Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3. Sophie Lang

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Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3 - Sophie Lang Begandet

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aber haben wir das wirklich verdient? Hast Du das verdient?

       Möge das Leben schön für Dich werden und möge unsere Tochter glücklich werden. Ich vermisse Dich und werde Dich immer lieben.

       Dein Levi

      Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sie hält Levis Brief zwischen ihren zittrigen Fingern. Das Papier ist dick, porös, elfenbeinfarbig und fängt jeden einzelnen salzigen Tropfen auf. Sie faltet langsam das Papier und legt den Brief in die Holzkiste zu all den anderen, von denen jeder einzelne so - sehr - weh - tut. Die Gedanken und Erinnerungen an Levi fühlen sich an wie eine blutende Wunde, aus der beständig Lebensenergie strömt. Sie wünscht sich, es gäbe ein Heilmittel, um die Verletzung zu schließen und um die qualvollen, nächteraubenden Schmerzen endlich zu stillen.

      Sie liebt ihn noch immer, aber es gibt kein Zurück mehr. Selbst wenn sie es wollte. Das TREECSS hat Levi alle Erinnerungen genommen. Die Xmemorarenikation ist ein Verfahren, eine Fähigkeit, über das die wenigsten irgendetwas wissen. Das war sein letzter Brief und es ist bestimmt besser so.

      Aeia denkt an Naomi ihre wundervolle Tochter und versinkt in noch tieferer Traurigkeit. Was soll aus Naomi werden? Wird sie überleben und das TREECSS eines Tages als erwachsene Frau verlassen?

      Sie ist ja erst siebzehn Jahre alt. Viel zu jung, um diese Welt schon wieder zu verlassen. Manchmal hätte Aeia gerne so eine Art Kalender, an dem sie jeden Abend ein Blatt abreißen könnte. Ein Tag länger, an dem sie ihrer Tochter in die Augen blicken kann. In nicht einmal einer Woche wird Naomi achtzehn. Sie betet zu Gott, dass es nicht die letzten sieben Blätter des Kalenders sind. Dann wäre sie erwachsen und könnte tun und lassen, was sie will. Naomi ist zur Hälfte ein Mensch, ihr steht dieses Recht zu.

      Aeia ist nach dem Tod ihres Sohnes eine echte Glucke geworden. Sie hat nach der Trennung von Levi, als alleinerziehende Mutter, eine Menge neuer Fähigkeiten dazugewonnen. Ihr könnten bei TREECSS ganz neue berufliche Wege offenstehen.

      Sie musste jahrelang ihre Arbeit als Kriminalpsychologin stark zurückschrauben, musste so viele Dinge des Familienalltags gleichzeitig im Kopf haben. Alltägliches, das sich ständig kompliziert gegenseitig beeinflusste und das sich durch die unberechenbaren und irrwitzigen Arbeitszeiten bei TREECSS und das unkontrollierbare Verhalten ihrer heranreifenden Tochter einer Kampfansage an den Alltag glich. Die Zeit ist vorbei, als Naomi an ihr zerrte und pausenlos auf sie einredete, während Aeia verzweifelt versuchte, in einem Fall zu recherchieren und nebenbei für ihre Tochter da zu sein. Aeia wäre jetzt ganz sicher fit für einen hohen Managerposten bei einem der großen Multi-Konzerne in der Europäischen Union. Ein größeres Irrenhaus als das ihre, kann das auch nicht sein. Und die Vorstellung, dafür dann auch noch vollkommen unangemessen hoch bezahlt zu werden, findet sie auch sehr reizvoll.

      Sie hat sich oft gefragt, warum nicht die hardcore, organisationserprobten, Multitasking-Mamas in der Wirtschaft alle Spitzenposten besetzen? Aber eigentlich ist es klar, warum das nicht so ist: Sie werden bei ihrer Familie dringender gebraucht, und wenn die Kinder irgendwann ausgezogen sind, haben sie kein Bedürfnis mehr danach.

      Als alleinerziehende Mutter wurde sie zu einer hochqualifizierten Konfliktmanagerin und könnte auch Beraterin oder Mediatorin werden, aber dazu hat sie sicher auch keine Lust. Eventuell hat sie auch gute berufliche Chancen im Personenschutz. Sie war jahrelang der perfekte Bodyguard - mit einem Blick konnte sie bereits aus weiter Entfernung, selbst in größeren Menschenmengen, alle sich nähernden Gefahren erfassen und von ihrer Tochter abwenden.

      Leider gibt es auf dieser Welt Gefahren, gegen die auch Aeia nichts ausrichten kann. Sie denkt an ihr verstorbenes Kind, an ihren Sohn. Schiebt die unsagbar traurigen Gedanken an seinen Verlust in eine Kammer, tief in ihrem Unterbewusstsein. Versucht sich wieder, auf die Gegenwart zu besinnen.

