Parsifal. Joachim Stahl

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Parsifal - Joachim Stahl Sternenlicht

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waren. Zwar mussten sich Einreisende medizinisch untersuchen lassen, aber die Sicherheitskräfte Kharaks waren einer mildtätigen Spende gegenüber niemals abgeneigt und nahmen dann ihre Kontrollen etwas weniger genau als behördlich vorgeschrieben.

      Ihre Mutter hatte in einer Kneipe nahe des Raumhafens Getränke ausgeschenkt. Eine der Arbeiten, die Roboter den Menschen wohl niemals abnehmen würden, auch wenn sie viel schneller und ermüdungsfrei bedienen könnten. Doch welcher Raumfahrer will das Geld für seine den Geist und Körper erfrischenden oder auch betäubenden Getränke lieber von einem digitalen Bezahlsystem abbuchen lassen, wenn er es auch einer schönen Frau in die Hand drücken kann, die ihm zu seinem gefüllten Glas ein Lächeln schenkt und sich dazu seine mehr oder minder wahren Geschichten aus dem Weltall anhört?

      Carmen war beim Tod ihrer Mutter dreizehn Jahre alt gewesen. Ein viel zu früher Tod, dachte sie damals. Doch in Wahrheit würde sie wohl in noch jüngerem Alter als ihre Mutter sterben müssen.

      Sauerstoff-Restanzeige: 2 %.

      Carmen hatte nach dem Zusammenbruch ihrer Mutter um Hilfe geschrien. Nachbarn hatten daraufhin den medizinischen Notdienst gerufen, der nach qualvoller Wartezeit endlich das schäbige Stadtviertel erreicht hatte und die ohnmächtige und schweratmende Frau ins Krankenhaus fuhr. Die Tochter durfte mit in den Medogleiter steigen. Sie erinnerte sich an das Betreten des Krankenhauses, das sie an jenem Tag zum ersten Mal in ihrem Leben sah, an die Vielzahl von Menschen dort, die meisten hilfebedürftig, die anderen in ihren himmelblauen Kleidern hilfegebend. Eine Ärztin hatte sich der Mutter angenommen, eine schlanke Frau mit mandelförmigen Augen, die von ersten Falten umkränzt wurden, und am Hinterkopf zusammengebundenen schwarzen Kraushaaren.

      Verzweifelt hatte die Tochter die Ärztin angeblickt und gefragt, ob sie ihrer Mutter helfen könne, ob diese wieder gesund werde und wie lange das dauere. Die Ärztin hatte sie unverbindlich angelächelt und dabei gemustert. Ob sie wisse, ob ihre Mutter Geld habe, hatte sie statt einer Antwort erwidert. Das Mädchen hatte die Ärztin daraufhin angeblickt, als wäre es soeben von ihr geohrfeigt worden. Nein, hatte es geflüstert.

      Ohne ein weiteres Wort an die Tochter zu richten, gab die Ärztin einem Medorobot den Befehl, die Mutter wegzubringen. Das Mädchen solle im Wartezimmer Platz nehmen, es werde dort bald erfahren, wie es weitergehe. Daraufhin hatte Carmen sich auf einen der wenigen freien Stühle gesetzt und mit bangem Herzen gewartet.

      Kaum jemand der anderen Wartenden beachtete sie. Nur eine ältere, dicke Frau, die mit leicht gespreizten Beinen auf der gegenüberliegenden Seite saß, warf ihr gelegentlich einen Blick zu. Doch fand Carmen darin weder Mitgefühl noch auch nur Interesse.

      Schließlich kam ein junger Mann in himmelblauen Kleidern auf sie zu und bat sie, ihn zu begleiten. Die Ärztin ließ sich nicht mehr blicken. Der dunkelhäutige Pfleger gab sich erkennbar Mühe, eine Spur von Kummer zu zeigen, als er ihr mit ernster Stimme mitteilte, dass ihre Mutter soeben gestorben sei. Man habe ihr leider nicht mehr helfen können, das Virus habe sie erstickt. Und ob sie andere Verwandte in der Stadt habe.

      Sauerstoff-Restanzeige: 1 %

      Bald würde auch sie ersticken.

      Der einzige lebende Verwandte, von dem ihre Mutter jemals erzählt hatte, war ihr Bruder Jago, der Raumfahrer. Ihre Großeltern mütterlicherseits waren schon lange tot, gestorben bei dem Bombardement, das im letzten Krieg über Kharaks Städte niedergegangen war. Ihren Vater hatte sie niemals kennengelernt, ihre Mutter wusste nicht einmal seinen Namen. Es war wohl irgendein Raumfahrer, der auf der Suche nach Spaß und Abwechslung beim Landgang ihre Mutter, die attraktive und arme Kellnerin, kennengelernt hatte und ihr dafür anschließend ein paar Kredits in die Tasche steckte. War schön mit dir, vielleicht sehen wir uns mal wieder, du Hübsche. Leb wohl. Andere Frauen hätten ihr ungeborenes Kind abgetrieben, doch Carmens Mutter war davon überzeugt, dass das Leben mit der Empfängnis beginnt und töten ein Verbrechen ist, auch wenn die gerade geltenden Gesetze etwas anderes besagen.

