Der Weg nach Afrika. Helmut Lauschke

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Der Weg nach Afrika - Helmut Lauschke

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Pessimismus und Optimismus ist ein sehr schmaler. Es bedarf nur eines kurzen Steges, den schmalen Spalt der Realität nach beiden Seiten hin zu überqueren, weil die Realität in einer tiefen Schlucht schlummert und nur wie die Spitze des Eisbergs hervortritt. Natürlich sieht die Eisbergspitze anders aus, je nachdem wie sie von der Sonne beleuchtet wird, weil eine Seite im Licht und dafür die andere Seite im Schatten ist, wo aber der ganze Eisberg nicht erst ans Tageslicht kommt. Und da liegt das Problem. Ähnlich ist es mit dem Menschen, wenn er noch auf der Schulbank sitzt, Sie sehen ihm in die Augen und glauben seinen Charakter zu erkennen und können es nicht begreifen, wenn er sich ganz anders entpuppt."

      Dr. Ferdinand stieg der Schluchtabbildung nach und fragte ihn, wie er sagen konnte, jene Kinder, die sich später nicht zum reifen Menschen entpuppt hatten, als unbelehrbar nach Hause zu schicken, wenn er es damals geahnt hätte. "Sehen Sie", sagte der alte Pater, "das Leben ist kurz, und so gibt es nur wenige Chancen, ein Mensch zu werden, während für den Unmenschen die Chancen viel häufiger sind. Die Kinder mit den harmlosen Gesichtern, die den Keim zur Menschenverachtung bereits in sich trugen, verwehrten anderen Kindern mit denselben Gesichtern der Unerfahrenheit den Schulbesuch, weil es die Räumlichkeiten und ich als einziger Lehrer nicht schafften. Und da bin ich der Meinung, dass da im richtigen Augenblick die falsche Auslese getroffen wurde, weil unter diesen Kinder auch jene Kinder waren, die den Keim zur Menschlichkeit in sich trugen und bedauerlicherweise vom Bildungsprozess ausgeschlossen wurden, weil sie keinen Unterricht im Lesen und Schreiben und der Bibelkunde bekamen. Da mache ich mir den Vorwurf der falschen Auslese, den mir keiner nehmen kann. Oder glauben Sie, dass Sie es besser gekonnt hätten?" Dr. Ferdinand schaute dem betagten Pater ins Gesicht, der sich die Brille putzte, und musste nach Worten suchen: "Nein, das mit der Auslese zur richtigen Zeit, das hätte ich mit Sicherheit nicht gekonnt, dafür verstehe ich zuwenig vom Menschen." "Sehen Sie, nun verstehen Sie mich besser, denn das war mein Problem, das ich nicht lösen konnte, und deshalb halte ich den Selbstvorwurf aufrecht", sagte der Pater. "Gibt es denn Menschen, die das mit der richtigen Auslese zur richtigen Zeit können", fragte Dr. Ferdinand naiv. Der Pater: "Das weiss ich nicht, doch entbindet mich das ungelöste Problem nicht von der übernommenen Verantwortung als Lehrer, selbst wenn es unlösbar ist." Dr. Ferdinand erwähnte in diesem Zusammenhang, dass das Problem der menschlichen Geringschätzung auch bei Ärzten vorzufinden ist, die aus egoistischen Motiven heraus an der Gemeinschaft wie Ratten nagen, die sich dem Teamgeist widersetzen, weil sie darin keinen Vorteil sehen, die ihn zerstören, weil sie den Keim der Zerstörung in sich tragen und sich um die Nöte der Patienten nicht kümmern, weil ihnen die Menschlichkeit fehlt, von der sie nur dann sprechen, wenn es sie selbst betrifft.

      Das verwunderte den Pater überhaupt nicht. Er nahm es mit dem kleinen Einmaleins auf, als er sagte, dass das nur eine logische Folge sei, wenn einer das Einmaleins mit [l] nicht gelernt hatte und später die [l] nicht von der [2] unterscheiden will, weil er die [2] für unteilbar hält. Es kam der Quadratur des Kreises gleich, und so liessen sie das Problem der Auslese bei der [l] bewenden. Die Patres nahmen Dr. Ferdinand mit zum Abendessen, der Zeuge eines ergreifenden Gebetes wurde, dass Pater Huben sprach: "Herr, sieh in unsere Herzen, die versandet sind, gib uns die Kraft, die heiligen Räume vom Sand zu befrein. Sag uns, wie wir's machen sollen, denn wir sind schwach geworden, den Sand heraus zu schaufeln, weil wir das Licht der Zuversicht verloren haben. Wir sitzen beengt und gedrückt und wissen nicht, wie wir uns noch helfen sollen, weil immer wieder die Sandlawinen von oben herabdonnern und uns mit Angst und Schrecken zuschütten. Wir zittern vor Dir, weil wir dein Wort nicht befolgen und uns der Mut fehlt, dein Wort ernst zu nehmen und es ohne Wenn und Aber in die Tat umzusetzen. Gib uns die Kraft, dein Wort so aufzunehmen, wie Du es willst und nicht, wie wir es wollen, weil wir da immer etwas weglassen, und die Lüge da beginnt. Dass Du die Armen und Hungrigen, die Verstossenen und Kranken nicht vergisst, das sprechen wir dir zu; wir sind uns aber nicht sicher, ob wir an diese Menschen genug denken und für sie genug tun, wenn wir vor dem vollen Teller sitzen und ihn leeren, denn im Teilen mit den Armen, da hapert es noch, weil wir zur Nächstenliebe uns selbst überwinden müssen. Herr, stelle die Weichen für den Frieden, denn wenn Du in die Herzen siehst, dann findest Du sie aufgewühlt wie den Platz vor deiner Kirche, wo die Reifen der Gewalt mit dem groben Profil tief das Kainsmal eingefahren haben. Morgen ist das Fest der Auferstehung, und die Menschen sind voller Erwartung. Nimm uns als deine Kinder an mit all unseren Fehlern und Sünden, die wir täglich begehen, weil wir schwach sind, und verstosse uns nicht. Gib uns das rechte Wort zum Beten und die Kraft des Glaubens, dass wir den Sand aus deinen Räumen heraus schaufeln und sie sauber fegen, damit wir dein Wort besser hören und uns nicht länger hinter der Taubheit verstecken. Darum bitten wir dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen!"

