Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3. Sophie Lang
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Herr Davidi fährt sich mit den Händen durchs Gesicht. Jetzt ist der Moment gekommen, um Aeias Blut wieder einmal in der Verkettung der Ereignisse als seinen Joker auszuspielen. Wie auch schon damals, wird es auch dieses Mal von äußerster Wichtigkeit sein, dass sie den vollkommenen Umfang der bevorstehenden Ereignisse nicht kennt, denn nur dann wird sie völlig unbefangen an die Sache herangehen. Wenn sie der Sache ein Ende bereiten wollen, wenn sie verhindern wollen, dass alles noch schlimmer wird, müssen sie den Feind ausschalten. Und Davidis Plan bietet eine Lösung.
»Schon bald ist totale Mondfinsternis. Ein Blutmond und sowohl für Astrologie interessierte Menschen wie auch für uns wird eine seltene Planetenkonstellation den Abendhimmel zieren. Mit Eintritt der Mondfinsternis stehen alle zehn Planeten in einer Linie. Aufgereiht wie in einer Perlenkette. Höchst interessante Gravitationskräfte werden in dieser Nacht wirksam sein.«
»Einen Moment bitte. Von welchen Zehn Planeten sprichst du?«, fragt Aeia.
»Die Erbauer der Pyramiden, die von Stonehenge, die Azteken, Maya und viele andere Naturvölker haben ihre Gebäude, ja ganze Städte nach den zehn Planeten ausgerichtet. Da lassen wir uns von einer neumodischen Definition, von Möchtegernwissenschaftlern, doch nicht in die Irreführen. Nicht wahr Aeia?«
»Wenn ich Pluto dazuzähle, komme ich trotzdem nur auf neun Planeten.«
»Irgendwann ist der Zeitpunkt für einige von uns reif, um mehr über den Ursprung des Lebens auf der Erde, über die Herkunft der Begnadeten zu erfahren«, sagt Davidi nachdenklich.
Aeia schweigt andächtig.
»Wie schon erwähnt ist die Konstellation der Gestirne, nun sagen wir einmal, eine ganz besondere. Die von der Sonne stammenden Gezeitenkräfte und die aller Planeten werden in dieser Blutmondnacht addiert.«
»Und das bedeutet was?«
»In den alten Schriften steht, dass besondere Fähigkeiten, auf ein auserwähltes Individuum unter den Begnadeten inkarniert. Fähigkeiten, die weit über das Maß hinausgehen, was wir uns darunter vorstellen können. Fähigkeiten, die einem Gott nahe kommen.«
Es entsteht eine ausgedehnte Pause, der Spannungsbogen steigt, dann erzählt Davidi weiter.
»Die Suche nach der Wahrheit, nach dem Schöpfer beginnt bei der Spur eines Toten. Finde den Leichnam und du findest die Spur zu dem Artefakt und die Geschichte unserer Spezies.«
»Was für ein Toter? Ein Mord?«, fragt Aeia überrascht, der vor lauter Informationen schon droht schwindlig zu werden.
Herr Davidi überreicht Aeia die Mappe mit der Away-Mission.
»Alles was du wissen musst, wirst du hier nachlesen können. Erinnere und beherzige alles, was du bei mir gelernt hast. Finde das Artefakt und folge den Spuren wie es einst Angelique tat. Ich bin mir sicher, du begegnest auf deinem Weg sogar noch mehr Antworten auf Fragen, die dir auf der Seele brennen. Bitte öffne die Mappe erst, wenn du dich im Flugzeug befindest. Eine entsprechende Ausrüstung steht für euch bereit. Und beeil dich, die Zeit drängt.
