Geschichten der Nebelwelt. Inga Kozuruba

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Geschichten der Nebelwelt - Inga Kozuruba страница 5

Geschichten der Nebelwelt - Inga Kozuruba Geschichten der Nebelwelt

Скачать книгу

gefüllt mit klarem Wasser, warmer Asche, lockerer Erde, Honig und nichts als Luft.

      Bjarn blieb im Türrahmen stehen und beobachtete sie. Sie schien nicht auf seine Präsenz zu reagieren, summte leise eine Melodie vor sich hin, die sich hypnotisch in sie hinein wand, wie eine Schlange, die ihren eigenen Schwanz fraß. Er wusste, in solchen Momenten hatte es keinen Sinn, sie anzusprechen. Sie würde ihn in ihrer Versunkenheit nicht hören. Also blieb er geduldig stehen, während sein Gemüt sich immer mehr verfinsterte. Ausgerechnet jetzt den Blutmond zu erblicken, nach den Warnungen des Richters und den unheilvollen Ereignissen im Kloster, das war ihm nicht geheuer. Und zugleich spürte er, wie sich das Blut seiner Vorfahren in ihm regte. Auch wenn Generationen zwischen ihm und seinem legendären Ahnen des Kanidenvolkes Marên lagen, manchmal spürte er das Temperament, den Zorn, die blutrünstige Raserei. Seine Frau war eine der wenigen, die ihn dann zu Sinnen bringen konnte. Sie konnte die Bestie in ihm besänftigen, der er so viele Siege auf dem Schlachtfeld zu verdanken hatte, aber auch so manche unrühmliche Szene abseits davon. Er liebte sie so sehr, dass er niemals die Hand gegen sie erhoben hatte oder je erheben würde. Und nun sollte er sie wegschicken?

      Als ob sie spürte, dass seine Gedanken sich um sie drehten, sah sie ihn plötzlich an – doch ohne das besondere Lächeln auf den Lippen, das sie nur für ihn hatte. In ihren Augen standen Sorge und auch der Anflug von Angst. Er hatte noch nie diese Art von Angst in ihrem Gesicht gesehen und das fachte die Glut des Zorns in seinem Inneren weiter an.

      „Der Richter sagt, es wäre besser, wenn ich alleine hier bliebe, ohne dich und Rik. Was denkst du?“, grollte er leise in seinem tiefen Bass. An seiner Stimme war klar zu erkennen, dass er in seinem Inneren nach Fassung rang.

      Sie seufzte und erhob sich, um zu ihm zu gehen und ihn mit ihren Armen zu umschlingen. Er beugte seinen Kopf nach vorn, um den Geruch ihrer Haare einzuatmen, den er so liebte. Sie nutzte wohlduftende Kräuter bei jeder Haarwäsche, so dass es in ihrer Nähe immer nach der Zeit der Blüte roch. Er drückte sie an sich und wünschte sich, diesen Moment festhalten zu können, bevor alles nur schlimmer werden würde.

      „Er ist ein vernünftiger Mann, und so gesehen hat er recht. Ihr beide seid meinetwegen in Gefahr, und ich ohnehin, wenn ich hier bleibe.“ Doch sie drückte sich fester an ihn, als wollte sie ihre Worte Lügen strafen.

      Er atmete tief durch: „Dann solltest du morgen aufbrechen, besser noch ihr beide. Zieht nach Osten, weg von diesem Ort, und wartet irgendwo auf mich, wo es sicher ist.“

      Sie hob ihr Gesicht, um direkt in seine Augen zu blicken und schüttelte den Kopf: „Ich werde dich nicht verlassen. Du wirst mich brauchen, vielleicht werden viele Menschen hier mich brauchen. Die Schwestern sind nicht die einzigen, die Wunden und Wahnsinn heilen können. Aber unseren Sohn, ihn müssen wir in Sicherheit bringen.“

      „Das glaube ich nicht“; hörten sie die Stimme von Osterik aus dem dunklen Gang, schon aus dem Stimmbruch heraus, aber immer noch so jung. Er hatte sich angeschlichen, und anscheinend alles mitgehört.

      Bjarn und Selena drehten sich um, und lösten dabei etwas ihre Umarmung. Bjarn sah seinen Sohn prüfend an: „Du bist der Sohn eines Nordmannes und einer Hexe. Du bist eigenwillig und nimmst kein Blatt vor den Mund. Was glaubst du, was die Herrschaften des Rächers mit Burschen wie dir machen?“

      Osterik zuckte mit den Schultern: „Ich bin vielleicht eigenwillig, aber nicht blöde. Aber wenn Mutter nicht gehen wird, dann bleibe ich erst recht. Du bist ein Versehrter, und ich habe meine Gliedmaßen alle noch, also muss ich wohl auf euch beide aufpassen.“

      Bjarn knurrte als Reaktion auf die freche Rede seines Sprosses, doch die Wahrheit darin war nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn er sich in einer Schlägerei immer noch mehr als gut behaupten konnte, gegen die gut gedrillten Truppen der Rächer zu bestehen würde sich als schwieriger erweisen, sollte es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kommen. Sie würden ihn mit ihren Schwertern vermutlich gar nicht erst in die Nähe lassen, aus der er den Vorteil seiner Größe und Körperkraft ausspielen konnte. Doch seinen Sohn hatte er gut ausgebildet, und er hatte Vertrauen in dessen Fähigkeiten, seinen wachen Verstand, seine aufmerksamen Sinne und seine hervorragende körperliche Verfassung.

