Der Junge mit dem Feueramulett. Frank Pfeifer

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Der Junge mit dem Feueramulett - Frank Pfeifer Der Junge mit dem Feueramulett

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haben wollte.

      Die Priesterin trug die schwarze Robe ihrer Zunft, einen wallenden Umhang, in dem sie selbst schwarz wie die dunkelste Nacht erschien. Auf dem Stoff klebten ein paar getrocknete Blutspritzer vom letzten Opferritual. Dazu das blasse Gesicht mit den stechend blauen Augen, das von schwarzen Locken eingerahmt war. Dadurch wirkte ihr schmales Antlitz bedrohlich und bösartig. Eine schwarze Dämonin in Menschengestalt.

      Für die Sonnenfinsternis hatte die Gova eine eindeutige Erklärung. Ihre Göttin, Goiba, Herrin der Nacht, hatte gesiegt. Branu der Schöpfer musste sich geschlagen geben. Tsarr war überzeugt, mit dem Blut der zehn Jungfrauen, die mit durchgeschnittenen Kehlen kopfüber über der großen Opferschale hingen, wesentlich zur Sonnenfinsternis beigetragen zu haben. Die Gefahr, die sie für Flanakan, dem bisher unangefochtenen Herrscher über Haragor, in den Sternen gesehen hatte, war vorerst gebannt. Goiba hatte das Opfer angenommen und sich erneut gegen ihren Bruder Branu gestellt. Für Tsarr bedeute die Sonnenfinsternis, dass Flanakan nun noch viele Jahre herrschen würde. Und sie selbst würde weiterhin die oberste Gova des Reiches sein und niemand und nichts würde diese Macht gefährden können!

      *

      In der Hauptstadt des Reiches, in der Flanakan und Tsarr das Sagen hatten, gab es keine Priester der göttlichen Brüder mehr, die Govans. Branu, Charu und Charabnu mussten auf Priester und Tempel in der Hauptstadt verzichten. Tsarr hatte hier für Ordnung gesorgt. Wer sich hier seelischen Beistand holen wollte, musste außerhalb von Conchar Rat suchen. Selbst die beiden Schwestern der Göttin, Credna, Göttin der Liebe und Luchta, Göttin von Geld und Reichtum, hatten einen schweren Stand neben ihrer eifersüchtigen Schwester in Conchar. Tsarr war ganz besessen von der Idee, dass die Wesen Haragors allein ihrer Göttin folgen sollten.

      Der Govan aus einem der vielen bäuerlichen Vororte von Conchar sah den Jungen, der vor ihm nervös hin und her sprang, neugierig an. Er fragte sich, ob der Junge ihn auch diesmal wieder mit einer Spitzhacke bezahlen würde. Bezahlen war das falsche Wort. Eine Spende. Der Junge spendete Branu, da der Gott ihn durchs Leben führte. Ein wirklich gläubiger Junge! Gerade in der Hauptstadt wäre es viel bequemer gewesen, ein Anhänger Goibas zu sein. Tempel gab es dort ja genug. Aber dieses seltsame Schicksal hatte Kard zu Branu geführt. Und als angehender Schmied blieb ihm mehr oder weniger nichts anderes übrig, als sich dem Schutzpatron seiner Zunft anzuvertrauen. Denn Branu war der Gott der Schmiede. Und da es in Conchar schon seit einer Weile keine Tempel des Schöpfers mehr gab, war der Junge gezwungen, den weiten Weg in das Dorf außerhalb der Stadt auf sich zu nehmen.

      Mit gekreuzten Beinen saßen sie nun im kleinen Gebetsraum unter dem Sonnensymbol, einer grossen, goldfarbenen Metallscheibe. Der alte Mann mit fusseligem grauen Bart in seinem ehemals weißen, aber durch dauerndes Tragen und wenigem Waschen inzwischen ergrauten und speckigen Umhang. Und der Junge mit den ersten Stoppeln am Kinn, den schwarzen Locken und dem Dreck unter den Fingernägeln. Wie immer, so stellte der Govan fest, suchte Kard den Rat des weisen Mannes, der, was schließlich seine Aufgabe war, die geheimsten Botschaften Branus entschlüsseln konnte.

      »Wenn mir also mein Meister ein Geheimnis anvertraut hat, dann darf ich ja niemanden davon erzählen, denn sonst wäre es ja kein Geheimnis, oder?«

      Kard sah den Govan durchdringend an, in seinem Blick las der kluge Mann die innere Zerrissenheit des Jungen. »Mein Sohn, dein Meister Wallas ist ein weiser Torak und ein treuer Anhänger Branus. Schon oft war er hier und hat mir so manche Spitzhacke mitgebracht.« Der Govan zwinkerte Kard vertrauensvoll zu. »Wenn er dir ein Geheimnis anvertraut, dann ist das eine große Ehre. Und wie du schon sagst, dieses Geheimnis solltest du ganz für dich behalten.«

      »Aber andererseits kann ich doch Branu alles anvertrauen. Er ist mein Gott, mein Beschützer, mein Schwert im Kampf gegen die Versuchung.«