      Onkel Jago kam, so schnell er konnte. Es brauchte gut eine Woche. In der Zwischenzeit halfen einige Nachbarn dem Waisenmädchen, das zwar kein Kind mehr war, aber auch nicht allein für sich sorgen konnte, schon gar nicht ohne Geld. Die Nachbarn ließen sie bei sich essen, dafür half sie ihnen nach der Schule im Haushalt und versuchte sich nützlich zu machen. Das Arbeiten lenkte auch ab und sie war froh, dass sie dabei nicht viel über ihre Lage nachdenken konnte. Nur abends im Bett vor dem Einschlafen überfielen sie die Sorgen um ihre Zukunft wie ein Schwarm bösartiger Fluginsekten.

      Und eines Tages stand Onkel Jago vor dem Haus, zum ersten Mal seit Jahren sah sie wieder sein hageres Gesicht, das von schwarzen, struppigen Haaren und einem schütteren Vollbart umrahmt war. Er streckte die Arme aus und versprach ihr, sie mit ins All zu nehmen. Er habe bald sein eigenes Schiff und könne darauf schalten und walten, wie er wolle.

      Und hier war sie also, im All. Damit beauftragt, einen Notruf zu senden. Vor etlichen Stunden schon hatte sie damit begonnen, eingepfercht in dieses Wrack. Doch was, wenn der Notruf seinen Adressaten wider Erwarten nicht erreichte? Würde Jago dann aus seinem Versteck herbeieilen, um sie zu retten? Wusste er überhaupt, dass seiner einzigen Nichte gerade der Atem ausging?

      Tränen traten in ihre Augen. Seltsam, dass sie erst jetzt kamen, wo ihr doch schon so lange zum Heulen zumute war. Und sie konnte sie nicht einmal unter dem Helm ihres Raumanzugs wegwischen. So werde ich also den Weg meiner Mutter gehen, wenn auch etliche Lebensjahre früher als sie. Sie musste ersticken, weil sie kein Geld für wirksame Medikamente hatte, ich muss ersticken, weil mein lieber Onkel ein geldgieriger Raumpirat ist, der mich als Lockvogel einsetzt.

      Aber das Leben ist zwar meist ein eintöniger, ermüdender und berechenbarer Ablauf lauwarmen Wassers, manchmal aber verwandelt es sich wie durch den Zauberklang sinfonischer Melodien zum mitreißenden Strom einer dramatischen Oper. Während die junge Frau in dem wracken Beiboot die letzten Reserven ihres Sauerstoffes in die Lungen sog, tauchte ein Lichtpunkt in der Schwärze des Alls auf, genau wie erhofft und geplant.

      Parsifal flog in die Falle.

      1. Akt: Einsatz auf Torr IV

      1. Szene

      „Bitte setzen Sie sich.“ Admiral Omar Hoffmann lächelte die vier Kreuzer-Kommandanten in dem Besprechungsraum müde an.

      Major Petrus Taunsend, Befehlshaber des Forschungsraumschiffs GIORDANO BRUNO-I, das den inoffiziellen Namen DIANA trug, folgte der Aufforderung ebenso wie seine drei Kollegen und nahm auf einem der gepolsterten Stühle an dem runden Tisch Platz. Gedankenverloren strich er sich sein kragenlanges braunes Haar hinter die Ohren.

      Hoffmann setzte sich ebenfalls und warf dabei einen Blick auf das Multikomgerät an seinem linken Handgelenk. Der Admiral war keine eindrucksvolle Erscheinung. Er stand kurz vor der Pensionierung, sein kurzes Haar war bereits stark ergraut und licht. Falten durchzogen sein rundliches braunes Gesicht, in dem die dunklen Augen unter buschigen Brauen lagen. Doch Taunsend empfand großen Respekt gegenüber dem Admiral, der seine Untergebenen niemals von oben herab behandelte. Man hatte stets das Gefühl, dass er sich nicht nur für das ihm anvertraute Expeditionsschiff GIORDANO BRUNO, sondern für jedes einzelne der etwa 330 Besatzungsmitglieder verantwortlich fühlte. Und diese Verantwortung bedeutete sicherlich eine stete Last. Kein Wunder, dass der Admiral auch heute wieder etwas erschöpft wirkte.

      Hoffmann räusperte sich kurz. „Sie ahnen, dass ich Sie nicht hierhergebeten hätte, wenn ich nichts für Sie zu tun hätte.“ Diesmal wirkte sein Lächeln wieder so verschmitzt, wie man es bei ihm oft an guten Tagen sehen konnte. „Aber keine Bange, meine Dame, meine Herren, es gibt keinen großen Anlass zur Sorge.“

      „Sprach der Hirte kurz vor dem Festtag zu seinen gemästeten

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