      Vielleicht sollte sie Kyalas Ratschlag, einfach erst mal ein Jahr lang nur zu schlafen, in Erwägung ziehen. Doch sie hat sich dem TREECSS und der Mission verschrieben, zu einer friedvolleren Welt beizutragen. Eine Auszeit kommt nicht in Frage.

      Ein Blick auf ihren Smartscreen verrät Aeia, dass sie spät dran ist. Sie will Herr Davidi, den Leiter des Instituts und einen langjährigen Freund, nicht warten lassen und macht sich mitten in der Nacht auf den Weg zu seinem Büro.

      Aeia - Schlechte Nachrichten

      Palo Davidi wurde am 28. Oktober 1951 als einziges Kind von zwei füreinander bestimmten Begnadeten in England geboren. In seiner Akte steht, er war ein Kind mit schwächlicher Konstitution, das mit einer leicht deformierten Wirbelsäule zur Welt kam. Schon zur Schulzeit war er seinen menschlichen Klassenkameraden weit voraus, aber einsam, und seine Eltern machten sich große Sorgen um ihn. Davidi erlebte den Kosmos der wüsten Nachkriegszeit. Seine Eltern waren Intellektuelle und geprägt von den alten Sagen, die vom Ursprung der Begnadeten berichten. Er studierte Philosophie und seine einzigartige Fähigkeit: Sich niemals zu irren, entwickelte sich mit seinem 21. Lebensjahr zu seiner vollen Reife. Er verliebte sich in Kyala, die ihn an einen Ort in seinem Herzen entführte, von dem er nie geahnt hätte, dass es ihn überhaupt gab. Seit Jahrzehnten ist er einer der drei Leiter des TREECSS. Er hat nie geheiratet und die gemeinsamen Tage mit Kyala in England, ihre kurze Liebe, zählt wohl zu seinen schönsten Lebensabschnitten.

      »LOYALITÄT«, sagt Davidi und schließt seine Hand.

      »AUFRICHTIGKEIT«, sagt er mit geöffneter Hand.

      »TRADITION«, seine Hand schließt sich wieder.

      Aeia nickt, wiederholt den traditionellen Gruß.

      »Naomi ist dir so ähnlich«, beginnt Davidi. Der Institutsleiter schenkt Whisky in zwei Gläser ein und sieht Aeia erwartungsvoll an. Sein Körper ist in die Jahre gekommen, sein Gesicht knittrig. Er ist dünn, nur noch ein Schatten seiner alten Tage. Palo Davidi wirkt wie ein lebendes Fossil, aber seine Augen haben noch immer den Glanz, die Klarheit und den gleichen Scharfsinn wie damals, als Aeia sein Büro zum ersten Mal betrat.

      Sie nimmt in dem Sessel vor Davidis Schreibtisch Platz, schlägt ihre Beine übereinander und blickt sich um. Nichts hat sich hier verändert. Die Zeit scheint in diesem Raum seit einundzwanzig Jahren still zu stehen. Alles ist beständig, bis auf die Leute, die ein und ausgehen. Aeia sucht den Blick ihres alten Mentors, ihres Freundes, hält die entstandene Pause geduldig aus und wartet darauf, bis Davidi fortfährt. Er lehnt sich zurück und legt seine Hände in den Schoß.

      »Wenn ich deine Tochter ansehe, dann sehe ich dich. Ich sehe die gleiche Sturheit und Dickköpfigkeit. Ich sehe in ihr eine Rebellin und ...«, er hält kurz inne, um das richtige Wort auszuwählen, »... vielleicht auch eine Einzelkämpferin.« Davidi schielt Aeia über den Rand seiner Brille hinweg an, nimmt einen Schluck Whisky. Sie trinkt auch einen winzigen Schluck, hüstelt etwas und wartet geduldig ab, was noch kommt. »Und ich sehe in ihr dein Lächeln. Ein Lächeln, das alles auf dieser Welt an seinen rechten Platz rücken kann.«

      »Wow, stur, dickköpfig, egoistisch? Ich sehe, du hast das Süßholzraspeln nicht verlernt und weißt genau, welche Worte das Herz einer Frau erwärmen«, sagt Aeia schmunzelnd.

      »Schöne Worte kann es schließlich nie genug geben aber eins kannst du mir glauben, Komplimente klingen nur gut, wenn sie wirklich ehrlich gemeint sind. Du solltest das wissen. Schließlich würdest du jede Heuchelei und nur so dahingesagte Schmeichelei sofort entlarven.« Aeia schenkt ihrem Mentor ein warmes Lächeln.

      »Das hast du schön gesagt. Vielleicht wollen wir Frauen im Grunde auch gar nicht hübscher sein als jede andere. Vielleicht wollen wir nur in Momenten wie diesen für unseren Charme und unsere individuellen

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