Rückkehr der Gerechtigkeit. Anno Dazumal

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Rückkehr der Gerechtigkeit - Anno Dazumal

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berichtete er frech und seine Kollegen nickten beflissen. „Das glaube ich Euch nicht.“ Jene Worte ihres Chefs stürzten sie in Verlegenheit. Doch die ließ sich der Redner nicht anmerken. „Sie müssen uns glauben. Es ist die Wahrheit“, bekräftigte er energisch. Da zog sein Boß eine Peitsche hervor. „In diesem Teil steckt die Wahrheit. Wenn Ihr sie mir jetzt nicht auf der Stelle sagt, dann bekommt Ihr so eine Tracht Prügel, daß Ihr glaubt, Ihr würdet zu den arbeitenden Kindern hier gehören“, drohte er. Irgendwie war es schon komisch mit anzusehen. Da stand ein kleiner Mann mit einer Peitsche vor 20 weitaus größeren und stärkeren Männern und doch gelang es ihm, sie dazu zu bringen, die Wahrheit zu sagen. „Also gut, also gut. Wir sind mit dem Lastwagen gefahren und haben Spuren entdeckt. Da sind wir ausgestiegen, um ihnen zu folgen. Auf einmal begann der Lastwagen davonzufahren. Den Rest mußt Du Dir von ihm erzählen lassen. Der war als Einziger länger dabei“, berichtete einer der Aufseher und deutete auf den Kollegen, der die Flüchtlinge fast zurückgebracht hätte. „Ich untersuchte gerade die Ladefläche des Lastwagens, als der losfuhr. Auf einmal sprangen ein paar Jugendliche auf. Es waren vier der Flüchtlinge, der Fünfte fuhr den Wagen. Ich zwang ihn anzuhalten und auszusteigen. Er stieg aus und lief davon. Ich lud meine Waffe und da blieb er stehen. Auf einmal bekam ich einen Schlag auf den Kopf und ging zu Boden. Doch als sie in den Lastwagen wollten, da packte ich den Stärksten von ihnen und hielt ihm ein Messer an den Kopf.“ „Was war mit Deiner Pistole?“ unterbrach ihn der Chef. „Die hatten sie mir ja weggenommen. Ich hielt dem also das Messer an den Kopf, doch plötzlich schlug mir der seinen Ellbogen in den Magen und ich fiel zu Boden. Dann verschwanden sie“, beendete der Mann seine Geschichte. „Ihr hirnlosen Idioten! Laßt Euch einfach den guten Lastwagen stehlen! Das wird von Eurem Gehalt abgezogen“, machte der Chef wütend deutlich. Verärgert schauten sich die Männer an. „Was glotzt Ihr denn so? Besorgt Euch einen neuen Lastwagen und macht Euch auf die Suche nach dem alten. Und laßt Euch nicht wieder übertölpeln!“ rief er. „Das macht doch keinen Sinn. Den alten Lastwagen können wir doch eh wegschmeißen. Außerdem sind die Flüchtigen alle schon fast 18 Jahre alt. Die hätten wir eh nicht mehr lange hier gehabt“, argumentierte einer der Aufseher, der sich eine Menge Arbeit sparen wollte. Etwas erstaunt schaute sein Chef ihn an. „Na ja, vielleicht ist die Idee gar nicht so dumm. Zwei von Euch kaufen morgen einen gebrauchten Lastwagen und der Rest bleibt hier. Nicht, daß die Kleinen einen Aufstand wagen“, meinte er spöttisch und seine Untergebenen lachten. „Haltet die Schnauze! Ich werde Euch den Arbeitsverlust anrechnen!“ versicherte er. „Aber wenn wir morgen ausreichenden Ersatz besorgen, dann nicht, oder?“ wollte ein Aufseher wissen. „Nicht morgen, heute. Wenn Ihr heute sechs neue Arbeiter herbringt, dann bekommt Ihr Euer Geld“, versprach der Chef. Da machten sich die Kinderfänger sofort auf den Weg. Das alles bedeutete, daß die Flüchtigen nichts mehr zu befürchten hatten. Doch sie wußten nichts von ihrem Glück und blieben deswegen sehr vorsichtig.

