Undercover - Auftrag. Jürgen H. Ruhr
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Im Geiste raufte ich mir die Haare. Allmählich wurde mir auch klar, warum die Informationen in meiner Akte so spärlich vorhanden waren.
„Kommen sie doch herein. Sie müssen nicht im Hausflur stehen bleiben.“ Erneut winkte sie mir, die Wohnung zu betreten. Vorsichtig folgte ich ihr, immer damit rechnend, wieder hinausgeworfen zu werden. Im kleinen Wohnzimmer nötigte sie mich, auf einem abgewetzten Sessel Platz zu nehmen.
„Darf ich ihnen einen Tee anbieten?“
Noch bevor ich ablehnen konnte, verschwand die Frau in der Küche. Ein Kaffee wäre mir jetzt lieber gewesen. Dann kramte ich die Ein-Blatt-Akte hervor und fing an, mir einige Notizen zu machen. ‚Wohnung im dritten Stock. Alter: sehr alt.‘ Ich nahm mir vor, Frieda Ottkans nach ihrem genauen Alter zu fragen. Dann notierte ich weiter: ‚Verschwunden: Ehemann, genannt auch Männe‘. Wie alt mochte der sein? Konnte man bei den beiden schon von Demenz sprechen?
Plötzlich klapperte Geschirr vor mir. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass die Frau wieder zurückgekommen war. Vorsichtig goss sie mir aus einer uralten Kaffeekanne ein.
„Danke, Frau Ottkans.“ Ich griff zur Tasse.
„Vorsicht heiß. Der Tee ist frisch aufgebrüht.“ - „Ja, danke Frau Ottkans. Das dachte ich mir schon fast.“ Vorsichtig nippte ich an dem Getränk. Was war das denn für ein Tee? Der schmeckte nach nichts. Nach Wasser, warmen Wasser.
„Zucker, Herr L...?“ - „Lärpers, Jonathan Lärpers. Von der Detektei Argus“, half ich ihr auf die Sprünge.
„Wollen sie nun Zucker oder nicht?“ - „Ja, bitte. Drei Würfel.“ Ein bisschen Geschmack wäre ja nicht schlecht.
Frieda Ottkans schüttelte mit dem Kopf. „Habe ich nicht.“
Jetzt war es an mir, ungläubig den Kopf zu schütteln. Erst bot sie mir Zucker an und dann besaß sie gar keinen? „Aber sie haben doch gerade selbst gefragt, ob ich Zucker möchte?“ Ich musste sehr ratlos ausgesehen haben, denn jetzt lachte die Frau: „Keine Würfel. Aber natürlich habe ich Zucker. Sehen sie - hier.“ Damit reichte sie mir eine Zuckerdose, die wohl ebenso alt war wie die Kaffeekanne.
„Also, Frau Ottkans. Kommen wir zu dem Grund, weshalb ich bei ihnen bin ...“
Die Alte unterbrach mich: „Weil ich sie angerufen habe.“ - „Genau, Frau Ottkans. Ich brauche noch einige Hinweise zum Verschwinden ihres Mannes. Wie alt ist der Gute denn?“
Frieda Ottkans sah mich wieder kopfschüttelnd an. Wenn die Frau eines gut konnte, dann mit dem Kopf schütteln. „Nein, Herr L...“ - „Lärpers.“ - „Ja, Herr Lärpers. Es geht nicht um meinen Mann. Wie kommen sie denn darauf?“
Fast hätte ich mir die Lippen an dem süßen, heißen Wasser verbrüht. Zuckerwasser! Auch nicht schlecht, nur um Tee handelte es sich definitiv nicht ... „Sie sprachen doch von ihrem ‚Männe‘. Wie heißt er denn genau - also mit vollem Namen - und wie alt ist er?“ Ich zückte meinen Stift. Erst einmal mit den grundlegendsten Informationen anfangen.
„Mein Männe - ja, um den geht es. Der Männe heißt ‚Racker‘ und ist zwölf Jahre alt. Und er ist verschwunden ...“ - „Ja, dass er verschwunden ist, weiß ich“, unterbrach ich die Frau. Dann schaute ich auf meine Notizen. Name: Racker Ottkans. Alter: zwölf Jahre.
‚Racker Ottkans‘, welch ein merkwürdiger Name. Und zwölf könnte ja schon gar nicht stimmen. Ob die Frau nicht doch ein wenig verwirrt war? Ich änderte die Zwölf in zweiundneunzig. Nach meinen Schätzungen konnte das schon eher hinkommen.
