Urlaub inklusive Mord. Michael Aulfinger

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Urlaub inklusive Mord - Michael Aulfinger

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für sich. An der bekannten Stelle bog er vom Weg rechts ab, und hatte nach einigen Schritten alsbald das Ufer erreicht. Die Stelle war gut geschützt, durch Bäume und Schilfgras, welches sich von ihm links und rechts vereinzelt befand. Trotzdem behinderte es ihn nicht beim ausholen der Rute. Dieser Platz war optimal. Der See hatte eine maximale Tiefe von Sechsunddreißig Metern. Er hatte sich als er den Angelschein bezahlte, vorher darüber informiert. Außerdem wurde ihn zugesichert, daß sich Rotaugen, Karpfen, Zander, Brassen, und Barsche darin befinden sollten.

      Dieser Bestand war aber variabel, da der See kein ganz abgeschlossenes stehendes Gewässer war, sondern durch einen kurzen Kanal mit anderen Seen der Mecklenburger Seenplatte verbunden war. Dadurch konnte sich die Fischarten verändern, was auch Abwechslung in die Angelei brachte. Durch den Kanal, der als Havel Verbindung nach Berlin hatte, kamen auch Wasserwanderer mit ihren Kanus an, die sich am Campingplatz dann für eine Nacht einlogierten, und am nächsten Morgen wieder aufrafften, um ihre Reise auf dem Wasser fortzusetzen. Dies wäre auch eine interessante Urlaubsalternative, für Nils. Diese Idee fand er reizvoll, weil eine Reise auf der Seenplatte, nur wenige Zentimeter über dem Wasserspiegel eine bewundernswerte Ansichtsperspektive bot. Vielleicht nächstes Jahr, tröstete Nils sich sogleich. Man kann nicht alles im Leben haben. Außerdem könnte er dann nicht so ausgelassen angeln wie jetzt. Er wandte sich wieder seiner Angel zu, nachdem seine Gedanken kurz abgeschweift waren.

      Am heutigen Tag wollte er erst mal auf Rotaugen gehen. Dazu machte er einen Haken an sein Vorfach, und zog Maden über den Haken, die er im Anglergeschäft gekauft hatte. Später am Tag, wollte er dann sein Glück versuchen, und auf Karpfen gehen. Die Rute flog gekonnt, und nach wenigen Augenblicken lag die Schnur mit der Pose erkennbar ruhig auf dem Wasser. Die Rute legte er an den Rutenhalter an, und setzte sich selber auf seinen kleinen klappbaren Campinghocker.

      Diese friedliche Ruhe der Natur erfüllte bald seine Seele, und umfing ihn. Er vernahm das unterschiedliche singen und trällern der Vögel, die wie im Wettkampf den hereinbrechenden Tag empfingen. Ein laues Lüftchen umgarnte ihn an seinem paradiesischem Ort. Eine leichte Nebelschwade zog noch auf der Mitte des Sees leicht über der Wasseroberfläche dahin. Dazu schenkte die aufgegangene Sonne ihre ersten Sonnenstrahlen durch die Baumwipfeln hindurch, ein glitzerndes Licht auf dem Wasser. Nach wenigen Minuten war Nils durch die bezaubernde Vielfalt der Natur wie unter Drogeneinfluß benommen.

      Diese Naturschönheit und Ruhe hatte er lange gesucht und gebraucht. Dadurch konnte er den Schmerz über die schweren letzten Jahre leichter ertragen. Es gelang ihm teilweise Dinge zu vergessen, die er gerne vergessen wollte. Ja, es gab nun sogar Augenblicke, in denen er nicht mehr an den Tod seines Sohnes, denken mußte. Über den plötzlichen Verlust kamen er und seine Frau nicht hinweg. Seine Ehe zerbröckelte daran, und war nach einem Jahr nicht mehr zu retten. Als die anschließende Scheidung durchgeführt war, versuchte er sich selbst aus dem Tief heraus zu ziehen, denn natürlich hatte seine derzeitige Lebenssituation einen negativen Einfluß auf seine beruflichen Leistungen bewirkt. Sein Chef hatte ihm ohne Schwierigkeiten einen dreiwöchigen Urlaub genehmigt. Nun saß er hier, und versuchte sein Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken, und gleichzeitig Kraft für den kommenden Alltag zu tanken.

      Die Zeit verrann. In seinen Gedanken versunken, bewegte sich gleichzeitig der Stand der Sonne immer höher, und die Nebelschwaden auf dem See lösten sich im Nichts auf. Leicht döste Nils ein. Seine Gedanken nahmen keine konkrete Gestalt an. Er gab sich der Ruhe und dem Frieden hin. Sein „ich“ vermischte sich mit der Natur. Diesen Frieden hatte er sehnsüchtig gebraucht. Aber dieser Frieden wurde jäh durch plötzliches zappeln an der Angelschnur gestört. Er hatte keinen Bissanzeiger. Auf diese technischen Accessoires wollte er verzichten. In Sekundenschnelle war er mit seinen sechs Sinnen wieder voll konzentriert, und griff nach der Rute. Er kurbelte die Rolle, bis die Schnurr gespannt war, und pumpte die Rute beim Anhieb. Es war ein kleiner Fisch. Dies spürte er an dem geringen Widerstand, der aus dem Wasser zu spüren war. Bald war der Fisch auch zu sehen. Wenige Sekunden später zappelte der Rotauge vor ihm auf dem feuchten Boden. Er löste den Haken, und nahm wieder den Hammer zur Hand. Den Fisch legte er in eine mitgebrachte Tüte, nachdem er ihn ausgenommen hatte. Erneut bezog er den Haken, und warf die Angel aus. Mit einem fast unhörbarem Seufzer nahm er auf seinem Klappstuhl wieder Platz.

