Rückkehr der Gerechtigkeit. Anno Dazumal

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Rückkehr der Gerechtigkeit - Anno Dazumal

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zusammengeschlossen hatten. Aufmerksam hörte ihnen Lucia zu und immer wieder mußte sie dazwischen schlucken oder weinen, weil ihr das, was sie da hörte, sehr nahe ging. „Ihr habt viele schlimme Sachen durchmachen müssen. Aber damit wird es jetzt endgültig vorbei sein. Das verspreche ich Euch“, garantierte sie schluchzend. „Warum weinst Du?“ wunderte sich Raja. „Warum ich weine, Junge? Ich weine darüber, daß man Euch so schrecklich behandelt hat.“ „Aber das hilft doch nichts. Außerdem sind noch genug Kinder in den Fabriken, die so behandelt werden“, fiel Sardar dazu ein. „Ich weiß und das stimmt mich so traurig. Seit über 20 Jahren versuche ich gegen die Kinderarbeit zu kämpfen, aber wir haben nichts erreicht. Rein gar nichts“, murmelte Lucia traurig. „Sei nicht traurig. Allein hat man gegen diese Leute keine Chance“, stellte Shankar klar. „Wenn Ihr wollt, könnt Ihr jetzt ein wenig raus gehen. Wir haben ein paar Spielplätze, auf denen Ihr Euch austoben könnt“, teilte ihnen die Frau mit und ging dann. „Daß es solche Menschen gibt“, freute sich Parwez ein wenig erstaunt. Doch lange dachten sie darüber nicht nach. Sie waren unglaublich glücklich, endlich eine Heimat gefunden zu haben, wo sie gute Aussichten auf ein Überleben hatten. Sie fühlten sich erleichtert, denn nun waren sie erst einmal sicher und geborgen. Zwar hatten sie nach wie vor keine Arbeit und damit kein Geld, aber das war nun wirklich nicht das Entscheidende. Hauptsache, sie hatten alle ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Darum begaben sie sich nach draußen, wo sie auf viele andere Jugendliche in ihrem Alter trafen. Mißtrauisch musterte man sie, da sie ja Neue waren. Sofort spürten sie, daß sie nicht willkommen waren. „Was wollt Ihr hier?“ rief ihnen einer zu. „Wir leben hier“, antwortete Sardar. Das sorgte für erhebliche Unruhe. „Bildet Euch ja nichts ein! Wir haben hier das Sagen“, tönte ein Junge entschlossen und seine Kumpanen stimmten ihm zu. „Hey Leute, was ist Euer Problem. Ihr seid Menschen, wir sind Menschen. Wieso können wir nicht normal miteinander umgehen?“ fragte Nathu. „Ihr seid keine Menschen. Ihr seid Dreck“, erwiderte ein stärkerer Jugendlicher. „Hast Du schon einmal von einem Dreck einen Schlag ins Gesicht bekommen?“ fragte ihn Nathu und schritt unerschrocken auf ihn zu. Da lachte der Angesprochene höhnisch und holte zum Schlag aus. Nathu duckte sich und schon landete seine Hand mit schneller Geschwindigkeit auf der Backe seines Gegenübers. Platsch! Es war laut und deutlich zu hören. Nathu drehte sich um und ging zu seinen Leuten zurück. Rufe der Überraschung und des Erstaunens gingen durch die Menge. Da kam Lucia vorbei. „Was ist denn los? Wieso spielt Ihr nicht?“ wunderte sie sich. „Stimmt das, daß die auch hier wohnen?“ wurde sie von einem Jungen gefragt. „Das ist richtig. Und ich möchte, daß Ihr sie genauso in Eure Gemeinschaft aufnehmt, wie man Euch aufgenommen hat.“ „Niemals!“ riefen da einige Jugendliche. Da wurde die Frau laut. „Was bildet Ihr Euch denn ein? Man hat Euch immer gut behandelt hier und den Neuen soll es auch nicht schlechter gehen“, fügte sie hinzu. „Aber die sind Abfall. Die sind voller Dreck, die sind Dreck“, behauptete ein Junge. „Schweig! Kein Mensch ist besser als ein anderer! Das habe ich Euch schon so oft gesagt. Es kommt nicht auf das Äußerliche, sondern auf das Innere an! Sie haben Euch nichts getan. Sie haben das gleiche Recht hier zu leben wie Ihr auch. Und damit hat es sich“, machte Lucia deutlich und ging. „Laßt Euch nicht unterkriegen!“ flüsterte sie den Neuankömmlingen zu. „Das geht gar nicht. Wir sind schon ganz unten“, spottete Nathu, der nicht glauben konnte, daß die Gleichaltrigen so viel Ärger machten. Jene zogen ab und ließen die elf Flüchtigen etwas ratlos zurück. „Toller Empfang. Da hätten wir gleich in der Fabrik bleiben können“, urteilte Tejbin. „Quatsch! Das ist am Anfang immer so. Die müssen sich erst daran gewöhnen, daß wir jetzt auch hier sind. Dann wird das schon besser“, versprach Shankar. „Deinen Optimismus möchte ich haben“, murmelte Sardar. „Kein Problem. Der reicht locker für zwei“, ließ Shankar von sich hören. Man hatte sie nicht jubelnd empfangen, doch das hatte auch niemand erwartet. Trotzdem hatten sie sich mehr erhofft gehabt.