„Wie alt sind sie denn, Frau Ottkans?“ - „Ich? Wieso wollen sie das wissen, ich bin doch nicht verschwunden!“ - „Dem stimme ich zu, trotzdem - um das ungefähre Alter ihres Ehegatten zu verifizieren, interessiert mich das schon.“
Wieder schüttelte Frieda - mittlerweile nannte ich sie bei mir die ‚Kopfschüttlerin‘ - ihren Kopf. „Was wollen sie verfieren? Sind sie ein wenig dumm, Herr L...?“ - „Lärpers.“ - „Ja, Herr Lärpers. Verstehen sie denn nicht, dass es hier um Männe geht, meinen geliebten Racker?“
Aha. Jetzt wurde mir alles klar. Die Frau redete nicht von ihrem Ehemann, sondern von ihrem Liebhaber. Aber zwölf Jahre alt? Sie war doch bestimmt so um die Neunzig! „Wie alt sind sie denn, Frau Ottkans?“ - „Sag ich nicht.“ - „Bitte.“ - „Achtundachtzig.“ Akribisch notierte ich ihr Alter. Trotzdem war mir noch nicht klar, wieso eine Achtundachtzigjährige einen zwölfjährigen Liebhaber hatte.
„Sagen sie, Frau Ottkans“, versuchte ich Klarheit zu schaffen, „wie alt ist denn nun ihr Liebhaber? Das mit den zwölf Jahren glaube ich jetzt nicht wirklich.“
Wieder schüttelte Frieda ihren Kopf. „Liebhaber? Ich muss sie aber bitten, Herr L...!“ - „Lärpers.“ - „Ja, Herr Lärpers. Was spinnen sie sich denn da zusammen? Ich in meinem Alter einen Liebhaber? Wenn sie weiter so dummes Zeug reden, dann müssen sie aber gehen! Und Tee bekommen sie auch keinen mehr.“
Jetzt ließ sie sich in ihrem Sessel zurücksinken und verschränkte die Arme vor der Brust. Mir schwirrte der Kopf. Also kein Liebhaber? Und kein verschwundener Ehemann?
„Frau, Ottkans, wer ist denn nun verschwunden? Wenn schon nicht ihr Ehemann oder ihr Liebhaber?“ Vielleicht war es ja ein Bekannter von ihr ...
„Mein Mann ist schon seit über zwanzig Jahren tot“, erklärte sie trotzig, „aber was geht sie das an? Und mir einen Liebhaber anzudichten ... Das ist ja wohl eine Frechheit.“
Besänftigend versuchte ich auf die Frau einzuwirken: „Wer ist denn dann dieser Männe? Der Racker Ottkans?“ - „Racker, nur Racker. Mein Pudel natürlich. Aber das habe ich ihrer Kollegin doch am Telefon schon alles gesagt? Hört mir denn niemand zu?“
Ich nahm einen tiefen Schluck warmen, süßen Wassers.
Jetzt wanderte ich durch das mittägliche Rheydt auf der Suche nach ‚Männe‘, dem zwölfjährigen Pudel mit Namen ‚Racker‘. Frieda Ottkans war gestern zusammen mit ihrem Hund einkaufen gewesen. Zuhause dann bemerkte sie, dass zwar alle Einkaufstaschen vollzählig vorhanden waren, der Hund aber verschwunden. Andersherum wäre es ihr lieber gewesen.
Hatte jemand den zwölfjährigen Pudel entführt? Gestohlen? Die Polizei zeigte sich wenig interessiert. Hunde verschwanden in Rheydt alle Tage. Warum so viel Aufhebens darum, im Tierheim gab es doch genug davon!
Ich klapperte nach und nach die Geschäfte ab, die Frieda gestern besucht hatte. Zumindest die, die sie mir nach einigem Nachdenken nennen konnte. In einer Drogerie erinnerte man sich an die alte Dame: „Ja, so eine komische Alte.“ Die junge Verkäuferin mit der pinkfarbenen Strumpfhose unter dem zerrissenen Rock kaute seelenruhig auf irgendetwas herum. Ich wartete darauf, dass sie gleich einen Strahl Kautabaks in die Ecke spucken würde. „Die kommt immer am gleichen Tag in der Woche hierhin. Dann bindet die ihren komischen Köter ...“
„Ein Pudel“, erläuterte ich.
„Ja, sag ich doch. Also, die bindet den da draußen fest und dann kauft sie ein. Sie dürfen ja auch keinen Hund hier mit reinbringen. Ist verboten. Wegen der Drogeriewaren - und so.“
Ich nickte. „Und dann?“ - „Dann isse wieder gegangen. Nach dem Bezahlen. Da achten