      Es vergingen nur wenige Augenblicke, als sich Nils Aufmerksamkeit wieder der inneren Ruhe zuwendete. Seine Augenlider senkten sich schwer nieder.

      Das war doch ein Schrei? Blitzschnell öffneten sich seine Augen, und irrten verwirrt herum. Es war ihm, als hätte sich in seinem Unterbewußtsein ein menschlicher Schrei gemischt. Angestrengt horchte er in die noch kühle morgendliche Luft hinein, konnte aber keine weiteren menschlichen Geräusche vernehmen. Irgendwo zwitscherten Vögel. Wieder lehnte er sich zurück, und schloß die Augen.

      Doch erneut vernahm er einen weiblichen Schrei. Da er diesmal noch nicht eingedöst war, konnte er die Richtung, aus welcher der Schrei herkam, ausmachen. Es war die entgegengesetzte Richtung seines Campingplatzes. Er drehte sich um, und blickte in südlicher Richtung. Durch die Bäume war nichts zu erkennen. Auch als er sich zum Wasser wendete, und versuchte, um das Schilf herum dem Ufer entlang zu blicken, konnte er ebenso nichts erkennen. Dabei hörte er wieder einen Schrei, der lauter und deutlicher wurde. Doch schien die Quelle des Schreies immer noch hunderte Meter entfernt zu sein. Unsicher darüber, was er tun sollte, ging er den kleinen Weg zum Trampelpfad entlang. Dort angekommen, sah er weiterhin nach Süden. Es war nun nichts mehr zu hören oder zu sehen. Nachdem er einige Sekunden entlang gestarrt hatte, und auf unverhoffte Geräusche lauschte, hob er unschlüßig die Schultern. Er wollte sich erneut seinem Angelhobby hingeben, als er unerwartet einen Schuß mit einem Schrei vermischt, vernahm. Sofort ergriff ihn ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Er hatte seine Militärzeit bei einem Grenadierbataillon absolviert, und konnte einen scharfen Schuß von einem Schuß mit Platzpatronen unterscheiden. Oh, ja. Blitzschnell erinnerte er sich an den Geruch des Pulvers nach dem Abschuß. Er wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab, und ging wie an einer Schnurr gezogen, ohne nachzudenken, in die Richtung, aus der die Geräusche kamen.

      Er dachte gar nicht an eventuelle Gefahren. Neugierde, und das Verlangen helfen zu können trieben ihn vorwärts. Wenn er die Gefahren die lauern könnten, abgewägt hätte, würde er wieder auf seinem Klappstuhl sitzen, und so tun, als wenn ihm dies alles gar nichts anginge. Als wenn er nichts gehört hätte. Das konnte er nicht. Einfach wegschauen war nicht sein Charakter. So trugen ihn die Füße vorwärts. Durch den Schlingelhaften Kurs des Trampelpfades und dem dichten Baumbestand, war ein ungetrübter Blick nach vorne nicht möglich. So war ein ungestörter Blick nur auf höchstens zwanzig Meter gewährleistet. Die Blätter, die an den Zweigen und Ästen herab hingen standen im saftigen Grün. Es wirkte wie eine grün-bräunlich schattierte Mauer.

      Vereinzelt drangen nun Stimmen und Geräusche an sein Ohr, allerdings keine extremen Schreie, oder gar welche von Schußwaffen. Die Stimmen kamen immer näher. Dabei handelte es sich mehr um einen lauten Streit, wobei hektisch gesprochene Worte von Männern zu vernehmen waren. Es mußte ein Notfall sein. Nur wunderte er sich überhaupt, daß in südlicher Richtung überhaupt jemand zu sein schien. Nach der Karte, die er an der Campingplatzrezeption eingesehen hatte, waren am südlichen Ufer keinerlei Behausungen vorgesehen.

      Als er nach einigen Minuten den Trampelpfad um die nächste Kurve folgte, entdeckte er unverhofft eine Gestalt reglos vor sich auf dem Bauch liegen. Das Gesicht war von ihm abgewendet. Die Gestalt lag am Beginn seines Pfades, die in eine grasbewachsene Lichtung mündete. Die Sonne strahlte in der Mitte der Lichtung hinein. Der größte Teil des Platzes lag ansonsten im Schatten der großen Bäume. Links von der Gestalt, nahm er drei Iglu-Zelte war. In der Mitte des Platzes befand sich eine Feuerstelle, die sich noch durch Aschereste des Vortages auszeichnete. Zum Ufer hin, standen zwei leere Bierkästen. Ansonsten war auf der Lichtung weiter nichts ungewöhnliches. Von Männern – deren Stimmen er vorher vernommen hatte – war nichts zu sehen. Nur die eine regungslose männliche Gestalt, die vor ihm lag. Es lag eine gespenstische Stille über der Lichtung. Nils schluckte kräftig. Es war ihm sofort klar, das es sich um die Zielscheibe des Schußes

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