      Ihnen wurde es mit der Zeit in ihrem Versteck langweilig und deshalb suchten sie sich eine Beschäftigung. Parwez zog sein Hemd aus und verknotete es, so daß daraus so etwas Ähnliches wie ein Ball wurde. Dann suchten sie sich jeweils zwei auseinander stehende Bäume aus, die sie zu ihren Toren umfunktionierten. Wenig später ging es los. Shankar, Raja, Nathu, Indira und Daya gegen Parwez, Bharat, Sardar, Tejbin und Hirabai. Sonia spielte nicht mit, sondern machte die Schiedsrichterin. Am Anfang war es ein fürchterliches Gestochere. Meistens trafen sie den Gegenspieler oder traten neben den „Ball“. Doch nach einiger Zeit zeigte sich, daß sie durchaus zu spielen verstanden. Mittlerweile war Nathu aufgefallen, daß es unsinnig war, daß sich alle auf den „Ball“ stürzten und darum verteilte er seine Mitspieler geschickt. Das machte die gegnerische Mannschaft auch und so entstand schon bald ein richtig schönes Spiel. Mit der Zeit bekamen alle Mitspieler den „Ball“ immer besser unter Kontrolle, so daß es wirklich ein Vergnügen war, ihnen zuzuschauen. Irgendwann hörten sie mit dem Zählen der Tore auf und spielten nur noch aus Spaß. Man versuchte etliche Tricks und es machte ihnen riesig Freude. Nach drei kurzweiligen Stunden saßen sie alle völlig erschöpft im Gras. „Ich hätte nie gedacht, daß das so schön sein kann“, gab Raja zu. „Es ist absolut geil. Mensch, wenn ich nur früher die Gelegenheit gehabt hätte“, ärgerte sich Shankar. „Noch ist es nicht zu spät. Auch wenn wir schon einige Jahre harter Arbeit auf dem Buckel haben, so sind wir trotzdem noch jung. Zwar kommt das Spiel von den Engländern, aber es muß nicht alles von denen schlecht sein“, fand Tejbin. „Wie hat es Dir gefallen?“ begehrte Shankar von Indira zu erfahren. „Es war schön“, antwortete sie. „Mehr nicht?“ „Es ist halt doch ein Männersport.“ „Ach was! Ihr könnt doch auch gut spielen.“ „Schon. Aber es gibt halt keine gemischten Mannschaften.“ „Das ist wahr. Aber zusammen sind wir genau elf. Und das reicht für eine Fußballmannschaft“, stellte Bharat fest. Das Hemd wurde wieder fest verknotet und nach der kurzen Pause ging es weiter. Inzwischen beherrschten sie alle ein wenig die Technik und das Zusammenspiel, so daß teilweise ganz ansehnliche Kombinationen zu sehen waren. Wenn man bedenkt, daß sie sich dabei im Wald befanden, dann war das schon sehr bemerkenswert. „Na gut. Jetzt reicht es. Schlafen wir noch ein wenig, bevor wir uns auf den Weg in die Stadt machen“, schlug Sardar nach weiteren zwei Stunden Fußball vor. Die Anderen nickten. Derweil merkte Shankar, daß Daya unruhige Blicke auf ihn warf. Ach ja! Da hätte er fast etwas vergessen. „Kann ich mal mit Dir reden?“ wollte er von Nathu wissen, der sich über jene Frage ein wenig wunderte. „Was ist denn mit Dir los? Du hast mit mir immer reden können, dann wirst Du das jetzt auch noch schaffen.“ Alle lachten. „Nein, ich meine unter vier Augen.“ „Gut, dann mußt Du Deine Augen zumachen. Ich habe nämlich zwei Hühneraugen, also sind es schon vier.