      Doch es gab auch Jugendliche, die nichts gegen die Neuankömmlinge hatten. Vier von denen kamen auf sie zu. „Nehmt das nicht so ernst, was die Anderen gesagt haben. Die haben halt Angst, daß sie jetzt etwas kürzer treten müssen. Übrigens, ich bin Rahul und das sind Brahma, Gautam und Brijesh“, stellte Rahul sich und seine drei Freunde vor. Shankar zählte die Namen seiner Leute auf, bevor er mit Rahul ins Gespräch kam. „Wie lange seid Ihr schon hier?“ wollte er wissen. „Seit zwei Jahren. Es ist schön hier. Wir helfen alle zusammen und können überleben.“ „Habt Ihr auch in einer Fabrik gearbeitet?“ „Ja, aber nicht so lange. Höchstens fünf Jahre. Aber das hat gereicht.“ „Und wie seid Ihr rausgekommen?“ „Man hat uns rausgeschmissen, weil wir eine bessere Behandlung gefordert haben.“ „Komisch. Wenn wir das gemacht hätten, dann hätte man uns verprügelt.“ „Na ja, das haben sie sich nicht getraut, weil sie sonst Ärger bekommen hätten. Außerdem hatten sie schon Ersatz gefunden, so daß sie uns nicht mehr brauchten.“ „Und was macht Ihr hier den ganzen Tag?“ „Das was wir wollen. Könnt Ihr Fußball spielen?“ „Na ja, ein bißchen.“ „Kommt mit! Wir haben hier einen schönen Platz“, sagte Rahul und führte seine neuen Bekannten zum Fußballplatz. Dort wich dann jegliche Zurückhaltung von den „Flüchtlingen“. Als sie einen richtigen Fußball sahen, gab es kein Halten mehr. Sie stürzten sich auf das runde Leder und wollten es am liebsten nie mehr hergeben. Wenig später spielten sie in zwei Mannschaften zu je fünf Leuten. Nathu ging ins Tor und die vier Mädchen schauten zu. „Wie kleine Kinder“, meinte Indira, die das Treiben interessiert beobachtete. „Hauptsache es macht ihnen Spaß“, fand Daya, die immer noch ein wenig traurig war. Stundenlang tobten sich die Jugendlichen auf dem Bolzplatz aus, doch auf einmal war der Ball weg. Sardar hatte ihn über das Tor geschossen und war losgelaufen, um ihn zu holen. Jedoch war einer derer, die sie nicht leiden konnten, schneller am Ball und hatte ihn zu seinen Leuten gebracht. „Was soll denn das? Gebt uns den Ball!“ forderte Bharat. „Vergeßt es! Das ist unser Ball. Und jetzt verschwindet, weil jetzt richtige Fußballer auf den Platz kommen“, tönte der Andere. „Der Ball gehört uns allen. Also her damit!“ befahl Shankar. „Spiel Dich hier nicht auf! Seid froh, daß wir Euch hier wohnen lassen“, entgegnete einer der „Feinde“. Raja wollte die Situation entschärfen. „Wir haben doch jetzt lange genug gespielt. Lassen wir die aufs Feld. Aber nur, wenn sie uns versprechen, daß wir den Ball wiederbekommen, wenn sie fertig sind“, schlug er vor. Damit waren alle einverstanden und so beobachteten die elf Jungen ihre Konkurrenten. „Also viel besser wie wir sind die auch nicht“, kommentierte Tejbin. „Umso besser. Aber das bringt uns auch nicht viel“, glaubte Bharat. Nach einer Weile hatten sie genug gesehen und gingen mit den vier Mädchen zu Lucia. „Na, habt Ihr genug von der Sonne?“ fragte die freundlich. „Können wir Dir irgendwie helfen?“ wollte Shankar wissen. „Gerne. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr das Abendessen herrichten.“ Da waren sie alle sofort Feuer und Flamme und so machten sie sich an die Arbeit. Doch als sie dann alle zu Tisch saßen, herrschte eisiges Schweigen. Feindselig blickten sich die Mitglieder der Gruppen an. „Was ist denn mit Euch? Ihr könnt doch miteinander reden“, fand Lucia, die merkte, daß es nicht leicht werden würde, für Frieden und Ordnung zu sorgen. „Was sollen wir denn mit denen reden? Die können ja nicht mal unsere Sprache“, lästerte einer der Anderen. „Das liegt an Deinen Ohren. Wahrscheinlich hast Du die auf Englisch eingestellt“, scherzte Nathu. Während seine Freunde lachten, machten die Anderen finstere Gesichter. Lucia beschloß, nach dem Essen dafür zu sorgen, daß sich die Gruppen etwas näher kamen. Darum ließ sie alle in einem großen Raum zusammenkommen und sprach: „Damit Ihr Euch jetzt kennenlernt, bitte ich Euch, daß Ihr Euch gegenseitig vorstellt und Euch die Hand gebt.“ Aber jene Worte fruchteten nicht. Während Shankar und seine Freunde dazu bereit waren, verweigerten die Anderen ihnen den Händedruck. So blieb es bei der eisigen Stimmung und es hatte nicht den Anschein, als ob sich das ändern sollte.

      Zum ersten Mal seit langen Jahren konnten die Flüchtlinge in richtigen Betten schlafen und das freute sie sichtlich. Zu elft lagen sie im Zimmer, als auf einmal Lucia hereinkam. „Ich habe fast vergessen, daß Ihr Euch noch duschen könnt, wenn Ihr wollt“, teilte sie mit. Sofort sprangen sie alle auf. Kurze Zeit später genossen sie das kühle Naß und wuschen sich den Dreck vom Körper. Zum ersten Mal seit Langem fühlten sie sich richtig sauber und waren darum bestens gelaunt, als sie wieder in ihre Betten stiegen. „Jetzt haben wir es also geschafft“, begann Tejbin die Unterhaltung im Dunkeln. „Was?“ erkundigte sich Sonia.

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