      »So ist es, mein Sohn. Vor Branu kannst du keine Geheimnisse haben. Er sieht alles, weiß alles, ist überall. Im stillen Gebet kannst du ihm alles sagen, was dich bewegt.«

      »Also im Prinzip ist vor Branu ein Geheimnis gar kein Geheimnis, da er ja sowieso schon alles weiß?«

      Der Govan seufzte innerlich. Dass Kard auch immer mit diesen spitzfindigen Problemen kam. Konnte er nicht einfach fragen, ob es rechtens ist, den Nachbarjungen, der ihn als schwächlichen Menschling beschimpft hatte, mit Tok-Gülle zu überschütten, so dass der Torak-Junge danach unter die Dusche musste, was die Toraks nun wirklich nicht gerne mochten? So einfache Fragen nach Gut und Böse? Dafür waren die Govans doch da. Ist das im Sinne von Branu oder wird mich dafür sein gerechter Zorn treffen? Aber dieses Hinterfragen der Grundlagen? Anstrengend! »Äh, ja, mein Sohn, Branu liest in uns wie in einem offenen Buch.«

      »Und wenn ich jetzt dir, und du bist doch mehr oder weniger Branus Vertreter, oder? Wenn ich also jetzt dir ein Geheimnis anvertraue, dann ist es ja eigentlich so, als ob ich es Branu selbst erzählen würde? Also erzähle ich dann ja gar kein Geheimnis, sondern sage dir, was du eigentlich sowieso schon weißt, oder?« Kard wippte unruhig auf seinem Gesäß herum, schaute ab und zu hoch zur Sonnenscheibe und ab und zu in das bärtige, leicht verzweifelte Gesicht des Govans.

      »Nun ja, lieber Kard, aber wieso willst du mir denn ein Geheimnis verraten, was ich vielleicht ja doch schon weiß? In Vertretung des Allwissenden sozusagen. Dann ist es ja gar kein Geheimnis mehr!« Stolz über seine eigene Klugheit blickte der alte Mann den Jungen nun sanft an. Der Govan war es gewohnt, dass die Leute mit der ersten Antwort zufrieden waren. Schließlich kamen sie ja gerade deswegen zu ihm. Damit der Govan seine Weisheit verkündete und der Mensch oder auch Torak nicht selbst nachdenken musste. Oder gar irgendetwas selbst entscheiden musste. Wenn der Gott oder die Göttin ihren Segen gab, wird das schon richtig sein.

      »Dann weißt du es also schon?« Kard sah den Priester hoffnungsvoll an.

      »Nun, Branu weiß es sicherlich, was es auch immer sein sollte.« Mit zusammengesunkenen Schultern sah der Priester auf seine Knie. Die Löcher in seinem Gewand wurden auch immer größer. Die Spitzhacke konnte er bei den Bauern auf dem Markt gut eintauschen, vielleicht gegen eine Rolle Stoff? Und ein Paar neue Schuhe waren auch mal wieder fällig! »Was immer Wallas dir anvertraut hat, Branu weiß es schon.«

      »Und dass es verboten ist, das weißt du dann auch schon?«

      Langsam hatte der Priester nun doch keine Lust mehr. Dieses lange Sitzen spürte er im Rücken. Und durstig wurde er auch allmählich. »Also Branu weiß es. Und ich kann mich nicht an viele Verbote erinnern, die er uns auferlegt hat. Und ich kann mir bei Wallas nicht vorstellen, dass er zum Beispiel… jemanden umgebracht hat.« Der Priester sah Kard triumphierend an. Wallas, ein Mörder? So etwas Lächerliches. Dafür kannte er den Torak schon viel zu lange.

      »Nein, nein. Nicht so was. Aber etwas, was die Schergen gar nicht gerne sehen würden. Etwas, was Flanakan wirklich nicht gefallen würde.« Kard sah ihn mit großen Augen an. Was bitte hatte dieser unschuldig dreinblickende Junge da gerade gesagt? Ein Verbrechen gegen Flanakan? Irgendetwas kratzte dem Govan plötzlich im Hals, als ob eine imaginäre Hand ihm langsam aber bestimmt die Luft abdrücken würde. Der Priester verschluckte sich und rang nach Atem. Den Namen des Herrschers hatte er hier, im Abglanz der heiligen Sonnenscheibe, schon lange nicht mehr gehört. Flanakan war weit weg. Die Hauptstadt war weit weg. Wenigstens für die Bauern hier in der Umgebung. Nur zum Markttag nahmen sie die weite Reise auf sich. Sonst blieben sie bei ihren Höfen, bei ihrem Winx-Gras und ihren Tok-Rindern. Flanakan, der Herrscher? Den Steuereintreibern übergab man den Zehnten, den Wachen ging man aus dem Weg und sonst sollte der gute Mann einem gestohlen bleiben. Und seine Folterkammern wollte man natürlich auch nicht von Innen sehen. »Äh, ein Verbrechen? Etwas, was der, äh… Flana-äh-kan… nicht gerne sehen würde? Kard, mein Junge, weißt du, was du da sagst? Und Wallas weiß etwas davon? Das kann ich mir nicht vorstellen.«

      »Ist aber so!« Trotzig sah Kard

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