      Es gab eine leichte Kost mit saurem Hering, der herzhaft schmeckte, Salzkartoffeln und in Zitrone angemachtem, grünen Salat. Dazu wurde hausgemachter Zitronensaft getrunken, der gut gesüsst und durch Eiswürfel kalt gehalten wurde. Er löschte den Durst in erfrischender Weise, wobei die Zunge auf ihre Kosten kam. Nach dem Essen erzählte Dr. Ferdinand noch einige Anekdoten aus dem Hospital, und die Patres lachten auf, als er auf den Superintendenten zu sprechen kam, der jedesmal das Taschentuch aus der Hosentasche zog und sich solange vors Gesicht hielt und hinein schnäuzte, dabei das rechte Brillenglas verdeckte, bis er meinte, dass sich eine Antwort auf die Fragen bezüglich des rüden Verhaltens der Koevoet erübrigte. Die jüngeren Patres lachten sich schief, als er ihnen die Flucht des Superintendenten aus dem Besprechungsraum schilderte, wo er vor der Tür gefallen wäre, wenn Ferdinand ihn nicht aufgefangen hätte, dann auf die Toilette rannte, um sich vom restlichen Alkohol, den er am Abend zuvor mit dem Kommandeur anlässlich eines gemeinsamen Abendessens bis zur Augenröte genossen hatte, zu befreien und auf diese Weise einer Stellungnahme zum Antrag zweier Kollegen aus dem Wege lief, dass er dem Kommandeur der Koevoet von dem rücksichtslosen Vorgehen seiner Leute den Patienten gegenüber Mitteilung geben sollte, damit das in Zukunft unterblieb. Der betagte Pater schmunzelte und machte eine fast philosophische Bemerkung, als er sagte, dass es in Zeiten wie dieser schwer sei, Verantwortung zu tragen, weil die Prinzipien von Recht und Ordnung ihre Gültigkeit verloren hätten. Dr. Ferdinand stimmte ihm zu und fügte an, dass das wahrscheinlich für den Superintendenten auch zutraf, weil der sich solange auf der Toilette versteckt hielt und sich dort entleerte, bis die Anwesenden nach zehnminütigem Warten die Besprechung für beendet erklärten und den Raum verliessen. Es gab ein lachendes "Auf Wiedersehn!", als Dr. Ferdinand in den Käfer stieg, die Scheibe runter drehte, um den Patres ein frohes Osterfest zu wünschen, und ein Pater, ähnlich wie beim letzten Mal, sagte, dass es schön und interessant war und diesmal hinzufügte: "Da haben wir ja richtig lachen können." Der andere Pater hatte das Tor schon aufgeschoben, als Dr. Ferdinand das Licht anstellte, drehte und an der Torausfahrt noch einmal anhielt, um auch diesem Pater ein frohes Osterfest zu wünschen, dann die Fahrt über den Platz fortsetzte, der von den breiten Reifenspuren der 'Casspirs' in der Nacht von Karfreitag auf Karsamstag aufgewühlt wurde, und bei der ersten Linkskurve noch hörte, wie der Pater die schwere Kette ins Tor einhängte.

      Dr. Ferdinand schaukelte sich langsam über die eingefahrenen Gräben, schob das Bodenblech kratzend über die aufgeworfenen Sandhügel auf der Strasse und schlug mit den Rädern in tiefe Löcher, die nicht zu umfahren waren, als ihm eine Kolonne von 'Casspirs' mit aufgeblendetem Fernlicht entgegenkam, dass er den Käfer am leichten Abhang der Strassenseite zum Stehen brachte, den Motor laufen liess, und der Kolonne die freie Fahrt überliess, die mit Getöse und fünf Fahrzeugen an ihm vorüberraste und ihn in eine dicke Sandwolke hüllte, dass er für einige Minuten von der Strasse nichts mehr sah. Er setzte die Fahrt fort, als die Strasse wieder zum Vorschein kam, und sah einen Esel am Strassenrand mit allen vier Beinen nach oben liegen, der offenbar von einem 'Casspir' mitgerissen und in den Tod geschleudert wurde, den ein zweiter Esel beschnupperte, um sich die Gewissheit zu verschaffen, der begriffsstutzig und störrisch daneben stand und dazu das rechte Hinterbein angewinkelt hielt. Er sah das Licht auf dem abgelegenen Wasserturm und wollte es diesmal nicht auf Leben und Tod ankommen lassen. So nahm er noch vor der lang ausgezogenen Rechtskurve den schmalen, rechts abgehenden Weg zum Turm, setzte den Gang zurück, um sich mit Kraft durch die hohen Sandbänke zu schieben, und erreichte mit Mühe den Aussenposten der Kontrolle. Soldaten mit entsicherten Gewehren nahmen die Kontrolle vor, denen er das 'Permit' zeigte. Sie unterzogen den Käfer der militärischen Inspektion mit dem erwarteten

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