Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3. Sophie Lang

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Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3 - Sophie Lang Begandet

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Naomis beste Freundin, vermutet Zac. Ihre äußere Erscheinung ist geradezu einschüchternd. Auch sie trägt keine View. Zumindest nicht als Brille. Eventuell eine Kontaktlinse. Schwer aus dieser Entfernung zu sagen.

      »Naomi, kommst du jetzt bitte? Weißt du, die Bahn fährt bestimmt auch ohne dich ab. Und es gibt keinen Fahrer, den ich bezirzen könnte, damit du noch länger mit diesem fremden Jungen flirten kannst«, erklärt sie und durchbohrt währenddessen Zac mit aufblitzenden, grünen Augen.

      »Ich hoffe, dir tut nichts weh. Ich werde dich jetzt loslassen müssen«, sagt Naomi und sieht hinab auf ihre Hand, die immer noch Zacs umklammert. Sie lächelt bezaubernd, was wie eine weitere Entschuldigung wirkt und will sich aufmachen.

      »Warte«, sagt Zac und hält Naomis Hand fest. Sie wendet erstaunt den Kopf und blickt ihn verwundert an.

      »Ja?«, fragt sie langsam.

      »Pass auf dich auf. Die Welt braucht dich!«

      Naomi schaut ihn verblüfft an, blickt dann wieder zu den beiden eingeschüchterten Mädchen, die von Phoenix in die S-Bahn bugsiert werden.

      »O-k-a-y«, sagt sie und jeder Buchstabe kommt etappenweise über ihre Lippen, dann lässt sie seine Hand endgültig los.

      Zac vermisst prompt die Berührung ihrer Haut. Schon wirbelt Naomi auf der Stelle herum, um im letzten Moment, bevor der Autopilot den Befehl zum Schließen der Türen anordnet, in die S-Bahn zu hüpfen.

      Die Linie 4 ist im Begriff loszufahren, als Zac durch die staubigen Scheiben ins Innere blickt und Naomi nachschaut. Sein Blick bleibt an ihren nackten Beinen haften, die in halbhohen braunen Lederstiefeln enden. Sie trägt ein weißes, enganliegendes Top, darüber einen weißen Bolero und einen knittrigen, kurzen schneeweißen Plisseerock. Zac schaut ihr amüsiert zu, wie sie sich mühelos im Innern der S-Bahn einen Weg durch die zusammengepferchten Menschen bahnt. Sie geht einfach hindurch, ohne auf Berührungen oder Rempeleien zu achten. Und dabei bewegt sie sich mit Anmut und Selbstsicherheit, scheint aber nicht das geringste Gespür dafür zu haben, wer außer ihr noch da ist. Unterwegs bringt sie ein halbes Dutzend Personen aus dem Gleichgewicht. Der eine oder andere dreht sich empört zu ihr um. Ihre kindliche Tollpatschigkeit bringt Zac zum Schmunzeln.

      Schließlich, kurz bevor die Linie 4 losfährt, hat sie den Stehplatz direkt neben ihrer blonden Freundin und den beiden exotischen Mädchen erreicht. Die S-Bahn nimmt an Geschwindigkeit zu. Sie wird schon bald aus Zacs Blickfeld entschwinden. Naomi dreht sich ein letztes Mal zu ihm um, sieht Zac an und ihre Blicke finden sich für einen Moment, um sich ineinander zu verhaken.

      Zac glaubt nicht an Zufälle. Es ist Schicksal, dass sie sich begegnet sind, dass er sie einen Tag vor dem Zeitplan getroffen hat. Besser ausgedrückt: Sie ihn über den Haufen gerannt hat, so als wäre sie auf der Flucht gewesen.

      Ihre Blicke werden voneinander getrennt. Sommerlicher Fahrtwind bläst durch das geöffnete Fenster und wirbelt Naomis braunschwarze Haare auf, dann verschwindet die Linie 4 mit ihren Fahrgästen in Richtung Stadtmitte.

      Zac zieht das Foto aus seiner Hosentasche. Es ist eine Kopie des Originals und es ist nicht digital, was entscheidend ist.

      Würde die Menschheit Spuren hinterlassen, wenn alle digitalen Informationen verloren gehen würden? Sie ausgelöscht würden? Was würde übrig bleiben? Was könnten nachfolgende Generationen über die jetzige in Erfahrung bringen? Papier übersteht keine tausend Jahre, außer man geht sorgsam damit um. Zac streicht über die künstliche Oberfläche, eine Art Harz, welche das Foto vor äußeren Einflüssen schützt. Vor schweißnassen Händen, vor Regen, Wind und Staub. Vor dem Altern.

      Er betrachtet das, was sich unter der schützenden Hülle befindet. Die Oberfläche und die beiden abgebildeten Personen, und sein Herz zieht sich für einen kurzen Moment zusammen. Gibt es wirklich so etwas wie Liebe auf den ersten Blick?

