Rückkehr der Gerechtigkeit. Anno Dazumal
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Es war noch Nacht in Neu Delhi, aber die Straßenlaternen sorgten für ein wenig Beleuchtung. Etwas orientierungslos zogen die Elf durch die Straßen. Irgendwann reichte es ihnen und sie setzten sich auf eine Straße. „Und was jetzt?“ wollte Parwez wissen. „Keine Ahnung“, murmelte Sardar. „Leute, was ist los mit Euch? Freut Euch, wir haben es geschafft. Wir sind in Neu Delhi, der Hauptstadt Indiens“, vermeldete Nathu. „Na und? Trotzdem wissen wir nicht, wie es weitergeht“, entgegnete Hirabai. „Es stimmt also doch, daß wir die Generation ohne Zukunft sind. Na und? Dann machen wir uns halt unsere eigene Zukunft“, entschied Nathu, der sich seine gute Laune von nichts und niemandem nehmen ließ. „Nathu hat die richtige Einstellung. Wir sollten jubeln und frohlocken ohne Ende, daß wir endlich aus den Fängen dieser Sklavenhalter entkommen sind“, behauptete Sonia. „Mach die Augen auf! Wir sitzen auf der Straße, haben kein Geld, keine Unterkunft, einfach gar nichts“, jammerte Tejbin. „Aber wenigstens haben wir uns“, erwiderte Daya. „Davon werden wir auch nicht satt“, widersprach Sardar. „Oh, ich glaube, da irrst Du Dich. So eine Portion Menschenfleisch kann schon für einige Tage den Hunger stillen. Ich schlage vor, wir losen jetzt aus, wer als Erstes geschlachtet wird“, ließ Nathu mit ernster Stimme von sich hören. Alle lachten. Nathu gelang es immer wieder, sie aufzubauen und ihnen zu zeigen, daß man auch ohne Hab und Gut ein lustiger und glücklicher Mensch sein konnte. Für jene Gabe bewunderten ihn die Anderen, aber seine Sprüche allein konnten halt nicht alle ihre Probleme lösen. „Wir sollten erstmal schlafen und dann sehen wir weiter“, schlug Bharat vor. „Ein kluger Junge. Denn so schnell sehen wir eh nicht weiter, so dunkel wie es hier ist“, bemerkte Nathu zur allgemeinen Erheiterung. Sie fühlten sich sicher in der Stadt und da man ihnen eh nichts stehlen konnte, entschieden sie sich, keine Wachposten zu bestimmen. So schlummerten sie eine Weile vor sich hin, bis sie unsanft geweckt wurden. „Aufwachen, elendes Pack! Ihr könnt doch hier nicht übernachten“, schnarrte ein Polizist, der mit drei seiner Kollegen hergekommen war. „Aber sie sehen doch, daß wir das können. Also, gute Nacht“, murmelte Nathu schlaftrunken. Auf einmal traf ihn das Schlagholz eines Polizisten, der dazu noch Folgendes fragte: „Wie redest Du denn mit einem Polizisten? Könnt Ihr Euch überhaupt ausweisen?“ Natürlich konnten sie das nicht, weil ihre Ausweise noch in der Kinderfabrik lagen. „Wir können uns zwar nicht ausweisen, aber wir können Euch ins Haus scheißen“, antwortete Nathu, weshalb er wieder einen Schlag abbekam. Da riß er plötzlich einem der Polizisten den Schlagstock aus der Hand. Der wich entsetzt zurück. „So, jetzt drehen wir den Spieß mal um. Wenn Du unbedingt jemanden schlagen mußt, dann werde Domino, oder sowas!“ rief Nathu, der Einiges vom Wortschatz der Aufseher übernommen hatte. „Ja, jetzt werden wir mal ernst. Wo sind wir denn hier? Wir liegen friedlich schlafend am Boden und Ihr kommt hierher und macht Ärger. Was soll denn das?“ fragte Nathu die erstaunten Polizisten. „Moment, Junge! Du bringst da was durcheinander. Ihr habt kein Recht hier zu schlafen und darum müssen wir Euch wegschaffen“, stellte einer der Polizisten klar. Es war keineswegs so, daß die Jugendlichen in der Kinderfabrik nur gearbeitet hatten. Man hatte sie ab und zu auch noch unterrichtet, so daß sie doch ein kleines, aber wertvolles Wissen besaßen. „Bist Du der neue Hitler, oder was? Diese Stadt gehört allen und darum können wir schlafen wo wir wollen. Es sei denn, Du stellst uns Deine Villa zur Verfügung“, stieß Nathu energisch hervor. „Du bist ganz schön frech. Ihr kommt jetzt mit und damit basta!“ „Ihr verschwindet jetzt und damit basta!“ Mit solchen Worten hatten die Polizisten nicht gerechnet. Fragend schauten sie sich an. „Das ist Widerstand gegen die Staatsgewalt“, stammelte einer. „Was soll die ganze Scheiße, die Ihr da labert? Ich sehe weit und breit keine Staatsgewalt. Ihr habt uns angegriffen, also ist es unser Recht, uns zu wehren. Laßt uns jetzt endlich in Ruhe!“ forderte Shankar. Die Polizisten wußten nicht so recht, was sie tun sollten. „Ihr glaubt wohl, nur weil Ihr in einer Uniform herum rennt seid Ihr was Besseres als wir und dürft Euch alles erlauben? Aber da irrt Ihr Euch gewaltig“, garantierte Bharat, der seine Freunde unterstützen wollte. „Wir geben Euch zehn Minuten Zeit, um zu verschwinden. Wenn Ihr bis dahin nicht fort seid, dann, äh, dann, dann werden wir Verstärkung rufen“, sagte ein Polizist. „Kleines Stotterproblem, was? Seid froh, daß wir friedlich sind, weil wir Euch auch auseinandernehmen könnten. Wir verschwinden, aber eines garantiere ich Euch: Wenn Ihr wieder bei uns auftaucht, oder Eure Kollegen, dann gibt’s Ärger. Wir lassen uns nämlich nicht von einem Ort zum nächsten schicken“, bekräftigte Shankar. Danach setzten sich die Elf in Bewegung. „Einen Augenblick! So war das nicht gedacht. Ins Gefängnis müßt Ihr schon“, beharrte einer der Polizisten. Da ging Bharat seelenruhig auf ihn zu, stellte sich vor ihn hin und fragte: „Hast Du was gesagt?“ Der Polizist war gut 20 Zentimeter kleiner als Bharat und darum zögerte er mit der Antwort. Erst nach einigen Sekunden ließ er ein „Schönen Tag noch“ von sich hören. So zogen die Flüchtlinge von dannen und wunderten sich. „Was ist denn das für ein Sauhaufen? Da schläft man in aller Ruhe und dann tauchen auf einmal solche Idioten in Uniform auf, die nichts Besseres zu tun haben als junge Leute zu schikanieren“, ärgerte sich Raja. „Solange wir im Freien schlafen müssen, werden uns die noch einigen Ärger bereiten“, glaubte Daya. „Kein Problem. Bauen wir uns halt ein Haus“,