“ „Kannst Du nicht einmal ernst bleiben?“ „Wieso sollte ich? So lebt es sich doch viel schöner.“ Sie zogen sich an einen Ort zurück, wo sie unter sich waren. „Wann kümmerst Du Dich eigentlich um eine Freundin?“ fragte Shankar. „Das hat Zeit. Vielleicht finde ich ja in Neu Delhi die Richtige.“ „Hast Du die etwa noch nicht gefunden?“ „Wie kommst Du denn darauf?“ „Na ja, was hältst Du denn von Daya?“ „Sie ist nett.“ „Ist das alles?“ „Was soll ich denn sonst noch sagen?“ „Das mußt Du wissen.“ „Hör mal, ich habe von der Liebe meine eigenen Vorstellungen. Wenn ich eine Frau treffe, die mir gefällt, ich ihr dann in die Augen schaue und darin das gleiche Feuer sehe, das in meinen Augen brennt, dann ist sie die Richtige.“ „Du bist kompliziert. Wenn Du eine Frau mit Feuer in den Augen haben willst, dann geh zu einer Urnenbeisetzung.“ „Hey Shankar, seit wann bist Du so ein Zyniker?“ „Wer mit Dir so lange zusammen ist und Deine Sprüche hört, der wird das ohne es zu wollen.“ „Daya will was von mir. Stimmt’s?“ „So ist es.“ „Und Du solltest mich fragen, wie ihre Chancen stehen?“ „Genau.“ „Hör zu! Sag ihr, daß ich, ach laß es, nein ich sag’s ihr selber, oh, das kann ich nicht, paß auf: Sag ihr, daß ich Zeit brauche. Viel Zeit. Sie soll sich keine zu großen Hoffnungen machen, weil sie nicht enttäuscht sein soll. Sag ihr, daß ich momentan die Freiheit einer festen Beziehung vorziehe. Das kann sich ändern, muß sich aber nicht ändern.“ „Willst Du ihr das nicht selbst sagen?“ „Das kann ich nicht. Weißt Du, es ist eine blöde Sache, wenn jemand was von Dir will, Du aber nichts von ihr. Da weiß man nie, was man machen soll, weil man ja auch keine Gefühle verletzen will.“ „Seit wann nimmst Du Rücksicht auf die Gefühle Anderer?“ „Jetzt hör mal! Ich war kein Aufseher, sondern ein Arbeiter. Bring da ja nichts durcheinander!“ „Schon gut, Nathu. Ich werde es ihr schonend beibringen.“ „Na hoffentlich.“ Sie gingen zu den Anderen zurück. „Na, habt Ihr ausgemacht, wer wieviel bekommt, wenn Ihr uns alle in Neu Delhi an eine Kinderfabrik verkauft?“ scherzte Bharat. „Nein, das lohnt sich nicht. Ihr seid viel zu faul. Sitzt den ganzen Tag nur rum. Mit Euch kann man kein Geschäft machen“, beklagte sich Nathu, der natürlich gern darauf einstieg.

      Erst als die Anderen schliefen, nahm Shankar Daya zur Seite und teilte ihr mit, was Nathu gesagt hatte. „Also wird es nichts mit ihm und mir“, gestand sie sich traurig ein. „Gib nicht auf! Er braucht Zeit. Vielleicht wird es ja Liebe auf den zweiten Blick“, tröstete sie Shankar. Doch auch jene Worte konnten nicht verhindern, daß Tränen über Dayas Gesicht liefen. „Laß uns schlafen! Morgen sind wir in Neu Delhi und da sieht die Welt schon ganz anders aus“, glaubte Shankar, um danach die nächsten beiden Wächter zu wecken. Es war stockfinster, als sie sich alle auf den Weg in die Hauptstadt machten. Sie wußten, daß

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