»Flugzeug? Wo geht es denn hin?«
»In ein Land, auf einem Kontinent, den man auch die Wiege der Menschheit nennt. Nach Ägypten! Deine Reise beginnt in Basel und führt dich direkt nach Kairo. Alles Weitere, davon gehe ich aus, wird sich dann wie von selbst ergeben. Du bist etwas aus der Übung und wirst Hilfe benötigen und die Umstände erfordern strengste Vertrautheit.«
»Palo ich weiß nicht. Einerseits vertraue ich dir. Aber ich kann doch meine Tochter nicht alleine lassen. Nicht in dieser schwierigen Zeit.«
»Aeia, es hängt viel mehr davon ab als das Leben deiner Tochter. Unsere ganze Spezies ist in Gefahr.«
»Naomi wird das nicht verstehen.«
»Sag ihr, dass Hoffnung besteht.«
»Ich weiß nicht.«
»Aeia, vertrau mir. Bitte. Ich habe mich noch nie geirrt, das weißt du. Am Ende wird alles gut. Es wird ein Happy End geben. Für unsere Spezies und auch für deine Tochter.« Aeia schweigt. »Ich verstehe, was du durchmachst. Du willst sie nicht alleine lassen. Aber du musst es tun. Wenn du nicht mir vertrauen kannst, dann glaube an meine Gabe. Tu es für Naomi.«
Es vergehen Sekunden, die wie eine Ewigkeit erscheinen. Aeia kämpft mit sich. Wenn es eins gibt, das sie sich mehr als alles andere auf der Welt wünscht, dann ist es ein Happy End für Naomi.
»Was muss ich tun?«
»Geh nach Ägypten!«
»Wenn ich gehe, dann kommt für mich nur ein Away-Team in Frage, welchem ich hundertprozentig vertraue«, sagt Aeia.
Naomi - News
Meine Mutter verabschiedet sich, die Verbindung wird beendet. Ich kann es, einfach nicht verhindern, dass meine Gedanken mit mir Karussell fahren, meine Gefühle wie in einem Sturm durcheinandergewirbelt werden.
Ich soll einen Bodyguard bekommen, nach Russland reisen und ein Auserwählter unter den Begnadeten erlangt in ein paar Tagen abartige, göttliche Fähigkeiten und Aeia soll nach Ägypten reisen, mich allein lassen?
Wie soll ich mich verhalten?
Diese Informationen waren nicht für mich bestimmt. Ich habe sie belauscht.
Von wem haben sie gesprochen? Wer ist dieser Alexander, den ich treffen soll, der Hoffnung verspricht, dass ich wieder gesund werde?
Und was war das für ein Gerede von diesem Artefakt und dem Blutmond und den zehn Planeten? Zehn Planeten wohl gemerkt. Wow. Vielleicht sollte ich mich so verhalten, als hätte ich nichts gehört?
Ich bleibe noch sitzen, hoffe, dass niemand mitbekommen hat, was ich gehört habe. Ich muss mich beruhigen und wieder einen klaren Kopf bekommen. Ich entschließe mich, die geöffnete Tür in der Firewall zu checken und herauszufinden, wem es außer mir gelungen ist, TREECSS´ Sicherheitssystem zu hacken.
Ich lese Informationen aus. Einsen und Nullen, die sich zu Bildern, Ton und Text zusammensetzen.
Ich empfange Nachrichten, projiziere diese als Hologramm mitten in den Hörsaal, finde aber keine Spuren eines fremden Hackers. Hat tatsächlich einfach nur jemand Nachrichten gestreamt?
Ich betrachte die Neuigkeiten aus aller Welt.
Das Hologramm nimmt mich mit auf eine schaurige Reise.
Ich frage mich jedes Mal, warum es denn scheinbar unmöglich ist, über etwas Positives zu berichten?
Tag für Tag werden wir mit negativen Nachrichten überschüttet. Die schlimmsten Storys kommen vorne auf die Titelseite und die abendlichen Streams, Zuhause vor den Screens beginnen zunächst mit einer freundlichen Begrüßung des Sprechers, um dann aber schnell zur Tragödie des Tages überzuwechseln.
Wo bleiben eigentlich die positiven Nachrichten und Geschehnisse? Ganz ehrlich. Auf der Strecke! Oder gibt es gar keine? Was für eine schreckliche Vorstellung.