      Levi - DNA

      Naomi ist vor wenigen Minuten gegangen. Seine Tochter hat sich von ihm verabschiedet. Ihn zum Abschied so fest gedrückt wie noch nie. So als würden sie sich lange nicht wiedersehen. Oder vielleicht nie mehr? Levi schüttelt diese Gedanken ab, beobachtet durch das Fenster wie sie zu ihrer Freundin stößt und von dannen zieht. Es war ein unangekündigter Besuch, überraschend aber wohltuend. Er liebt seine Tochter und dankt Gott, dass sie die Verbindung nicht abgebrochen hat. Dass sie sich immer noch regelmäßig treffen. Er denkt nach. Unterdrückt den Impuls loszuheulen. Er hat ihr ein wundervolles Geschenk zum achtzehnten Geburtstag gekauft. Aber sie wird sich noch ein paar Tage gedulden müssen. Dann nehmen ihn seine Ängste in die Mangel. Wird sie ihren Geburtstag überleben?

       Es kann einfach kein Zufall sein. Kein Zufall. Kein Zufall.

      Diese Worte haben Levi die letzten Jahre mehr als alles andere beschäftigt. Er geht in die kleine Küche und gießt sich eine Cola ein. Dann betritt er das in eleganter Schlichtheit eingerichtete Wohnzimmer. Tageslicht dringt durch bodentiefe Fenstern und die Balkontür. Genau hier hat ihm Aeia den sexy walk dargeboten. Hier haben sie sich geliebt, auf diesem Fußboden, auf der Couch, so ziemlich an jedem Ort in der gesamten Wohnung. Es war ihr Liebesnest. Aus und vorbei. Warum nur kommt ihm ihre alte kleine Studentenwohnung nur so kalt und leer vor, beinahe fremd? Es riecht anders. Aeias Duft fehlt. Ein Stich geht durch seine Brust, und eine Sekunde spielt er mit dem Gedanken, sie anzurufen. Aber das wäre aussichtslos. Schließlich hat sie mit ihm Schluss gemacht. Im Klinikum hat Aeia ihre Beziehung beendet, klar und sachlich, wie man einen Mietvertrag kündigt.

      Levi war aus allen Wolken gefallen, hat versucht, sie umzustimmen, sie bekniet, ihrer gemeinsamen Zukunft noch eine Chance zu geben. Nach dem Tod ihres Sohnes hatten sie beide jeden Trost und Liebe dieser Welt nötig. Levi hat nichts falsch gemacht, nichts, bis auf den Umstand, dass er ein Mensch ist und er und Aeia laut den alten Traditionen der Begnadeten, nicht füreinander bestimmt sind. Sie gab sich die Schuld an allem. Und vor allem, an dem Tod ihres Sohnes. Levi hat natürlich protestiert. Er würde alles für sie und ihre gemeinsame Tochter tun. Auf all seine Wünsche verzichten, auf seine Karriere, seine Laufbahn im Uniklinikum. Aber Aeia war nicht umzustimmen. Sie fürchtete um das Leben ihrer Tochter und sah die einzige logische Konsequenz darin, Levi zu verlassen und sich ganz in die Obhut des TREECSS zu begeben. Wie eine Spritze, die man sich geben lässt, um das Schlimmste abzuwenden. Levi war über die kaltblütige Logik Aeias Argumentation zuerst sprachlos, dann wütend. Schließlich hat er sich in die Arbeit gestürzt, nur ein Ziel verfolgend. Naomis Leben zu retten.

      Levi setzt sich an seinen Schreibtisch, blickt auf die Archivdatei des Freiburger Klinikums. Betrachtet die Ziffern, die erst Sinn ergeben, wenn man sie als Uhrzeit versteht. Die Geburtsminute seines Sohnes Joshua. Levi lächelt. Dann vergleicht er die Zahl mit der zweiten Archivdatei. Der Eintrag der Minute seines Todes. Sie stimmen exakt überein. Joshua ist auf die Minute genau achtzehn Jahre nach seiner Geburt gestorben. Levi weint. Es ist wie ein Alptraum, der sich Nacht für Nacht wiederholt und Levi verfolgt nur ein Ziel, er will genau das verhindern. Er will die Endlosschleife durchbrechen und herausfinden, warum Joshua so früh sterben musste. Denn es kann kein Zufall sein!

      Levi muss es herausfinden und er hat nur noch so wenig Zeit, denn in wenigen Tagen schon wird seine Tochter achtzehn. Er studiert auch ihren Eintrag in den Dateien des Krankenhauses.

      Zwei Uhr dreiunddreißig. Die Uhrzeit von Naomis Geburt, auf die Minute genau.

      Was wenn sie das gleiche Schicksal ereilt? Levi würde das nicht verkraften. Er muss an Aeia denken. Hatte ihre Liebe denn nie eine Chance auf ein Happy End? War der Tod ihrer Kinder vorherbestimmt, seit dem Tag ihrer Geburt? Levi wünscht sich, dem wäre nicht so, aber die Fakten sprechen

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