      Also klopfte er als Reaktion auf die Widerworte anerkennend auf Osteriks Schulter, um ihn dann ebenfalls kurz an sich zu drücken. Ihm gingen viele Worte durch den Kopf, die er vielleicht hätte sagen können, doch kein einziges davon schien auch nur ansatzweise geeignet zu sein, seine Gefühle auszudrücken. Wie so oft blieb er stumm. Doch seine Geste war alles, was zählte, und sein Sohn erwiderte sie.

      Dann löste Osterik sich aus der Umarmung, und deutete schief grinsend mit dem Kopf hinter seine Eltern: „Aber so was dort werden wir wohl gut verstecken müssen.“

      Selena seufzte: „Wir werden das ganze Haus auf den Kopf stellen müssen, aber ja. Nur Gewürze für Mahlzeiten und Tees sollen sie finden. Alles andere können wir vielleicht im Keller vergraben, tief, unter einem der Fässer.“

      Bjarn nickte ihr zu und sah zu seinem Sohn: „Wir machen uns besser gleich daran, mein Junge. Wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt?“

      Osterik nickte stumm und folgte seinem Vater. Selena hielt den Atem an, bis sie die beiden nicht mehr hörte, dann begann sie zu schluchzen, während sie aus ihrer Kammer alles zu vertreiben begann, was ihr wichtig war. Die Monde hatten ihr von Schrecken geflüstert, die sie in der Stadt erwarteten, würde sie bleiben. Doch würde sie gehen, dann würde sie ihren Mann nicht lebend wiedersehen, und das konnte und wollte sie nicht ertragen. Sie gewann die Fassung rechtzeitig wieder, als sie die Rückkehr ihrer am meisten geliebten Menschen hörte. Alles, was ersetzbar war, wanderte wenig später ins Feuer des Kamins. Alles, was verzehrt werden konnte, würde am kommenden Morgen ins Essen wandern. Die wenigen unersetzlichen Habseligkeiten ihrer Zunft schaffte sie mit Hilfe ihres Mannes und ihres Sohnes in den Keller, um sie unter Schichten von Erde zu begraben, die von den schwitzenden Männern immer wieder eingestampft wurde, um genauso fest zu werden wie der Kellerboden um das Versteck herum.

      Als der Boden dann wieder ebenerdig war, und unter den prüfenden Blicken ihrer aller Augen sich kein verräterisches Zeichen im Übergang zum restlichen Kellerboden zeigte, schoben die Männer ein volles Weinfass an die Stelle, und stellten weitere Fässer dazu, rundum, dicht an dicht, damit es ordentlich aussah. Manche der Fässer, auch das besondere, bedeckten sie mit Brettern und weiteren Fässern in zweiter Schicht, und umringten manche der Fässer am Boden mit einem Haufen von ansonsten nutzlosem Gerümpel, damit es möglichst so aussah, als würde die Ansammlung von Fässern schon sehr lange in dieser Aufstellung verharren. Nichts sollte darauf hinweisen, welcher gefährliche Schatz unter ihrem Haus lagerte. Erst weit nach Mitternacht konnten sie sich endlich dem Schlaf überlassen, beruhigt von einem Hauch vager, verzweifelter Hoffnung. Selena schmiegte sich an ihren Mann, und schlief in seinen Armen ein.

      ***

      Auch Lans fand in dieser Nacht nicht allzu bald Schlaf. Das hatte jedoch ganz andere Ursachen. Seit er den verrückt gewordenen Söldner in der unglückseligen Nacht vom Tor der Stadt zu den Schwestern gebracht hatte, war ihm bewusst geworden, wie wenig Zeit sie alle doch hatten, und wie schnell sich alle schönen Dinge im Leben ins Gegenteil verkehren konnten. Er wollte nicht eine einzige Stunde mehr vergeuden. So wollte er nach der Erfüllung seiner Pflicht als Wachmann und als Kumpane im Gasthaus die verbleibende Zeit seines Tages seiner Frau widmen, und nur ihr allein.

      Darauf freute er sich am meisten, und in letzter Zeit schien es ihr genauso zu gehen. Es war, als hätte sie ihre Schwermut überwunden, die Trauer darüber, noch nicht Mutter geworden zu sein, und hatte nun wieder Hoffnung in den Augen. Hoffnung, und das gewisse Funkeln, das er schon länger nicht mehr in ihnen erblickt hatte. Das Funkeln, das er vor ihrem ersten, verstohlenen Kuss gesehen hatte, und damals, als sie das erste mal allein waren und eine Kostprobe von

Скачать книгу