas besseren Weg kommen, werden die Pferde schärfer angetrieben.

      Die erste Station ist sieben Leguas - eine Legua fast dreiviertel deutsche Meilen - und dort wurden die Pferde gewechselt. Mittag rückte indessen heran, und wir aßen etwas.

      Es war dies die erste Wohnung der wirklichen Eingeborenen des Landes, die ich betrat - eine kleine, erbärmliche Hütte aus Lehm aufgeworfen, mit Binsen gedeckt. Ein Tisch und ein paar mit Häuten überzogene Stühle bildeten das ganze Ameublement; das Tischtuch mußte schon Wochen lang gedient haben, die Gabeln waren schmutzig - Messer wurde nicht gegeben - es versteht sich von selbst, daß Jeder sein Messer bei sich führt, und die Gauchos tragen Messer von sechzehn bis achtzehn Zoll Länge. Neben mich auf einen Stuhl wurde das jüngste Kind gestellt - wir aßen Alle aus einer Schüssel - das Kind war schauerlich unrein - es starrte ordentlich von Schmutz, und die Na. Don’t mention it, /67/ sagen die Amerikaner - ich würgte ein paar Mal ordentlich an einem Bissen, dennoch konnte ich dem Kinde nicht böse sein. Es war ein gar so lieber, herziger, dickbackiger, dunkeläugiger Junge mit großen, mächtigen Augenwimpern, und ich mußte immer und immer wieder an den eigenen Knaben denken, den ich zu Hause zurückgelassen, um hier einsam in der Fremde herumzustreifen. Der kleine liebe Kerl hatte so herzige Grübchen im Backen und so krauses dunkles Haar - wenn er nur nicht den Löffel immer so lange unter die Nase gehalten hätte.

      Das Mittagessen dauerte nicht lange, frische Pferde wurden gebracht, und bald darauf galoppirten wir wieder rasch und munter der zweiten Station zu, wo wir für heute unser Nachtlager aufschlagen wollten. Der Correo ist, was ich übrigens hier erst bemerken möchte, die regelmäßige Post, die in der Argentinischen Republik durch die verschiedenen Provinzen geht. Der Correo von Buenos-Ayres nach Mendoza durchschneidet - mit den Provinzen Buenos-Ayres, Santa- Fé, Cordova, San-Luis und Mendoza - die Republik von Ost nach West, wartet in Mendoza, bis der Correo von Chile über die Gebirge kommt, (was aber im Winter stets eine sehr unsichere Sache ist, da der dortige Correo sehr häufig nicht über die verschneiten Kordilleren kann und die Postverbindung drei, vier Monate lang unterbrochen bleibt) und kehrt dann nach Buenos-Ayres zurück.

      Diese Poststationen hatte ich mir übrigens einer leicht verzeihlichen europäischen Phantasie – gar verschieden von denen gedacht, die ich wirklich fand. - Das Wort Poststation ist mehr eine Schmeichelei, und der Reisende findet weiter auf der Gottes Welt nichts als eben ein Dach, je nach Verhältniß oder Zufall mit einer Lehm- oder Korbwand und einem mit einer Kuhhaut überspannten Gestell, auf das er Sattel und Decke und später sich selber werfen kann. Weiter gegen Westen fällt auch selbst der Luxus eines solchen Gastbettes weg, und man bekommt eine einfache Lehmbank zum Daraufliegen, oder auch den blanken Erdboden selber angewiesen- und die Flöhe!

      Der Sattel ist des Gaucho Bett, und auf dies Lager, /68/ mit unseren Ponchos und Decken, waren also auch wir einzig und allein beschränkt. Das Hans, in dem wir übernachteten, war eben so schmutzig als das, wo wir zu Mittag gegessen; ebenso waren es die Bewohner, und die Matehröhren eben so heiß. Dabei lag die kleine Hütte still und einsam in der weiten öden Steppe - kein Feld, kein Garten dabei, nicht einmal eine Umzäunung, die Pferde darin zu fangen; nur ein paar in die Erde geschlagene Pfähle, mit Streifen Rindshaut dazwischen ausgespannt, dienten zu diesem Zweck. Ich kann ziemlich viel Unbequemlichkeiten vertragen, und werde wahrlich nie über magere Kost oder hartes Lager murren - dieser widerliche Schmutz überall ekelte mich aber doch an, und ich warf mich an dem Abend, trotz einem recht scharfen und gesunden Appetit, ohne einen Bissen zu genießen, auf meine Decken nieder.

      Der nächste Morgen entschädigte mich jedoch reichlich für alles ausgestandene Unangenehme. Er war kalt und frisch, doch blau und klar spannte sich das reine Firmament übers die maigrüne Ebene aus, und der Anblick, den die zahlreich überall zerstreuten Heerden auf dem weichen Grasteppich gewährten, war wirklich entzückend. Die Pferde wurden gebracht, das Gepäck und unsere Sättel aufgelegt, und im Galopp flogen wir in dem heitern, lebensfrischen Bilde, das rasch wie ein Panorama wechselte, dahin.

      Wohin das Auge auch sah, war Leben, und in der Luft wie auf den Wiesen trieb es sich im bunten, fröhlichen Gewühl durcheinander. Unmaßen von Kibitzen strichen kreischend über uns hin, oder saßen dicht am Weg oder an den Lachen und wandten kaum den Kopf nach den vorübersprengenden Reitern. Gemüthliche Störche standen ernsthaft hier und da in dem helleren Hintergrund; eine kleine Art Eulen, kaum größer als Staare, kauerten neben ihren Erdhöhlen oder flogen mit schrillem Schrei auf, um sich in etwa zehn Schritt

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